Kategorie: Hintergrund
Hitler-Darstellungen im Film
Große Diktatoren wie Stalin und Hitler inszenierten sich gerne in der Öffentlichkeit. Dabei berechneten sehr genau wie die Bilder ihr Führerimage prägen sollten.
Riefenstahls Führerbilder
Große Diktatoren wie Stalin und Hitler inszenierten sich gerne in der Öffentlichkeit. Dabei berechneten sehr genau wie die Bilder ihr Führerimage prägen sollten. Vor den Kameras der Regisseurin Leni Riefenstahl spielte Hitler mit Leidenschaft sich selbst. In deren propagandistischen Dokumentarfilmen "Sieg des Glaubens" (1933), "Triumph des Willens" (1934) und "Tag der Freiheit" (1935) erschien er als Erlöser und als Repräsentant der deutschen Nation, vor allem aber als herausragende Person, auf die die Massen ihre Sehnsüchte und Hoffnungen projizierten. Diese Filme prägen das mediale Hitlerbild bis in die Gegenwart. Sie fungieren als visuelle Archive, aus denen sich nahezu jede Dokumentation über den Nationalsozialismus bedient.
Der Medienstar wird zum Mythos
Deshalb wird die historische Figur Adolf Hitler vor allem mit Bildern überliefert, die keine andere Aufgabe hatten, als den Menschen zum Mythos, zur Legende, zur Übergröße eines Helden zu verklären. Sie erfüllen diese Aufgabe auch heute noch. Auch daran ist die Kino-Dokumentation "Hitler – eine Karriere" von Joachim Fest und Christian Herrendoerfer (BR Deutschland 1977) beinahe gescheitert. Der kritische Kommentar kam nämlich kaum gegen die Macht der Riefenstahl-Bilder an. Wenn historische Fakten in mediale Erzählungen eingehen, ist die Gefahr der Mythologisierung groß. Zwar lernen die dem "Dritten Reich" nachfolgenden Generationen Adolf Hitler als Person der Geschichte kennen, viel mehr aber noch als Medienstar im Spielfilm wie in der Dokumentation. Selbst wenn historische Erfahrung und Distanz den Mythos mit einem negativen Anstrich versehen haben, funktioniert er nahezu ungebrochen. Er fasziniert. Zum Beispiel erfüllt er einen Zweck in der Werbung.
Die Aura des Monströsen
Die Titelseite des Nachrichtenmagazins Der Spiegel in Ausgabe 35/04 zeigte ein Porträt des Schauspielers Bruno Ganz in der Maske Adolf Hitlers. Damit wurde aber nicht nur auf Oliver Hirschbiegels damals aktuellen Film (Deutschland 2004) hingewiesen. Ein Magazin wie Der Spiegel kalkuliert sehr genau, welche Motive auf ein Cover kommen. Der Titel muss das Heft verkaufen. Offensichtlich versprach man sich vom Bild Hitlers (sogar oder erst recht als Maske) einen Verkaufserfolg. Der ehemalige Diktator garantiert das Geschäft, weil er längst von einer medial produzierten Aura des Monströsen umgeben ist. Wie ein Ungeheuer hinter Gittern zieht er Publikum an, das bei seinem Anblick erschauern möchte. Die große Aufmerksamkeit der Medien für den Spielfilm "Der Untergang" resultierte auch aus solchen Spekulationen. Und es war die Leistung des Schauspielers Bruno Ganz, dem Monster wieder eine kreatürliche Menschlichkeit zu verleihen, ohne es zu verharmlosen.
Einfühlung oder Verfremdung
Hitler spielen – offensichtlich ist das eine große Herausforderung, die die öffentliche Aufmerksamkeit garantiert. Auch Tobias Morettis Darstellung des Diktators in Heinrich Breloers deutschem Fernsehspiel "Speer und er" (2005) wurde in den Medien hinterfragt: Wie ähnlich ist die Maske? Wie stark wird Hitlers typischer Tonfall imitiert oder karikiert? Wie überzeugend kann sich der Akteur in Hitlers Charakter einfühlen? Doch um Einfühlung kann es in dem Fall wohl nicht gehen. Vielmehr sind schauspielerische Verfremdungstechniken aus den Lehrbüchern Bertolt Brechts gefordert, um dem Phänomen Hitler näher zu rücken.
Die Maske macht’s
Dass allein die pure Maske Hitlers Wirkung erzielt, war schon dramaturgischer Aufhänger von Ernst Lubitsch’ makabrer Filmkomödie Zum Filmarchiv: "Sein oder Nichtsein" (USA 1942). Denn die Maske täuscht sogar die Nationalsozialisten und lässt eine Befreiung gelingen. Auf die Maske reduziert waren auch viele Hitler-Darstellungen in historischen Filmen der Nachkriegszeit. So war der DEFA-Schauspieler Fritz Dietz auf Hitler-Rollen in Filmen aus der DDR und der Sowjetunion spezialisiert. Hier wurde Hitler allerdings nicht gespielt, sondern in historischen Situationen lediglich zum besseren Verständnis skizziert.
Emotionen im Bunker
Eine bestimmte historische Situation scheint besonders dazu angetan, schauspielerisch in den Menschen Hitler hineinzuloten. Bezeichnenderweise ist es eine Situation, der man Tragik zuschreiben kann, Schicksalhaftigkeit, Unentrinnbarkeit. Es ist Hitlers Aufenthalt im so genannten Führerbunker kurz vor seinem Selbstmord und vor der Eroberung Berlins durch die Armee der Sowjetunion. Bereits vor "Der Untergang" haben sich Filme auf diese Situation eingelassen: die österreichische Produktion "Der letzte Akt " von G.W. Pabst (1955), der italienische Spielfilm "Hitler: Die letzten zehn Tage" von Ennio De Concini(1973) und dessen amerikanisches Remake als Fernsehfilm "The Bunker" von George Schaefer (1981). Die drei Hitler-Darsteller Albin Skoda, Alec Guiness und Anthony Hopkins wurden für ihre Leistungen gerühmt. Sie alle, ebenso wie Bruno Ganz, machten Adolf Hitler allerdings endgültig zum "Filmhelden", der wütet und verzweifelt, der Mordbefehle gibt, aber genauso leidet. Damit wird die historische Person zur Identifikationsfigur für das Publikum. Auch negative Helden haben schließlich Emotionen.
Komplexe Assoziationen
Es gibt nur wenige Versuche, dem Dilemma zu entrinnen. Der interessanteste ist Hans-Jürgen Syberbergs umstrittenes Acht-Stunden-Epos "Hitler. Ein Film aus Deutschland " (BR Deutschland 1977). Historische Realität wird dort nicht fiktional imaginiert, sondern ist als eine Art geistesgeschichtliche Bühne des Irrationalismus im Studio aufgebaut. Vor Rückprojektionen (unter anderem Amateuraufnahmen von Aufmärschen der Nationalsozialisten) sprechen Schauspieler/innen erfundene und gefundene Texte aus dem Umfeld des Faschismus und der persönlichen Umgebung Hitlers. Musik- und Gemäldezitate schaffen ein komplexes Assoziationsfeld. Die Figur Hitler selbst ist auf verschiedene Darsteller verteilt, erscheint bald als Marionette, bald als Richard Wagner, ist aber konsequent als Charakter verweigert, der Einfühlung ermöglicht. Das ist eine höchst intellektuelle, manchmal allerdings auch verquaste Annäherung an das historische Phänomen.
Zwischen Entsetzen und Gelächter
Die Alternative dazu ist das Lachen über Hitler, die Dekonstruktion des Mythos im Humor, die Aufhebung des Schreckens in der Groteske, die per Definition zwischen Entsetzen und Gelächter balanciert. Als erster wandte Charlie Chaplin in "Der große Diktator" (USA 1940) konsequent das Lachen gegen Hitler. Der deutsche "Führer" hatte ihm ja die Maske gestohlen. Nun wird durch den Schnurrbart zuerst Hitler identifiziert, dann erinnert man sich an den Tramp. Chaplin kehrte den brutalen Narren aus dem Diktator heraus, verzerrte dessen Sprache zur Kenntlichkeit ihrer absoluten Hohlheit und entlarvte ihn als unreflektiertes Bündel von Reiz-Reaktions-Zusammenhängen. Dort, wo Chaplin Hynkel alias Hitler spielt, ist sein Film grandios, dort, wo er zum letzten Mal in der geschändeten Maske des Tramp auftritt, hält die zarte Humanität den geschichtlichen Realitäten nicht stand.
Die Opfer lassen lachen
Nach Chaplin haben Lubitsch und Mel Brooks ("Frühling für Hitler" ; USA 1968) den Diktator und seine Rolle in der Geschichte im Kino mit Gelächter attackiert. Nun folgt Dani Levy mit über Adolf Hitler (Deutschland 2006). Es sind meistens Angehörige der "Gattung" der Opfer, die über den Täter zu lachen bereit sind. Damit verweigern sie sich der Faszination des Bösen, der so viele erliegen, wenn Adolf Hitler als Medienstar auftritt.