Kategorie: Hintergrund
Der Krieg in der Heimat
Filme über Kriegsheimkehrer und ihre Familien
Das US-Kino problematisiert spätestens seit den späten 1970er-Jahren die Auswirkungen im Ausland geführter Kriege auf Soldatinnen, Soldaten und die Gesellschaft.
Seit Jahrzehnten nehmen Kriegsfilme insbesondere im US-Kino einen wichtigen Platz ein. Direkt nach dem 11. September 2001 hatte Hollywood kaum Produktionen dieses Genres hervorgebracht, erst in neuester Zeit setzt sich eine ganze Reihe neuerer US-Filme mit den sich abzeichnenden Auswirkungen der Kriege im Irak und in Afghanistan auf die amerikanische Gesellschaft auseinander. Oren Movermans Zum Filmarchiv: "The Messenger" (USA 2009) ist nur ein Beispiel dafür. Seit sich die Bundeswehr an den Militäreinsätzen der Nato beteiligt, wird das Thema auch im deutschen Kino aktuell. Mit der Problematisierung der Auswirkungen des Krieges auf Veteranen/innen und Gesellschaft wiederholt sich gewissermaßen ein Phänomen, das im US-Kino bereits in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren zu beobachten war.
Heimkehrer ohne Heimat
Martin Scorsese war einer der Ersten, der in Zum Filmarchiv: "Taxi Driver" (USA 1976) die Schwierigkeiten eines Vietnam-Heimkehrers zeigte, in der Heimat wieder Fuß zu fassen. Im Mittelpunkt des Films steht der Veteran Travis Bickle (Robert De Niro), der als einsamer Taxifahrer mit den Schattenseiten New Yorks konfrontiert wird. Zusehends angeekelt und frustriert, entwickelt er einen Hass auf die Gesellschaft. Im Gegensatz zu dem von Moverman gewählten Zum Inhalt: Dokumentarfilmquasi-dokumentarischen Look zeichnet sich Zum Filmarchiv: "Taxi Driver" durch eine an den Zum Inhalt: Film noir - Welt der AlpträumeFilm Noir angelehnte expressive Bildästhetik aus, die die Grenzen zwischen objektiver Wirklichkeit und der Innensicht des Protagonisten bewusst verwischt. Bickle bewegt sich in einem oft irreal und bedrohlich anmutenden "Großstadtdschungel", der wie ein Spiegelbild seiner eigenen psychischen Befindlichkeit scheint und von der Kritik auch als bewusste Analogie zum Kriegsschauplatz in Vietnam interpretiert wurde. So erfährt das Publikum zwar kaum etwas über die Vietnam-Erfahrungen des Protagonisten, dennoch ist das Trauma in dessen verzerrter Wahrnehmung spürbar. Als sich Bickles Aggression am Ende in einem Blutbad entlädt, wandelt sich New York im wahrsten Sinne des Wortes in ein Schlachtfeld.
Einzelkämpfer im Dschungel
Überhaupt ist Zum Filmarchiv: "The Messenger" mit seinem Verzicht auf eine explizite Darstellung von Gewalt eher eine Ausnahme unter den bekannten Heimkehrerfilmen. So avancierte die Figur des von seiner Heimat entfremdeten, traumatisierten Vietnam-Veteranen in Ted Kotcheffs "Rambo" (USA 1982) sogar zum Action-Helden, der sich einen rücksichtslosen Privatkrieg mit einem reaktionären US-Provinzsheriff liefert. Dabei erweist sich der von Sylvester Stallone verkörperte Titelheld dank seiner Einzelkämpferausbildung als übermächtiger Gegner für die Polizei und die zur Verstärkung herbeigerufene Nationalgarde – auch weil sich die Auseinandersetzung größtenteils in einem dschungelartigen Gelände abspielt, das nicht zufällig an Vietnam erinnert. Trotz seines Spektakelcharakters lässt sich "Rambo" durchaus als kritischer Kommentar zur US-amerikanischen Kriegspolitik interpretieren. Für sein Land "durch die Hölle" gegangen zu sein, um bei der Rückkehr als Verbrecher beschimpft zu werden, das erniedrigende Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden – diese frustrierenden Erfahrungen unzähliger Vietnam-Heimkehrer kommen im Schlussmonolog des Helden sogar explizit zur Sprache. Die Tatsache, dass Rambo von der Armee zur Killermaschine umgeformt und seiner ursprünglichen Identität beraubt wurde, problematisiert der Film freilich nicht.
Heimkehr und Veränderung
Zum Filmarchiv: "Taxi Driver", "Rambo" und auch Zum Filmarchiv: "The Messenger" umkreisen, wie fast alle Heimkehrerfilme, das Problem einer (männlichen) Identität, die von Kriegserlebnis und militärischem Drill geprägt ist und im zivilen Leben in die Krise gerät. Hal Ashbys "Coming Home – Sie kehren heim" (Coming Home, USA 1978) nähert sich diesem Konflikt aus der Perspektive einer Offiziersfrau (Jane Fonda), die in der Heimat Invaliden betreut. Die Konfrontation mit dem körperlichen und seelischen Elend der Heimkehrer führt dazu, dass sie ihre Existenz als Soldatenehefrau hinterfragt. Ihre Emanzipation, die Ashby auch durch Zum Inhalt: FilmmusikPopsongs mit der Protestkultur der späten 1960er-Jahre kontextualisiert, geht einher mit ihrer erwachenden Liebe zu einem Kriegsversehrten, der durch sie neuen Lebensmut gewinnt. Er stellt gewissermaßen den Gegenpol zum im militärischen Denken verharrenden Ehemann dar. "Coming Home" ist ein Melodram, das im Gegensatz zu den erstgenannten Filmen spürbar vom Geist der Antikriegsbewegung durchdrungen ist, zu deren Symbolfiguren Jane Fonda einst zählte. Seine Wirkung allerdings leidet – zumindest aus heutiger Sicht – unter einer klischeehaften Figurenzeichnung und allzu symbolhaften Bildern.
Traumatisierende Kriegserlebnisse
Im Vergleich zu den Heimkehrerfilmen der Post-Vietnam-Ära erscheinen heutige Filme wie Zum Filmarchiv: "The Messenger" deutlich nüchterner oder "realistischer". Das gilt auch für Paul Haggis' (USA 2007). Im Zentrum dieses exzellenten Militärthrillers steht der pensionierte Militärpolizist Hank Deerfield (Tommy Lee Jones), dessen Sohn Mike nach der Rückkehr vom Kriegseinsatz im Irak ermordet aufgefunden wird. Auf der Suche nach den Tätern muss er nicht nur erleben, wie seine idealisierten Bilder von der US-Armee und seinem Sohn zerbrechen, sondern auch erkennen, dass er selbst Mike ins Verderben geschickt hat. Je tiefer er sich mit dem Armeemilieu beschäftigt, desto klarer tritt die persönlichkeitszersetzende Wirkung des Krieges hervor. Die heimgekehrten Soldaten wirken nicht nur apathisch, ihnen ist jeglicher moralischer Kompass abhanden gekommen. Mikes traumatisierendes Kriegserlebnis zeigt Haggis lediglich in den unklaren Bildern einer Handykamera. Dagegen konfrontiert er das Publikum mit dem Anblick seines verkohlten Leichnams. Ein einziges schockierendes Bild genügt, um das Grauen des Krieges zu vermitteln. Doch Haggis' Kritik ist grundsätzlicherer Natur, sie rührt am Ideal des harten soldatischen Mannes. Der Film lässt keinen Zweifel daran, dass auch Hank – wie der von Woody Harrelson gespielte Captain Tony Stone in Zum Filmarchiv: "The Messenger" – ein Opfer seiner militärischen Prägung ist. Eindringlich inszeniert er die Einsamkeit des Veteranen, seine innere Erschütterung durch das Erlebte und seine Unfähigkeit, Gefühle zu äußern oder Schwächen zu zeigen.
Zurück in Deutschland
Ein deutscher Film, der sich vor dem Hintergrund des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan der Rückkehrerproblematik annimmt, ist Brigitte Berteles einfühlsames Spielfilmdebüt "Nacht vor Augen" (2008). Sie erzählt von dem jungen Soldaten David (Hanno Koffler), der als vermeintlicher Held aus Afghanistan in sein Heimatdorf zurückkommt und von einem traumatischen Kriegserlebnis eingeholt wird: Er hatte dort ein unschuldiges Kind getötet. Der Film greift zahlreiche Motive auf, die in vielen der genannten Heimkehrerfilme zu finden sind: posttraumatische Belastungsstörungen des Protagonisten, der von Flashbacks heimgesucht wird, seine Schlaf- und Wortlosigkeit, seine Entfremdung von der Freundin und der Familie, schließlich der Rückzug in die Isolation und der Versuch, die Probleme wie im Krieg durch Gewalt zu "lösen". Was Berteles Film in besonderem Maße auszeichnet, ist – und damit ähnelt er Zum Filmarchiv: "The Messenger" – das sichere Gespür für das Milieu, in dem er sich bewegt und der Zum Inhalt: Dokumentarfilmdokumentarisch geschulte Blick auf ein Land, dessen Bewohner/innen erst noch begreifen müssen, dass der Krieg in ihrer scheinbar so friedlichen Welt angekommen ist.