Pine Ridge, eines der größten Reservate der US-amerikanischen Ureinwohner/-innen, ist eine schwierige Heimat. Johnnys Bruder sitzt im Gefängnis, die Mutter ist Alkoholikerin. Mit dem im Reservat verbotenen Verkauf von eigens abgefülltem Schnaps will sich der Teenager seinen Traum erfüllen, nach der High School von hier fortzukommen. Der Tod seines Vaters, den er kaum kannte, bestärkt den Lakota-Jungen in seinem Entschluss. Er plant seiner Freundin nach Los Angeles zu folgen, die dort das College besuchen will – er selbst will sich in der Metropole auf sein Glück verlassen. Doch im tiefsten Inneren kann sich Johnny kaum losreißen. Könnte er in der Großstadt wilde Pferde zureiten wie hier, wo nahezu alle männlichen Jugendlichen eine Karriere beim Rodeo anstreben? Und dann ist da noch seine kleine Schwester Jashaun, deren spirituelle Verbindung zu Landschaft, Menschen und Bräuchen des Reservats nur noch übertroffen wird von der Zuneigung zu ihrem Bruder. Für sie wäre die Verwirklichung seines American dream ein schmerzlicher Verlust.

Bereits in ihrem Debütfilm, gedreht mit kleinem Budget, vertraut die chinesische Regisseurin und Zum Inhalt: Drehbuchautorin Chloé Zhao – wie später auch in Zum Filmarchiv: "The Rider" (2017) – auf die Kraft einer poetischen Bildsprache. Zum Inhalt: Ruhige, atmosphärische Aufnahmen zeigen das Leben im Zum Inhalt: Reservat, die karge Schönheit der Landschaft, aber auch Armut, Kriminalität und Alkoholismus, mit denen die Menschen in Pine Ridge zu kämpfen haben. Der Zum Inhalt: dokumentarisch wirkende Stil verdankt sich nicht zuletzt der Arbeit mit Laienschauspielern/-innen, deren Leben und Persönlichkeiten oft direkt ins Drehbuch einflossen. Dazu zählt etwa der aus der Haft entlassene, mit Tattoos bedeckte Künstler Travis, der sich als Designer von Gangster-Style-Klamotten ("Rez Life") profilieren möchte. Er wird zu einer wichtigen Bezugsperson für Jashaun, ohne ihr Orientierung bieten zu können. Ihre verlorenen Streifzüge durch die geliebte Landschaft gleichen denen des Bruders, der noch einmal Eindrücke sammeln möchte, bevor etwas zu Ende geht. Selbst in Momenten der Trennung sind die Geschwister unlösbar miteinander verbunden.

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Die Geschichte der First Nations ist hier jederzeit präsent. Bittere Armut, soziale Isolation und schwierige Familienstrukturen – Johnnys und Jashauns Vater hatte 27 Kinder von neun Frauen – sind eine direkte Folge jahrhundertelanger Diskriminierung der indigenen Urbevölkerung. Im Geschichts- und Politikunterricht kann nachvollzogen werden, wie die prekären Lebensumstände, aber auch das Ringen um kulturelle Identität im Film dargestellt werden. Daneben lässt sich die semidokumentarische Machart des Films diskutieren. Die 1982 in Peking geborene Chloé Zhao verbrachte nach ihrem Filmstudium in New York mehrere Jahre im Reservat, um das Vertrauen der Community zu gewinnen. Sich selbst darin als Außenstehende betrachtend, sieht sie ihre Methode darin, diese dennoch „von innen“ zu zeigen. Hier kann sich eine detaillierte Filmanalyse anschließen, die diese Innenperspektive zu identifizieren sucht. Aus dem ungewöhnlichen Lebenslauf der Filmemacherin mag sich auch die universelle Wirkung ihrer Filme erklären, die bei aller ortsgebundenen Authentizität überall verständliche Gefühle wie Heimat, Familie und Identität ansprechen.

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