Im Februar 1933, kurz nach der Machtübernahme Adolf Hitlers, ist für die neunjährige Anna Kemper die Welt noch in Ordnung. Da wird ihr Vater, ein berühmter Berliner Theaterkritiker und erklärter Gegner der Nationalsozialisten, gewarnt, dass er verhaftet werden soll. Noch in der Nacht flieht er über Prag nach Zürich. Seine Frau und die beiden Kinder Anna und Max folgen ihm kurz darauf. In der Hoffnung, dass der Abschied von der Heimat Berlin nur von kurzer Zeit sein wird, hat die Familie fast ihr ganzes Hab und Gut zurückgelassen – auch Annas geliebtes rosa Stoffkaninchen. Doch bald bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen: Juden wie die Familie Kemper werden in Deutschland zunehmend ausgegrenzt und verfolgt, auf den Vater ist gar ein hohes Kopfgeld ausgesetzt worden. Die Kempers fliehen weiter in ein Schweizer Bergdorf, dann nach Paris und schließlich im September 1934 nach London. Im Exil erleben sie eine Zeit der großen Entbehrungen, in der sich die Familie gegenseitig Halt und Geborgenheit gibt, aber auch aufgeschlossen gegenüber neuen Erfahrungen und Herausforderungen reagiert.

Der Film von Caroline Link beruht auf dem 1971 veröffentlichten autobiografischen Roman von Judith Kerr (1923-2019), die darin die Flucht ihrer Familie und die Suche nach einer neuen Heimat erzählt. Das Buch wurde schnell zum Bestseller und zur Schulpflichtlektüre. Ganz aus Annas kindlicher Perspektive erzählt, vermitteln Buch wie Film insbesondere einem noch sehr jungen Publikum anhand des Schicksals der Familie Kemper die Schrecken der nationalsozialistischen Herrschaft. Diese "kindgerechte" Aufbereitung, die sich vor allem auf die Familie konzentriert, setzt kein historisches Vorwissen voraus, verharmlost aber weder die Judenverfolgung noch die Fluchtumstände oder Probleme in der Fremde. Damit schließt der Film eine Lücke zu thematisch ähnlichen Filmen für ältere Jugendliche wie Zum Filmarchiv: "Das Tagebuch der Anne Frank". Judith Kerr selbst war davon überzeugt, dass sie in ihrem Buch nichts "Schreckliches" beschreibt, das Kinder verstören könnte. Caroline Link folgt diesem Duktus auch in ihrer Zum Inhalt: Verfilmung. Diese folgt den Ereignissen streng chronologisch und bleibt mit der Kamera immer dicht an den Kindern. Das gilt für Anna und Max vor allem, aber auch für die anderen Kinder etwa im Zum Inhalt: Schweizer Bergdorf, denen die Geschwister begegnen. Diese Nähe zu den kindlichen Figuren, die bildlich immer in die jeweilige Umgebung eingebunden ist, trägt entscheidend zur visuellen Kraft des Films bei, wobei lediglich die Zum Inhalt: Musikuntermalung mitunter etwas zu aufdringlich geraten ist.

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, Trailer (© Warner Bros.)

Einen wesentlichen Anteil daran, dass der Film bereits junge Menschen ab etwa acht Jahren anspricht, hat die Berliner Schülerin Riva Krymalowski in der Rolle von Anna. Sie ist eine rundum positive Identifikationsfigur, immer neugierig und optimistisch, selbst in traurigen Momenten. Anknüpfungspunkte für den Unterricht bieten sich insbesondere in Ethik und Lebenskunde. Welche Herausforderungen stellen sich Anna, Max und ihren Eltern in der Fremde? Wie erleben sie den Verlust von Heimat, Freunden und Sicherheit, aber auch die Erfahrung von Diskriminierung? Wie finden sie sich in einer fremden Sprache zurecht? Ausgehend von der historischen Perspektive gestattet der Film, Parallelen zur gegenwärtigen Situation von geflüchteten Menschen zu ziehen. Da der Film bis in Zum Inhalt: Ausstattungsdetails hinein den historischen Ereignissen verpflichtet bleibt, ermöglicht er auch einen guten Einstieg in die ersten Jahre der nationalsozialistischen Diktatur und die systematische Ausgrenzung und Verfolgung von jüdischen Menschen. Für etwas ältere Schüler/-innen bietet sich im Fach Deutsch ein Vergleich zwischen der als Schullektüre empfohlenen Buchvorlage und dem Film an. Die Regisseurin gibt etwa dem Vater im Film etwas mehr Raum als das Buch. Der berühmte Theaterkritiker Alfred Kerr wurde vor 1933 in ganz Europa verlegt und machte viele Autoren in Deutschland erst bekannt wie Arthur Schnitzler oder Henrik Ibsen. Hier lohnt sich eine Beschäftigung mit den Biografien der Mitglieder der Familie Kerr.

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