Hamburg im Hier und Jetzt des Jahres 1973: Nichts hat Bestand im unsteten Leben des 18-jährigen Willi. Der Junge treibt sich auf den Straßen von St. Pauli und im Hafenviertel (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) herum, schlägt sich mit Gaunereien und Schnorren durch. Das Jugendamt und die Polizei sind dem ausgerissenen Pflegekind mit Amtsvorstand auf den Fersen. Dauernd muss Willi fliehen, denn er will nicht ins Heim. Dubiose Bekannte wie der kleinkriminelle Obdachlose Theo, der den Kontakt zu einem wohlhabenden Freier vermittelt, provozieren weitere Probleme. Wenigstens bemüht sich der gutmütige Journalist Frank um Willis Resozialisierung, doch der Schützling trägt – wenn überhaupt – nur mürrisch zur Besserung seiner Situation bei. Allein die Prostituierte Monika berührt ihn, immerhin steckt sie in einer ähnlich schwierigen Situation wie er selbst. Um mit ihr und ihrem Kind durchzubrennen, macht Willi bei einem Raubüberfall auf einen Supermarkt mit.

Roland Klick gilt als Solitär im Neuen Deutschen Film der 1960er- und 1970er-Jahre. Anders als die meisten zeitgenössischen Autorenfilmer/-innen zielte er auf direkte Publikumsreaktionen, weniger auf kopflastige Filmtheorie. Klicks dritter Kinobeitrag Supermarkt ist daher ein Film für ein breit gefächertes Publikum geworden. Der "Bürgerschreck" Willi ist den Ordnungshütern per se verdächtig und hat vielleicht auch deshalb keine Lust, sein Leben glattzubügeln. So getrieben wie der Protagonist wirkt auch der Film selbst, wozu die Kameraarbeit von Jost Vacano substanziell beiträgt. Stetig ist die Kamera im Fluss und nah an den Figuren (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen), schwenkt, umkreist (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen). Im Zusammenspiel mit der bündigen Zum Inhalt: Montage entsteht ein fiebriger Milieu- Zum Inhalt: Thriller mit sozialkritischem Touch und betont tristen Hamburg-Impressionen. Es geht ruppig zu in der grau-verregneten Stadt. Die mehrfach eingespielte Ballade (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) Celebration von Marius Müller-Westernhagen setzt schon vom Titel her einen Kontrapunkt dazu. Klick inszeniert die Story so dynamisch, dass sein Werk allem Zeitkolorit zum Trotz bis heute aktuell und dringlich erscheint.

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Supermarkt (1973) from Filmgalerie 451 on Vimeo.

Zunächst kann ein Porträt im Fach Deutsch/Kunst die Sonderstellung von Roland Klick zur Zeit des Neuen Deutschen Films einordnen. Klick bezeichnete die damals üblichen "Problemfilme" als "publikumsfeindlich" und stand für ein Aktionskino mit Zum Inhalt: Genre-Impuls. In filmsprachlicher Hinsicht ist die bestechende Kameraführung von Jost Vacano maßgebend – aus gutem Grund machte Vacano, der auch "Das Boot" (BRD 1981) bebilderte, später in Hollywood Karriere. Welche Stilelemente zeichnen die Bewegtbilder aus, wie transportiert der Bilderfluss den Geist der Filmhandlung? Augenfällig ist eine Zum Inhalt: Szene, die den Blick in den fürstlichen Garten eines Freiers vergleichsweise lang stehen lässt; ein Kontrast zum harten Großstadtpflaster. Eine Figurenanalyse kann Willis Beziehung zu seinen Bekanntschaften und den fehlenden Antrieb des "Gammlers" herausarbeiten. Er will den helfenden Frank nicht enttäuschen, zeigt aber kaum Elan zur Lebensveränderung ("Ich bin eben ein Schmarotzer"). Das vom seinerzeit wenig bekannten Marius Müller-Westernhagen gesungene Stück Celebration formuliert die Rastlosigkeit: "You know I want my celebration babe before I die / there's no place where I feel bound."

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