Kategorie: Filmbesprechung
"Die Sprache des Herzens"
Marie Heurtin
Ein taubblindes Mädchen lernt ihre Umwelt kennen
Unterrichtsfächer
Thema
Frankreich 1895: Das taubblinde Mädchen Marie wird von seinen überforderten Eltern in einen Nonnenkonvent gegeben. Dort nimmt sich die Ordensschwester Marguerite, angetrieben von einer Mischung aus Mitgefühl und Neugier, ihrer an. Fortschritte lassen allerdings auf sich warten: Die in ihrer Welt eingeschlossene Marie wehrt sich gegen jede Erziehung mit Händen und Füßen, gebärdet sich in Marguerites Worten „wie ein wildes Tier“. Mit Geduld und Hingabe bringt sie ihr eine Sprache bei, die ähnlich wie das Lorm-Alphabet auf Berührungen basiert. Die schnell wachsende Vertrautheit mit Dingen und Menschen öffnet dem Mädchen eine neue Welt, bringt Licht ins Dunkel einer zarten, lebhaften und lernbegierigen Seele.
In so emphatischen wie komischen Bildern erzählt der Film vom wahren Fall der taubblinden Marie Heurtin, die von 1885 bis 1921 lebte. Helles Sommerlicht und das Rauschen des Windes zeichnen eine jederzeit freundliche Natur, die Marie weder sehen noch hören kann, aber zu fühlen beginnt. In der Kommunikation mit ihr ersetzen Berührungen den Dialog, die taktile Erfassung des Lebens schafft den Kontakt zur Außenwelt und damit auch ein ungewohntes, die Sinne sensibilisierendes Filmbild. Neben den herausragenden darstellerischen Leistungen überzeugt die ruhige Handhabung von Zum Inhalt: Montage und Kamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen), die lediglich Maries wiederkehrende Ausbrüche in energetische, den inneren Tumult eines Menschen illustrierende Zum Inhalt: Szenen überträgt. In einer insgesamt humorvollen Inszenierung erlaubt es sich die klassische Zum Inhalt: Filmmusik sogar hin und wieder, die Geschehnisse akustisch zu akzentuieren.
Was die engagierte Unterstützung taubblinder Menschen bewirken kann, zeigte schon die Geschichte der späteren Schriftstellerin Hellen Keller, im Jahr 1962 verfilmt und mit zwei Oscars prämiert ("Licht im Dunkel" , Regie: Arthur Penn). Mit weniger dramatischen Mitteln schildert auch das französische Pendant die Beziehung von Schülerin und Lehrerin als schwierige, aber lohnende Auseinandersetzung. Dabei werden anhand des Themas Taubblindheit wichtige lernpsychologische, linguistische und logische Fragen (Wie und warum benennen wir Dinge?) so vermittelt, dass sie für Menschen aller Altersgruppen verständlich sind. Religiöse Motive spielen trotz des Schauplatzes eine untergeordnete Rolle. Erst eine unheilbare Krankheit Marguerites im letzten Teil des Films führt zum Nachdenken über den Tod und Gott: Wie kann etwas existieren, das ich nicht fühlen kann? Mit solchen Fragen ist Marie sicher nicht allein.