Im medialen Diskurs der 1970er-Jahre wurde die politische Figur des "Sympathisanten" erfunden. Aus einem Sympathie empfindenden, mitfühlenden Menschen wurde eine Person, die unter Verdacht stand, für den Terrorismus der Roten Armee Fraktion (RAF) und dessen Folgen mitverantwortlich zu sein. So sahen es die Regierungsparteien, so sah es die Presse, vom Spiegel bis zur Bild-Zeitung. Der Autor und Regisseur Felix Moeller ist von zwei sogenannten Sympathisanten großgezogen worden: den Filmschaffenden Margarethe von Trotta und Volker Schlöndorff. Moellers Spurensuche beginnt deshalb im Elternhaus. Er fragt nach der gesellschaftlichen Atmosphäre der 1970er-Jahre und entwirft mit einer Collage aus Zum Inhalt: Zeitzeugen-Interviews, Nachrichtenbildern, dem Tagebuch seiner Mutter und Film-Ausschnitten ein facettenreiches Bild einer Zeit, in der die Grenze zwischen dem Privaten und dem Politischen ideologisch umkämpft war.

40 Jahre nach dem Zum Inhalt: Episodenfilm "Deutschland im Herbst" (BRD 1978) will sich der Historiker Moeller diesen Herbst neu aneignen. Seine Ausgangsposition ist speziell: Er will wissen, in welcher Weise seine Mutter und sein Stiefvater in die "Sympathisanten"-Szene verstrickt waren. Die sprunghafte Zum Inhalt: Montage liefert ein perspektivreiches Szenario, das die Widersprüchlichkeiten und ideologischen Konfliktlinien jener Jahre ins Heute transportiert. Als strukturierendes Leitmotiv soll die in sechs Zum Inhalt: Kapiteln vorgestellte Selbst- und Fremdzuschreibung der "Sympathisanten"-Figur dienen. Die Haltung des essayistischen Zum Inhalt: Dokumentarfilms ist beobachtend: Moeller lässt "Sympathisanten" ebenso Auskunft geben wie ehemalige Mitglieder der RAF. So setzt der Film umfangreiches Hintergrundwissen über die künstlerische Biografie der renommierten Interviewpartner/-innen, die Taten der RAF und den politischen Film der 1970er-Jahre voraus.

Wenn Sie diesen Drittanbieter-Inhalt von www.youtube.com aktivieren, ermöglichen Sie dem betreffenden Anbieter, Ihre Nutzungsdaten zu erheben. Weitere Informationen zur Nutzung von Drittanbieter-Inhalten erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Externer Link: Datenschutzerklärung anzeigen

Der Filmtitel "Sympathisanten – Unser deutscher Herbst" provoziert die Frage, wer mit diesem "Wir" gemeint ist. Im Politik- und Ethik-Unterricht kann diskutiert werden, wer sich davon angesprochen und wer sich ausgeschlossen fühlt. Wie wurden im gesellschaftlichen Klima der 1970er-Jahre Gruppen-Identitäten hergestellt – und wie funktionieren heute die Mechanismen der Selbst- und Fremdzuschreibung? Die Reaktion auf den gezielt öffentlichkeitswirksamen Terrorismus der RAF lässt sich mit der Reaktion auf die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vergleichen, die von Medien und Behörden jahrelang einem falschen Tätermilieu zugeschrieben wurde. Der voraussetzungsreiche Film kann im Deutschunterricht im Kontext der Werke Bölls, von Trottas oder Schlöndorffs behandelt werden, während in Geschichte und Politik die Entstehung und Entwicklung der RAF vorab thematisiert werden sollten. Im Philosophie-Unterricht lässt sich der Film mit Hannah Arendts "Vita Activa" verknüpfen. Im Kunstunterricht können die Schüler/-innen der Frage nachgehen, warum das Filmplakat mit Warhol’scher Pop-Art-Ästhetik aufwartet.

Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.

Mehr zum Thema