Mit einem Anruf fing alles an: Tal Recanati, Produzentin des Films, erzählte der Filmemacherin Janina Quint, dass die jüdische Gemeinde in Berlin angeblich wachse. Die beiden – Recanati ist jüdische Amerikanerin, Quint eine nicht-jüdische Deutsche – leben in New York und waren von dieser Entwicklung überrascht. Sie beschlossen, die Verhältnisse vor Ort zu untersuchen. Herausgekommen ist mit "Jews & Germans" ein Zum Inhalt: Dokumentarfilm, der "eine neue Perspektive" beleuchten will. Die Basis hierfür bilden Zum Inhalt: Interviewsequenzen mit in Berlin lebenden Juden, nicht-jüdischen Deutschen und Shoah-Überlebenden wie dem 2016 verstorbenen Historiker Fritz Stern. Die Dokumentation gleicht einem Parforceritt durch die jüngere deutsche Geschichte vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis etwa 2015 – der Film kam 2016 in den USA in die Kinos. Es geht um Schuld, um die unterschiedliche Aufarbeitung in den beiden deutschen Staaten, um das ambivalente Verhältnis von Deutschland zu Israel und um ganz persönliche Erinnerungen. Mit dabei sind Prominente wie der Musiker Herbert Grönemeyer oder der Theologe Wolfgang Huber.

"Jews & Germans" betrachtet die Verhältnisse in Deutschland von außen. Dabei stehen überwiegend die persönlichen Wahrnehmungen und subjektiven Empfindungen der Gesprächspartner/-innen im Mittelpunkt. Momentaufnahmen des zeitgenössischen Berliner Lebens stehen neben historischen Fotos der NS-Diktatur. Der Film arbeitet mit Kontrasten: Den Zum Inhalt: Totalen mit ruhigen Aufnahmen des herbstlichen und winterlichen Zum Inhalt: Berlins stehen im Kontrast zu den Nahaufnahmen der Gesprächspartner/-innen. Große Abschnitte sind den Interviewpassagen gewidmet. Ein Zum Inhalt: Kommentar aus dem Zum Inhalt: Off fehlt und wird in gewisser Weise durch eine Diskussionsrunde zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Gästen einer vom Filmteam initiierten Dinerparty ersetzt. Das hohe Tempo und die Informationsdichte lassen kaum Zeit zum Nachdenken und zum Einordnen der oberflächlichen Informationen. Am ehesten wird noch das schwierige Verhältnis der zweiten Generation zu den eigenen Eltern ergründet. Das ist schade, da es durchaus spannende Ansätze gibt: Ist die erstaunlich hohe Zahl von in Deutschland lebenden Israelis wirklich mit einem vitalen jüdischen Leben gleichzusetzen, wie es Chabad-Rabbiner Yehuda Teichtal proklamiert? Oder leben diese zumeist säkularen Israelis nur in Berlin, weil es hip ist, wie der Künstler Arik Hayut vermutet?

Germans & Jews, Trailer (© W-film)

Der Film eignet sich sowohl für den Geschichts- als auch den Religionsunterricht. Allerdings bedarf es einer gründlichen Einführung in die Thematik, da Schüler/-innen andernfalls die Kontextualisierung schwerfallen könnte: Was geschah nach Kriegsende? Wie ging in der Bundesrepublik und der DDR die "Entnazifizierung" vonstatten? Welche Rolle spielten die Kriegsverbrechertribunale, welche die Verurteilung Adolf Eichmanns, und was hat die 68er-Revolution mit dem "Brechen des Schweigens" zu tun? Im Geschichtsunterricht sollte das Spannungsverhältnis zwischen persönlicher Erinnerung und historischen Tatsachen beleuchtet werden. Im Fach Religion wiederum können Konzepte der Erinnerungskultur vorgestellt werden. In beiden Fällen handelt es sich um komplexe Themen, die sich für den Unterricht in der Oberstufe eignen. Fächerübergreifend kann die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre betrachtet werden, die seit den Dreharbeiten vergangen sind: Der NSU-Terror, der Anschlag von Halle und das Erstarken der rechtspopulistischen AfD zeugen von einem Rechtsruck in der Gesellschaft. Wie wirkt sich dies auf die jüdische Gemeinschaft hierzulande aus?

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