Ende des 19. Jahrhunderts, kurz nachdem sich das Deutsche Kaiserreich zur Kolonialmacht erklärt hat, studiert Alexander Hoffmann Ethnologie. Nach dem Vorbild seines verstorbenen Vaters will er die Welt bereisen und indigene Kulturen erforschen. Während in Berlin Menschen aus den Kolonien in sogenannten Völkerschauen vorgeführt werden, vermisst Hoffmann an der Universität die Schädel von Schwarzen, um deren vermeintliche Unterlegenheit zu beweisen. Die Begegnung mit einer Herero-Gruppe aus der Kolonie Deutsch-Südwestafrika lässt ihn an der rassistischen Lehre seines Professors jedoch zweifeln. Im Jahr 1904 reist er in dessen Auftrag dorthin, um Artefakte und sterbliche Überreste der Herero nach Deutschland zu bringen. Vor Ort gerät er in die Wirren eines Kolonialkrieges, in dessen Verlauf das deutsche Militär einen Genozid an den aufständischen Herero und Nama verübt. Hoffmann wird nicht nur Zeuge, sondern auch Mittäter kolonialer Verbrechen im Namen des Kaisers.

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"Der vermessene Mensch" ist der erste deutsche Kinospielfilm über den lange Zeit verschwiegenen Völkermord im heutigen Namibia und dessen ideologische Grundlagen. Regisseur und Zum Inhalt: Drehbuchautor Lars Kraume hat sich von Uwe Timms Roman Morenga (1978, 1985 von Egon Günther fürs westdeutsche Fernsehen Zum Inhalt: adaptiert) inspirieren lassen, inszeniert aber an zahlreichen Originalschauplätze (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) einen eigenen Stoff aus der Perspektive eines deutschen Kolonisten in der Dramaturgie eines Abenteuerfilms: Hoffmann überlebt Gefechte, Angriffe von Tieren, wird in der Wüste vor dem Verdursten gerettet; er entfremdet sich von seinen Landsleuten, fasziniert sich für die Herero – und erbeutet Objekte und Knochen von Verstorbenen. Der Film will eine Debatte über die Verantwortung für deutsche Kolonialgeschichte anstoßen. In seiner Form zeigt er aber mitunter selbst kolonial geprägte Bilder, etwa wenn die Kamera Hoffmanns begehrenden Blick auf die Hererofrau Kunouje, von den Deutschen Kezia genannt, einnimmt. In der bewusst gewählten Perspektive des Films bleiben den Herero (die Nama kommen im Film fast nicht vor) meist nur Kompars/-innenrollen in der Darstellung des durch die Kolonialverbrechen verursachten Leids. Alternative, empowernde Perspektiven aufzuzeigen, wäre im schulischen Kontext zur Begleitung des Films sinnvoll.

Der Film behandelt ein Thema, das auch in jüngerer Vergangenheit im Schulunterricht oftmals als Fußnote des deutschen Imperialismus vermittelt wurde, jedoch sollte heute der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts in jedem Geschichtsunterricht ab der Oberstufe Raum einnehmen. Aus postkolonialer Perspektive ist "Der vermessene Mensch" ein mitunter problematischer Beitrag zur Thematik; in jedem Fall sollten die Schüler/-innen Grundlagenwissen zu deutschen Kolonialverbrechen vor der Sichtung haben und den Film als historische Erzählung kritisch analysieren. Der Figur Hoffmann, in der Zum Inhalt: Exposition durchaus als empathischer Charakter gezeichnet, ihrer Inszenierung und Entwicklung gilt besondere Aufmerksamkeit. Worin besteht der Konflikt der Figur und wie zeichnet der Film visuell ihren Blick auf Kunouje? Für eine vertiefende Auseinandersetzung mit rassistischen Machtverhältnissen sollten zwei aufwühlende Zum Inhalt: Szenen besprochen werden: die Schädel-Vermessung der Herero-Gruppe in Berlin und die Szene im Konzentrationslager auf der Haifischinsel nahe Lüderitz. Zeigt die Zum Inhalt: Inszenierung eine rassismuskritische Form oder reproduziert sie diskriminierende Bilder und Vorstellungen? Der Film berührt hier ethische Fragen der Darstellung von historischer Gewalt, aber auch die aktuelle Debatte um die Rückgabe sterblicher Überreste an die Nachfahren der Opfer.

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