Im Jahr 1954 wurde das japanische Kriegstrauma übergroß auf der Kinoleinwand sichtbar. In dem prähistorischen Seeungeheuer Godzilla verkörperten sich die Erfahrungen von Hiroshima und Nagasaki. Von Atombombentests erweckt, zerstört das Monster japanische Städte. Es war eine naive Symbolisierung, die Regisseur Ishirô Honda in dem Film "Godzilla" (Gojira, Japan 1954) vornahm. Aber sie gab Erinnerungen, Schrecken und Ängsten aus den Tagen der amerikanischen Atombombenabwürfe das Bild einer unbegreiflichen Zerstörungskraft, anhand dessen man über das sprechen konnte, was sonst von quälendem Schweigen überdeckt war.

Verletzungen, die bleiben

Traumata sind körperliche oder seelische Verletzungen, die von außen auf Menschen einwirken und bei denen bisherige Bewältigungsstrategien versagen. Ob sie nun eine individuelle oder kollektive Erfahrung sind – wenn Traumata zu Langzeitproblemen führen, wurden sie aus verschiedenen Gründen nicht geheilt und kehren mit unterschiedlichen Symptomen zurück. Im Falle seelischer Verletzungen können diese Symptome Ausdruck von Verdrängung oder Dämonisierung des traumatischen Geschehens sein. Verdrängung verhindert letzlich, dass Katastrophen verarbeitet werden. Dämonisierung überführt die traumatischen Auslöser in symbolhaftes Erleben, wie es sich in Albträumen artikuliert. Mit ähnlichen symbolisierenden Techniken arbeiten die Künste – dies macht auch das Beispiel Godzilla deutlich. Das Kino als Kunstform hat sich immer wieder individueller Traumata als Thema angenommen. Als Massenmedium ist es aber auch dazu geeignet, kollektive Traumata "therapeutisch" zu bearbeiten. Im Mainstreamkino bedient es sich dazu vor allem der Technik der Apologetik, der Rechtfertigung, und verleiht der Katastrophe im Nachhinein durch Heroisierung Sinn. Exemplarisch für dieses Verfahren im Genre des Kriegsfilms ist Steven Spielbergs "" (Saving Private Ryan, USA 1998) über die Invasion der Alliierten in der Normandie 1944, in dem die Tapferkeit des Einzelnen jegliche Fragen nach dem Sinn des kriegerischen Einsatzes verdrängt.

Expressionistischer Film der Weimarer Republik

Glaubt man den Thesen, die der Filmtheoretiker Siegfried Kracauer in seinem Buch Von Caligari zu Hitler (1947) aufstellt, so ist der expressionistische Film der Weimarer Republik mit seinen verzerrten Kulissen und der kontrastreichen Lichsetzung weitgehend Ausdruck eines deutschen Traumas, das aus der Niederlage im Ersten Weltkrieg herrührt. Auch zu dieser Zeit wurde mit dem symbolischen Mittel der Dämonisierung gearbeitet, und Monster wie der Jahrmarkthypnotiseur Caligari ("Das Cabinet des Dr. Caligari" , Robert Wiene, Deutschland 1920), der Vampir Nosferatu ("Zum Filmarchiv: "Nosferatu"" , F.W. Murnau, Deutschland 1921) oder der wahnsinnige Kriminelle Dr. Mabuse ("Dr. Mabuse, der Spieler" , Fritz Lang, Deutschland 1922) betraten die Leinwand. Sie verkörperten die mentalen Verwirrungen der deutschen Gesellschaft nach Kapitulation, Revolution und dem Systemwechsel von der Monarchie zur Demokratie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

In der Kinoepoche der 1920er- und 1930er-Jahre war das Kriegstrauma des Individuums kaum ein Thema, obwohl die Erlebnisse in Schützengräben und Gaskrieg bei vielen Soldaten seelische Zerrüttungen hinterlassen hatten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden solche traumatischen Kriegsfolgen vom Kino aufgegriffen. Wolfgang Staudtes "" (Deutschland 1946) handelt von einem Chirurgen, dem die grausamen Kriegserfahrungen die Ausübung seines Berufes unmöglich machen. Wolfgang Liebeneiners "Liebe 47" (Deutschland 1949) beschreibt nach Wolfgang Borcherts berühmtem Kahlschlag-Stück Draußen vor der Tür (1947) das Schicksal des Kriegsheimkehrers Beckmann, der sich nicht mehr in die Gesellschaft integrieren kann. Auch in anderen Ländern ist das Trauma Kinostoff, etwa in Frankreich, wo René Clément 1952 in "Verbotene Spiele" (Jeux interdits) von Kindern erzählt, die den Akt des Tötens in Krieg und Frieden nicht unterscheiden können.

Vietnam und die Folgen

Erst der Vietnamkrieg machte das Kriegstrauma zu einer wirklichen Herausforderung für das Kino. In der Fernseh-Nation USA wurden die Kämpfe in Fernost als Krieg der Bilder erlebt. Deshalb versuchte die Bilderfabrik Hollywood, den Amerikanern die ungewohnten Erfahrungen einer Niederlage sowie die moralische Schuldverstrickung in Kriegsverbrechen sinnfällig zu machen. Die zahlreichen Filme über körperlich und/oder seelisch verletzte Vietnamveteranen waren zunächst individuelle Maskierungen des kollektiven Traumas, das Francis Ford Coppola schließlich in "" (USA 1979) unübertroffen künstlerisch bearbeitet hat. Die Flussfahrt des Stoßtrupps auf der Suche nach dem außer Kontrolle geratenen Colonel Kurtz (dem "Kriegsmonster" par excellence dieser Filmepoche) symbolisiert die zivilisatorischen Verwerfungen der westlichen Führungsmacht in der militärischen Katastrophe.

Verwundet an Körper und Seele

Parallel zu dieser quasitherapeutischen Traumbearbeitung sind zahlreiche cineastische Fallbeschreibungen entstanden. Filme wie "Coming Home" (Hal Ashby, USA 1978) oder (Born on the Forth of July, Oliver Stone, USA 1989) beschreiben Helden im Rollstuhl. Von seelischen Verletzungen handeln "Birdy" (Alan Parker, USA 1984), "Jacob's Ladder – In der Gewalt des Jenseits" (Jacob’s Ladder, Adrian Lyne, USA 1990) und Martin Scorseses Zum Filmarchiv: "Taxi Driver" (USA 1976), der am Beispiel eines schlaflosen Vietnam-Veteranen davon erzählt, wie die Gewalterfahrung des Kriegs in die Gewalttätigkeit des zivilen Alltags umschlägt. Die apologetische oder revisionistische Umwertung durch Heroisierung und nachträgliche Sinngebung leistet das Mainstreamkino für den Vietnamkrieg mit dem zweiten bis letzten Teil der "Rambo" -Serie (USA, 1985 – 2008) um den Schauspieler Sylvester Stallone.

Das Fall Israel

Israel und viele Israelis wurden von der Geschichte mit besonders schweren traumatischen Gewichten beladen. Die unfassbaren Erfahrungen des Holocaust wirken sich nicht nur auf die unmittelbar Betroffenen, sondern auch noch auf die nachfolgenden Generationen aus. Es ist vor allem der dokumentarische Film "Wegen dieses Krieges" von Orna Ben-Dor Niv (B'Glal Hamilhamah Hahi, Israel 1988), der den Folgen der Verletzungen und Verdrängungen der Holocaust-Opfer für deren Kinder nachspürt. Inzwischen ist der jüdische Staat selbst in Kriege verwickelt und seine Soldaten haben traumatische Erfahrungen gemacht, die vom israelischen Film immer wieder aufgegriffen werden, etwa in Joseph Cedars "Beaufort" (Israel 2007) über den Truppenabzug der israelischen Armee aus dem Libanon. In besonders eindrücklicher Weise, nämlich durch Animation verfremdet, macht sich Ari Folman in Zum Filmarchiv: "Waltz with Bashir" auf die Suche nach seinen verdrängten Erlebnissen aus dem Libanonkrieg 1982, die sich, dämonisiert, in Albträumen niedergeschlagen haben.

Die Kriege gehen weiter

Das Kino hat viel zu tun, um von Traumata zu berichten oder damit umzugehen. Und es agiert dabei auf allen Ebenen seines Potenzials. Mit stillen, intensiven Geschichten, wie sie Jasmila Žbanić in (Grbavica, Österreich, Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Kroatien 2005) von der Nachkriegszeit in Sarajevo erzählt. Mit fragwürdiger Symbolisierung, wie sie Francesco Lucente in "Badland" (USA, Deutschland 2007) leistet, manchmal auch mit sentimentaler Heroisierung der Irak-Veteranen wie in Irwin Winklers "Home of the Brave" (USA 2006). Oder mit einem diskreten dokumentarischen Porträt, wie es Peter Lilienthal in "Camilo – Der lange Weg zum Ungehorsam" (Deutschland 2007) zum gleichen Thema gelingt. Körper werden in Kriegen verstümmelt, Seelen verwirrt und verletzt. Das Kino verhindert, dass solche Fakten der Weltpolitik ins Vergessen versinken.