Dublin, 1985. An der katholischen Synge Street School herrschen strenge Sitten. Der junge Conor studiert lieber das Musikfernsehen. Die coolen Klänge und mehr noch die Attitüde von Bands wie Duran Duran, The Cure und Spandau Ballet ziehen ihn magisch an. Die etwas ältere Raphina, die in London Model werden will, erscheint ihm wie ein Engel aus dieser anderen Welt. Um sie zu beeindrucken, engagiert er sie für das erste Musikvideo seiner Band – die noch gar nicht existiert. Mitmusiker, Instrumente, Kostüme und eine Videokamera wollen schleunigst organisiert sein. Ratschläge zum Thema Rock'n'Roll erhält er von seinem älteren Bruder, der genau weiß, was Conor wirklich antreibt: Er will den bedrückenden Verhältnissen entfliehen, nicht nur der Schule, sondern auch der Familie, die sich gerade in Auflösung befindet.

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"Sing Street" steht in der Tradition irischer Musikfilme wie "The Commitments " (1991), die trockenen Realismus mit musikalischem Überschwang kombinieren. Der Film taucht tief hinab in die wilde Zeit des 1980er-Jahre-Pop, als Schulterpolster, Schminke und Haarspray ebenso wichtig waren wie der richtige Sound. Nach jedem Erweckungserlebnis erscheint Conors Kapelle im Zum Inhalt: Kostüm der gerade angesagten Band. Dieser Kampf um Individualität trifft immer wieder auf den Widerstand des konservativen Schulleiters, der auf der Schuluniform besteht. Dazwischen gilt es noch Songs zu schreiben, wobei manch bekannte Melodie ihr schräges Zitat erfährt. Für die wenig originelle Handlung entschädigen die unbekannten jungen Darsteller und jede Menge für den Film geschriebene Zum Inhalt: Filmmusik.

Heutzutage ist Popmusik nur noch eines von vielen Identifikationsangeboten. In den 1980ern dagegen offenbarte das damals noch frische Musikfernsehen Teenagern wie Conor eine neue Welt. Der Film lädt dazu ein, solche medialen Umbrüche zu diskutieren und die bis heute populäre Musik historisch einzuordnen. Das betont artifizielle Auftreten von Acts wie Boy George beinhaltete auch ein Spiel mit den Geschlechterrollen – immer wieder wird Conors Aufmachung im Film als "schwul" diskreditiert. Interessant ist auch der sozialgeschichtliche Hintergrund der Erzählung: Conors Eltern wollen sich trennen, die offizielle Scheidung ist jedoch im Irland der damaligen Zeit nicht erlaubt. Wie das religiös motivierte Verbot von vorehelichem Sex, Verhütung und Scheidung unglückliche Familien produzierte, wird anschaulich dargelegt. Weitere Themen sind die Wirtschaftskrisen des Landes und die seit dem 19. Jahrhundert übliche Auswanderung junger Iren/-innen ins Nachbarland Großbritannien.

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