Der junge Regisseur Kai Finke kommt 1989 von der Hochschule zu seinem ersten Engagement an das Zum Inhalt: Theater in Anklam, um Samuel Becketts "Warten auf Godot" zu inszenieren. Hoch motiviert versucht er, das dortige Ensemble von einer modernen Bühnenästhetik zu überzeugen. Während einige Schauspieler/-innen bereits im Sommer über die offene ungarische Grenze in die Bundesrepublik geflohen sind, zeichnen sich die Dagebliebenen vor allem durch Desillusionierung und den Mangel, sich auf Neues einzulassen, aus. Nichtsdestotrotz verfasst ein Teil des Ensembles einen offenen Brief an den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Der Intendant zögert jedoch lange, das Schriftstück abzuschicken. Nach der Maueröffnung reist die junge Regieassistentin des Theaters Claudia nach Hamburg, wo sie sich in einen Schauspieler verliebt. Dieser verspricht, das Theater mit Pressekontakten zu unterstützen, was er jedoch nicht einlösen kann.

"Stilles Land" ist das Spielfilmdebüt von Andreas Dresen, der den Mikrokosmos eines Theaters als Allegorie für eine Gesellschaft, der die Utopie abhandengekommen ist, nutzt. Die meisten Zum Inhalt: Szenen spielen in den Räumlichkeiten des Theaters – auf der Bühne, im Intendantenbüro oder in der Kantine. Dabei ergeben sich Parallelen der Zum Inhalt: Mise-en-scène, beispielsweise in der Zum Inhalt: Lichtgestaltung, bei der auffällt, dass es kaum Tageslicht gibt. Alkoholkonsum – und entsprechend viele leere Flaschen im Bild – kennzeichnet die permanente Realitätsflucht der Figuren – während des Planungs- und Probenprozesses der Inszenierung, aber auch nach den Vorstellungen. Kameramann Andreas Höfer findet mit den Außenaufnahmen passende Bilder zum Filmtitel: Die Industriebauten wirken wie Denkmäler einer vergangenen Epoche. Die Einstellungen kommen ohne jegliche Dynamik aus, wirken somit eher wie Filmstills.

Pandora Film / Foto: Thomas Spikermann

Im Deutschunterricht bietet sich der Vergleich von "Stilles Land" mit Samuel Becketts Stück "Warten auf Godot" an, das anhand der beiden Hauptfiguren Wladimir und Estragon ebenfalls gesellschaftlichen Stillstand illustriert. Daran anknüpfend kann in der Auseinandersetzung mit der Rezeptionsgeschichte erörtert werden, warum das Drama lange Zeit in der DDR verboten war und erst ab der Spielzeit 1987/88 aufgeführt werden durfte. Ebenso sollte die Rolle der Kunst, insbesondere des Theaters beleuchtet werden. Theaterinszenierungen reflektierten häufig gesellschaftspolitische Entwicklungen, unterstanden aber wie andere künstlerische und mediale Produktionen in der DDR einer Zensur. Im Geschichtsunterricht kann die Darstellung der Folgen des Mauerfalls in "Stilles Land" untersucht werden. Im Geografie-Unterricht können die Veränderungen der industriellen Infrastruktur und der damit verbundene demografische Wandel im Nordosten der DDR thematisiert werden.

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