Mahi Klosterhalfen ist Geschäftsführer und Präsident der in Berlin ansässigen Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt. Die Tierrechtsorganisation engagiert sich für die Abschaffung der Massentierhaltung und für die Verbreitung einer veganen Lebensweise und hat unter anderem erfolgreich für das Verbot herkömmlicher Legebatterien in der Eierindustrie und für verbesserte Lebensbedingungen von Legehennenküken gekämpft.

Hier finden Sie das Gespräch auch in schriftlicher Form. Der Text weicht von der Hörfassung leicht ab:

kinofenster.de: Der Zum Inhalt: Dokumentarfilm Zum Filmarchiv: "Gunda" begleitet ein Schwein, das auf dem freien Gelände eines Bauernhofs unbelastet seine Ferkel aufziehen kann. Ausgehend von diesen Impressionen spreche ich mit Mahi Klosterhalfen von der Albert Schweitzer Stiftung über Lebensbedingungen und Rechte sogenannter Nutztiere, die meist ein qualvolles Dasein in Mastanlagen fristen. Mein Name ist Kirsten Liese. Welche Rechte haben Tiere? Wo sind diese Rechte festgeschrieben? Und wieso sollten auch Tiere Rechte haben, Herr Klosterhalfen?

Mahi Klosterhalfen: Tiere haben gewisse Rechte über das Tierschutzgesetz. Da steht gleich in Paragraf 1: "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen." Da könnte man jetzt aufhören und sagen, dann ist ja alles gelöst. Dann darf es auch keine Massentierhaltung geben und vielleicht darf sowieso kein Tier mehr getötet werden, nur weil wir es essen wollen. Leider wird das Tierschutzgesetz dann in den späteren Paragrafen immer schlechter und dann wird alles Mögliche erlaubt, also auch die Bedingungen, die man aus dem Fernsehen kennt, was Massentierhaltung angeht. Die Rechte aus juristischer Sicht sind leider extrem schwach. Man darf bis zu 26 Hühner auf einem Quadratmeter zusammenquetschen, zum Beispiel. Das ist erlaubt. Und man darf Schweinen ohne Betäubung die Ringelschwänze abkneifen. Eigentlich müssten die Rechte von dem Tier viel weitergehen. Wenn man sich das philosophisch anschaut, dann müssen wir einfach sagen: Ein Tier hat genauso Gefühle wie ein Mensch. Warum schränken wir die Rechte eigentlich so massiv ein? Oder warum geben wir ihnen nicht mehr Rechte? Ich glaube, das ist ein Riesenproblem, das wir haben und das in der Gesellschaft viel diskutiert wird.

kinofenster.de: Sie haben es eben angesprochen: Tiere haben auch Gefühle. Welche Erkenntnisse gibt es denn dazu? Auch zum Beispiel zur Schmerzempfindlichkeit von Tieren?

Mahi Klosterhalfen: Da gibt es eine Menge Erkenntnisse. Die klassischen Gefühle wie Schmerzen und Leiden, die stehen schon im Tierschutzgesetz. Darüber diskutiert auch niemand. Was wir zunehmend sehen und was auch wissenschaftlich immer mehr bestärkt wird, ist, dass zudem viel komplexere Emotionen vorherrschen. Bei einigen Tieren wurde so etwas wie ein Gerechtigkeitsgefühl festgestellt oder einfach Freude, Spaß und Spaß am Spielen. Das kann man auch sehen, wenn man Tiere beobachtet. Es gibt sogar Wissenschaftler, die sagen, es gibt keine menschlichen Emotionen, die nicht zumindest auch im Ansatz bei Tieren wieder auffindbar sind. Wir haben es da mit sehr komplexen Wesen zu tun.

kinofenster.de: Was gibt uns Menschen das Recht, Tiere als Nutztiere zu züchten, zu halten, zu töten und zu essen?

Mahi Klosterhalfen: Da muss man klar sagen, das ist das Recht des Stärkeren. Wir nehmen uns das Recht einfach, machen dazu Gesetze und sagen, die Tiere sollen zumindest nicht extrem leiden dabei. Letztendlich finden wir es aber okay, Tiere zu töten. Das könnte man auch völlig anders sehen. Jetzt wird manchmal gesagt: Naja, in der Natur töten Tiere doch auch Tiere, um etwas zum Essen zu haben. Dem würde ich entgegenhalten, dass Tiere aber nicht so stark ihr Handeln ethisch und moralisch reflektieren können und meist auch gar keine anderen Optionen haben, während wir Menschen uns aussuchen können, ob wir Pflanzen oder Tiere essen – und Pflanzen zu essen, das ist sehr gesund. Insofern nehmen wir uns das einfach heraus. Das muss man so klar sagen.

kinofenster.de: Wenn wir das Zusammenleben von Mensch und Tier im Visier haben, dann gibt es durchaus auch visionäre Vorstellungen von einer anderen Haltung, wie Menschen und Tiere miteinander kommunizieren könnten als dass die einen, wie Sie richtig sagen, die Stärkeren, sich einfach das Recht herausnehmen die anderen zu essen. Der bildende Künstler Hartmut Kiewert hat zum Beispiel Bilder gemalt, auf denen er eine Welt zeigt, in der Menschen und Tiere gleichberechtigt nebeneinander existieren. Es gab auch schon Artikel, die von juristischen Voraussetzungen ausgehen, bei denen Tiere die gleichen Rechte bekommen sollen wie Menschen. Wie utopisch oder wie realistisch ist es, dass die Welt einmal eine solche werden könnte?

Mahi Klosterhalfen: Absolut gleiche Rechte, finde ich, machen keinen Sinn. Ein Schwein wird nicht wählen gehen wollen, zum Beispiel. Wir müssen immer schauen, was sind die Bedürfnisse und was macht dann auch tatsächlich Sinn. Ich glaube ein Recht auf Leben und Unversehrtheit – daran hat jedes Tier ein Interesse und da könnten wir entscheiden, dies den Tieren auch zuzugestehen und sie einfach nicht mehr zu töten oder zu mästen oder ihnen die Milch wegzunehmen anstatt sie den Kälbern zu geben.

kinofenster.de: Jetzt kommen wir noch einmal zu einer anderen Frage, hinsichtlich des Films "Gunda" . Das ist ein Film, in dem ein Schwein ein Protagonist ist und Menschen so gut wie gar nicht vorkommen. Es gibt häufig Filme, in denen Tiere mitspielen. Werden dabei ihre Rechte eingehalten?

Mahi Klosterhalfen: Da ist die Bilanz leider nicht sehr gut. Gerade im Zum Inhalt: Spielfilm, Action-Film, Zum Inhalt: Western usw. passiert es sehr oft, dass Tiere für den Film leiden müssen oder tatsächlich für den Film umgebracht werden. Bei Hollywood-Filmen heißt es oft im Zum Inhalt: Abspann: "Für diesen Film musste kein Tier leiden oder sterben". Mir haben Kollegen in den USA allerdings erzählt, dass dies ein Slogan ist, den man sich von einer Organisation kaufen kann. Da wird nicht nachgeschaut, nach allem, was ich dazu zumindest gehört habe. Insofern ist das auch kritisch zu sehen.

kinofenster.de: Kann ein Film, der dezidiert sensibilisieren möchte für ein Schwein wie Gunda, helfen, das Verständnis für Tiere zu stärken? Bewirken derartige Filme etwas?

Mahi Klosterhalfen: Ja, das ist mein Eindruck. Wir hören oft von Menschen, die sagen: "Ich habe das mal gesehen wie so ein Tier eigentlich leben will und würde und habe das dann abgeglichen damit, woher mein Fleisch herkommt und habe deswegen aufgehört, Fleisch zu essen." Viele hinterfragen dann auch, was in der Bio-Haltung passiert. Die hat einen sehr guten Anschein. Man denkt erst einmal, Bio wäre ganz toll im Tierschutz. Das ist leider meistens nicht der Fall. Auch das hinterfragen immer mehr Menschen. Es kommt dann aber sehr auf die Doku an, finde ich. Es gibt Dokus, die haben den Blickwinkel des Menschen. Wir zeigen mal, wie toll wir hier Tiere verwerten und zu Wurst verarbeiten. Und es gibt den Blickwinkel rein auf das Tier und wenn man zeigt, wie so ein Tier gerne leben möchte und auch, welche Bedürfnisse es hat und vielleicht auch welchen Spaß es haben kann, wenn man es dem Tier überlässt, sich frei zu bewegen und so weiter – dann denke ich schon, dass das sehr hilfreich sein kann.

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