Eyad lebt zwischen zwei Welten: Er ist Araber, aber auch Israeli. Damit gehört er einer Minderheit an, die 20 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmacht, deren Mitglieder aber wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden. Zu Hause spricht er Arabisch, in der Schule Hebräisch, die Eltern sind Muslime, seine Freunde Juden. Wer er selbst ist, muss Eyad wie jeder Heranwachsende erst noch herausfinden. Dieser Prozess findet für ihn sowohl auf persönlicher als auch auf politischer und kultureller Ebene statt.

Fremd im eigenen Land

Der junge Eyad ist die Hauptfigur in Eran Riklis’ "Mein Herz tanzt" , der auf dem semibiografischen Roman "Tanzende Araber" des arabisch-israelischen Schriftstellers Sayed Kashua basiert. Der israelische Regisseur Riklis beschreibt in seinem Film, was es bedeutet, sich im eigenen Land als Fremder zu fühlen. Indem er die komplexe Realität am Beispiel eines ungewöhnlichen Einzelschicksals dramatisiert, zeigt er, wie die verfahrene politische Situation in Israel tagtäglich das Leben der Menschen beeinflusst.

Mein Herz tanzt, Szene (© NFP)

Ein Leben in Würde

Die Handlung beginnt im Jahr 1982, zu Beginn des Libanonkriegs. Über den Dächern des nordisraelischen Städtchens Tira fliegen die Kampfjets, während Eyads marxistischer Vater auf einer Demonstration verhaftet wird. Dennoch wächst der Junge relativ unbeschwert in einer modernen arabischen Familie auf. Wegen seiner Intelligenz gilt er als "etwas Besonderes", darum reagiert seine Familie voller Stolz, als Eyad einen Platz an einem Elite-Internat in Jerusalem erhält. Er soll dort als einziger arabischer Schüler das fortführen, was sein Vater einst begonnen hatte: ein Studium, eine Karriere, "ein Leben in Würde". Denn Eyads Vater wurde als politisch aktiver Student inhaftiert – der Traum vom besseren Leben endete für ihn als Pflücker und Tagelöhner.

Die Freundschaft zählt

Im Internat merkt Eyad schnell, dass er nicht dazugehört: Schon sein Name, den niemand richtig ausspricht, verrät seine Herkunft. Seine Kleidung ist nicht modern, sein Hebräisch holperig, und er ist nicht mit den Gepflogenheiten seiner jüdischen Mitschüler/innen vertraut. Er fühlt sich isoliert, bis er seine quirlige Klassenkameradin Naomi kennenlernt und sich beide ineinander verlieben. Eyads andere Bezugsperson wird der gleichaltrige Yonatan, der an einer Muskelschwunderkrankung leidet. Beide Jungen fallen aus der Norm: Der eine sitzt im Rollstuhl, der andere ist Araber. Der musikbegeisterte Yonatan, im Herzen ein Punk, konfrontiert Eyad durch gezielte Sticheleien mit gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber Arabern. Aber bald weiß Eyad zurückzuschlagen: hier das "Araberschwein", dort "der geizige Jude". Die Jungen greifen gängige Stigmatisierungen auf und entkräften sie damit gleichsam – denn was zählt, ist ihre Freundschaft, nicht ihre Herkunft. In Yonatan und dessen Mutter Edna, die für Eyad bald zu einer Art Ersatzfamilie werden, findet Eyad fern der Heimat einen Halt, den er bisher nur von seiner Familie kannte. Sie sehen in ihm einen liebenswerten Menschen und nicht "den Araber" – im Gegenteil zu Naomi, die ihn zwar liebt, ihre Gefühle für Eyad aber lange vor den Mitschülern/innen und ihrer eigenen Familie verheimlicht.

Mein Herz tanzt, Szene (© NFP)

Immer ein Außenseiter

Riklis führt sein Publikum vorsichtig durch Eyads Zum Inhalt: Coming-of-Age-Geschichte, mit einem zunächst humorvollen, später auch zunehmend melancholischen Grundton. Fast nebenbei erzählt er dabei von der sozialen Ungleichbehandlung, die Eyad als arabischer Israeli erlebt und die seine Bemühungen, sich in die israelische Gesellschaft zu integrieren, erschweren. In der Schule muss er sich mit der Literatur jüdischer Autoren/innen beschäftigen, die Landesgeschichte wird ausschließlich aus jüdischer Sicht gelehrt. Schüler einer Nachbarschule stimmen in seiner Gegenwart ein Schmählied gegen Muslime an, ein beiläufiger Satz auf Arabisch führt zu einer Ausweiskontrolle, im Radio hört man von Ausgangssperren für Palästinenser und als Araber findet er nur einen schlecht bezahlten Küchenjob.

Zwischen zwei Welten

Ob Eyad seinen gleichberechtigten Platz in der israelischen Gesellschaft finden kann, wird für ihn zunehmend zu einer Frage der Identität und kulturellen Zugehörigkeit. Seine Alltagserfahrungen führen schließlich zu der schwierigen Entscheidung, immer öfter Yonatans Ausweis zu benutzen, um die Vorteile eines jüdischen Staatsbürgers zu nutzen – eine Entscheidung, die Yonatans Mutter nach einem kurzen Schock unterstützt. Den politischen Konflikt zwischen Israel und Palästina klammert "Mein Herz tanzt" hingegen weitgehend aus (die erste Intifada im Jahr 1987 etwa bleibt unerwähnt). Stattdessen konzentriert sich Riklis auf die Folgen des politischen Konflikts für den Einzelnen und entlässt den Zuschauenden nachdenklich aus dem Film, wenn Eyad am Ende seine arabische Identität buchstäblich zu Grabe trägt.

Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.

Unterrichtsmaterial