Wichtiger Hinweis:

Bildungsrelevant, weil "Rosenthal "die Verdrängung der NS-Verbrechen in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft anhand einer prominenten Biografie eindringlich vor Augen führt.

Die Geschichte: Ein Holocaust-Überlebender als TV-Entertainer

Westdeutschland, Ende der 1970er. Wenn das ZDF einmal im Monat donnerstagabends "Dalli Dalli" mit Hans Rosenthal ausstrahlt, wärmen sich Millionen am TV-Lagerfeuer. Denn das Versprechen, 90 Minuten lang den Alltag vergessen zu lassen, erfüllt der beliebte Quizmaster stets mit Herzblut und Akribie. Nichts in seiner heiteren "Show für Schnelldenker" deutet auf das Trauma hin, das den immer freundlich und bescheiden auftretenden Berliner insgeheim quält: Dass er als Jude im Holocaust den Bruder verloren und selbst nur unter ständiger Todesangst im Versteck überlebt hat, weiß allein seine Frau. Die Menschen wollen es auch gar nicht wissen, ist Rosenthal überzeugt. Bestätigt sieht er sich, als die 75. Auflage von "Dalli Dalli" auf den 40. Jahrestag der Novemberpogrome fällt: Seine Bitte, die Show zu verschieben, schlagen die Senderchefs mit kalter Ignoranz aus. Rosenthal nimmt auch das hin. Doch dann erfährt er, dass am 9. November 1978 Helmut Schmidt als erster Bundeskanzler mit einer live im Fernsehen übertragenen Rede an die Pogrome erinnern wird. Und als die jüdische Gemeinde den populären Entertainer drängt, an der Gedenkfeier teilzunehmen, gerät Rosenthal zusehends in einen inneren Konflikt.

Filmische Umsetzung: Die Gegenwart der Vergangenheit


Mit der bemerkenswert senderkritischen ZDF-Produktion "Rosenthal "gelingt es Zum Inhalt: Regisseur Oliver Haffner und Zum Inhalt: Drehbuchautor Gernot Krää, westdeutsche Zeit- und Mediengeschichte auf unterhaltsame, gleichwohl anspruchsvolle Weise lebendig zu machen. Ihr Film über Hans Rosenthal (1925-1987) verdichtet seine Biografie auf das Jahr 1978. Historisches Bildmaterial nutzen sie dabei dosiert, aber effektiv: Ausschnitte aus "Dalli Dalli"-Shows rahmen den Film ein. Die bruchlos Zum Inhalt: inszenierten Übergänge zur Spielhandlung betonen die Authentizität, wozu neben der Zum Inhalt: Ausstattung vor allem die exzellente Anverwandlung von Rosenthal-Darsteller Florian Lukas entscheidend beiträgt. Einen Gegenpol zur aus heutiger Sicht kurios wirkenden fröhlich-bunten Studioszenerie bilden Rosenthals in gedeckten Zum Inhalt: Farben und mit reduziertem Zum Inhalt: Licht gefilmte Erinnerungen an die NS-Zeit. Indem die Gegenwartsebene im weiteren Verlauf zunehmend die Farbigkeit und Beleuchtung der Zum Inhalt: Rückblenden übernimmt, visualisiert der Film, wie schmerzlich die Vergangenheit in Rosenthal innerlich fortlebt.

Thema: Ein Land will vergessen

"Rosenthal", Biopic und Sittenbild zugleich, blickt zurück auf eine Zeit, als die Verbrechen der Nationalsozialist/-innen in der Bundesrepublik noch kaum öffentlich thematisiert wurden. Am Beispiel des Showmasters, damals einer der wenigen jüdischen Prominenten in Westdeutschland, zeigt der TV-Film, welche Überwindung es Holocaustüberlebenden abforderte, angesichts der vorherrschenden Verdrängung im Land der Täter/-innen ihre traumatischen Erfahrungen mitzuteilen – und welches individuelle Leid mit dem Schweigen einherging. "Rosenthal "führt so auch eindringlich die Notwendigkeit einer lebendigen Erinnerungskultur vor Augen.

Fragen für ein Filmgespräch

  • Als gefeierter Entertainer ist Hans Rosenthal in der Bundesrepublik eine populäre Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und für den Sender ein wichtiger Quotengarant. Wo könnt ihr im Film dennoch antisemitische Vorbehalte gegen ihn erkennen?

  • "Rosenthal "thematisiert auch den Konflikt zwischen der Kriegsgeneration und der Generation ihrer Kinder. Wie unterscheiden sich diese beiden Altersgruppen im Film in ihrer Auseinandersetzung mit der NS-Zeit – und wie im Umgang zwischen den Geschlechtern?

  • Ein Schlüsselmoment im Film bildet die TV-Übertragung der Gedenkrede Helmut Schmidts zum 40. Jahrestag der Novemberpogrome. Warum ist der Auftritt des damaligen Bundeskanzlers für Hans Rosenthal so bedeutend?

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