Kategorie: Interview
"Allgemein stellen Kinder weniger Fragen zur Gestaltung"
Der Animator Elie Chapuis erzählt von seiner Arbeit für den Film "Mein Leben als Zucchini" und erklärt, wie die Puppen entstanden sind.
Der 1980 im schweizerischen Lausanne geborene Elie Chapuis arbeitet seit 13 Jahren als Animator für Zum Inhalt: Stop-Motion-Filme mit Puppen. Zu seinem Portfolio zählen neben Zum Filmarchiv: "Mein Leben als Zucchini" unter anderem Zum Filmarchiv: "Der fantastische Mr. Fox" (USA 2009) von Wes Anderson und sein eigener Kurzfilm "Imposteur" (CH, F 2014). Aktuell arbeitet Chapuis als Chef-Animator an einem Kurzfilm, der von Claude Barras, dem Regisseur von "Mein Leben als Zucchini" , produziert wird.
Bei "Mein Leben als Zucchini" springt sofort das "schräge" Aussehen der Puppen ins Auge. War dies in der Zum Inhalt: Buchvorlage von Gilles Paris bereits so angelegt?
Im Buch gibt es kaum Informationen zum Äußeren der Charaktere. Nur die ethnische Herkunft mancher Figuren ist klar, etwa bei Beatrice, deren Wurzeln in Afrika liegen. Das visuelle Erscheinungsbild der Puppen hat Regisseur Claude Barras sehr schnell entworfen, als er sich für eine Verfilmung entschieden hat. Die Figuren hatten schon in seinen ersten Skizzen übergroße Köpfe und Augen, was dem expressiven Stil seiner früheren Stop-Motion-Kurzfilme entspricht. Als das Team versammelt war, wurde das Design mit neuen Vorschlägen präziser ausgestaltet.
Wie läuft die Entwicklung einer Puppe ab, welche Figur wurde zuerst gestaltet?
Wir haben 2008 einen Prototypen von Zucchini gebaut und damit einen ersten ganz kurzen Film für die Suche nach Geldgebern gedreht. Eine Herausforderung war es, den Figuren mit ihren kleinen Körpern das nötige Gleichgewicht zu verleihen. Dafür steckt in den Puppen ein Skelett aus Eisen, Kupfer und verschiedenen Metallen. Der erste Entwurf zu Zucchini wurde aus Knete geformt, quasi als dreidimensionale Skizze. Das ist üblich, um eine erste Idee von der Wirkung einer Figur zu bekommen.
Findet die Zum Inhalt: Farbauswahl ebenfalls in dieser Phase statt?
Ja, die Farbpalette kam mit den ersten Prototypen dazu. Sehr früh ist die Entscheidung gefallen, Zucchini blaue Haare zu geben. So sollte er trotz seiner Schüchternheit sofort als Held der Geschichte auffallen. Außerdem spielt der Himmel im Buch eine viel größere Rolle als wir im Film zeigen konnten. Deswegen empfand Claude Barras die blaue Haarfarbe als schöne Anspielung auf den Himmel.
Haben Sie Feedback von Kindern auf die Figuren bekommen?
Ich war bei vielen Schulvorstellungen dabei und habe einige Reaktionen bekommen. Allgemein stellen Kinder weniger Fragen zur Gestaltung, sondern akzeptieren die Sachen, wie sie sind. Weil sie ungefähr im Alter der Figuren sind, fühlen sie direkter mit den Charakteren mit. Häufig kam die Frage nach den Narben von Simon und Alice auf. Die Kinder wollten genau wissen, was passiert ist. Und die Frage nach Zucchinis blauen Haaren wurde oft gestellt.
Warum haben Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen insgesamt 54 Puppen gebaut, obwohl viel weniger Charaktere auftreten?
Das hat ganz praktische Gründe. Die Regieassistentin Marianne Chazelas erstellte einen Drehplan, laut dem mehrere Szenen gleichzeitig gefilmt wurden. Wir brauchten manche Figuren also in doppelter oder dreifacher Ausführung. Von Zucchini gab es sogar zehn Puppen, von der bösen Tante hingegen nur eine, weil sie kaum Auftritte hat. Mitten im Dreh wurde klar, dass wir mit der Zeit nicht hinkommen. Also erhöhten wir die Dreheinheiten von neun auf 15 und mussten in aller Eile zusätzliche Puppen bauen.
Als Faustregel gilt, dass ein Stop-Motion-Animator etwa drei Sekunden Film pro Tag erstellt.
Das kommt ungefähr hin. Bei "Mein Leben als Zucchini" sollten die Animatoren allerdings jeweils 4,5 Sekunden täglich animieren. An manchen Tagen funktioniert das, an anderen nicht, wenn zum Beispiel viel an der Zum Inhalt: Beleuchtung verändert wird. Neun Animatoren konnten also im besten Fall um die 40 Sekunden Film pro Tag schaffen. Das ist ein kleinteiliger Prozess, doch für einen Stop-Motion-Film ziemlich flott. Die Animatoren und Animatorinnen der Aardman Studios, die zum Beispiel Zum Filmarchiv: "Shaun das Schaf" gemacht haben, filmen nur 1 bis 1,5 Sekunden täglich. Sie arbeiten mit Knetfiguren, die die Animatoren bei jeder Bewegung leicht verformen.
Es ist bestimmt sehr ärgerlich, wenn beim Animieren was schief läuft.
Allerdings. Die Puppen werden ja mit der Hand bewegt, jedes Bild muss ans vorherige anschließen. Wenn ein Problem auftaucht, muss man wieder von vorn anfangen. Deswegen planen wir den Verlauf einer Zum Inhalt: Sequenz im Vorfeld sehr genau. Zu jeder Szene gibt es Proben, bei denen sich der Animator einen Ablauf überlegt und einen passenden Rhythmus sucht. Bei den Proben basteln wir aus Fotos eine erste kleine Animation, die dem Regisseur einen groben Eindruck der Szene vermittelt.
Was wurde nachträglich am Computer bearbeitet?
Generell ist es bei einem Puppentrickfilm immer notwendig, das Bild zu stabilisieren. Die Kulissen bestehen aus Holz, das über Nacht "arbeitet", wenn die Temperatur oder Luftfeuchtigkeit schwankt. Die Schwankungen fallen auch auf, wenn sie nur einen halben Millimeter betragen. Das wird digital korrigiert. Die Fenster wurden alle mit Zum Inhalt: Green-Screen-Verfahren gefilmt und die Aussichten nachträglich eingesetzt. Außerdem ist der Regen animiert, weil die Szene mit echtem Wasser nicht umsetzbar war. Davon abgesehen wurden nur die Arbeitswerkzeuge der Animatoren aus dem Bild entfernt.
Welche Werkzeuge zum Beispiel?
Wenn eine Figur beispielsweise springt, gibt es diesen Moment, an dem ihre Füße nicht mehr den Boden berühren. Um sie trotzdem in der Luft zu halten, benutzen wir ein Metallgestell, das hinterher gelöscht wird.
Ich kann mir vorstellen, dass der Film Kinder zu eigenen Stop-Motion-Experimenten anregt. Haben Sie ein paar Tipps für Anfänger?
Ich animiere schon seit 2003 und lerne bei jedem Dreh Neues dazu. Es gibt viele kleine Tricks und Hilfsmittel. Am wichtigsten ist aber, das Animieren selbst auszuprobieren. Die ersten Versuche gehen schief, doch wenn man einfach weiter macht, kommen bessere Ergebnisse raus. Man sollte auch gut beobachten können, sich die Bewegungen von Menschen genau anschauen. Letztlich ist es eine Mischung aus Erfahrung und Geduld, denn der Prozess kann sehr lang dauern. Manchmal vergesse ich beim Animieren komplett die Realität.