Kategorie: Hintergrund
Monsterfilme für Kinder und Teenager
Einem jungen Publikum bietet das Genre nicht nur Gruselspaß – Monsterfilme behandeln oft auch ernste Themen.
Im Grunde sind die Monster, die nachts die Kinder in ihren Zimmern besuchen, nur Schauspieler. Wer die Kleinen am besten erschreckt, erntet die lautesten Schreie und die meiste Angst – und genau die liefert wertvolle Energie für die Monsterstadt. In ihrer Freizeit sind die hauptberuflichen Erschrecker trotz ihres monströsen Aussehens aber sehr liebenswert. Und sobald mal ein Kind die Monsterwelt betritt, bricht dort regelrecht Panik aus. Genau dieser Perspektivwechsel ist es, der vermutlich zum Erfolg von Zum Filmarchiv: "Die Monster AG" ("Monster, Inc." , Pete Docter, David Silverman, Lee Unkrich, USA 2010) beigetragen hat. Mit viel Witz spielt der Zum Inhalt: Computeranimationsfilm mit den Erwartungen und macht jene zu Helden, die sonst eigentlich die Schurken sind. Für ängstliche Kinder kann das eine durchaus tröstliche Erfahrung sein: Das Monster, mein Freund.
Keine Angst vor Monstern
Es gibt eine ganze Reihe an Monsterfilmen für Kinder, die sich dies zunutze machen. ("Shrek" , Andrew Adamson, Vicky Jenson, USA 2001) stellt die Regeln des Märchenfilms auf den Kopf, indem ein hässlicher Oger die Hauptrolle spielt. In "Hotel Transsilvanien" ("Hotel Transylvania" , Genndy Tartakovsky, USA 2012) steht die Tochter eines Vampirs im Mittelpunkt, die inmitten einer Monsterfamilie aufwächst und sich dann ausgerechnet in einen Menschenjungen verliebt. Die Begegnung mit dem Gruseligen oder (äußerlich) Monströsen wird in all diesen Filmen zum Spaß. Aus anfänglicher Skepsis und Ablehnung wird Sympathie – eine schöne Übung im Überwinden von Vorurteilen, die vor allem an Äußerlichkeiten festgemacht werden. Und darüber hinaus machen all diese Filme ganz nebenbei noch mit Genreregeln und -stereotypen (Glossar: Zum Inhalt: Genre)vertraut, indem sie aus Zum Inhalt: Horrorklassikern bekannte Figuren wie Graf Dracula oder Frankensteins Monster augenzwinkernd mit ironischen Brechungen gegen den Strich bürsten.
Das Monster in mir
Eine andere Qualität nehmen Filme ein, in denen die Monster die Rolle des Gegenübers verlassen und die kindlichen Protagonist/-innen sich selbst in Monster verwandeln. Alfie ereilt ein solches Schicksal: In der Nacht vor seinem siebten Geburtstag plagt ihn erst ein Kratzen und Jucken, dann wachsen ihm plötzlich ein weißes Fell und großen Ohren – bis aus ihm ein Werwolf geworden ist, der erst einmal mächtig Hunger auf Huhn hat. Die Verwandlungsszene in ("Dolfje Weerwolfje" , NL 2011) von Joram Lürsen lehnt sich in ihrer Zum Inhalt: Inszenierung deutlich an John Landis’ "American Werewolf" ("An American Werewolf in London" , USA/GB 1981) an, wenngleich Alfie auch als Werwolf eher niedlich bleibt. Dennoch: Dem Film gelingt es, Angstlust, Humor und Unbehagen zu verknüpfen. Zudem ist Alfies Verwandlung nicht nur Effekt. Denn als Werwolf ist Alfie augenscheinlich so "anders" und sich selbst fremd, wie er sich gerade als Adoptivkind in seiner Familie fühlt. Seine körperliche Verwandlung ist ein Spiegelbild seines inneren Erlebens. Im Grunde geht es in diesem Film um die Sehnsucht nach Anerkennung und das Finden des eigenen Platzes in der Welt.
In diese Richtung hat auch Spike Jonze die Geschichte von Maurice Sendaks Bilderbuch Wo die Wilden Kerle wohnen weiterentwickelt. Richtet sich das Buch vor allem an Vorschulkinder, so spricht die gleichnamige Zum Inhalt: Filmadaption (USA/DE/AUS 2009) mit ihrem deutlich schwermütigeren und düstereren Tonfall ältere Kinder ab etwa 9 Jahren an. Weil Max sich von seiner allein erziehenden Mutter unverstanden und alleingelassen fühlt, reißt er nach einem heftigen Streit aus. Ein Boot bringt ihn zu einer Insel, auf der große zottelige Wesen leben, die Max in seinem Verhalten jedoch gar nicht so unähnlich sind. Sie sind so wild und ungestüm wie er, sie raufen und toben, springen und schreien, manchmal ohne Rücksicht – und sind dann doch auch still und nachdenklich. Max freundet sich mit dem Wilden Kerl Carol an, der im Film als sein Alter Ego angelegt ist. Und über die Wilden Kerle, deren hemmungslose Gefühlsausbrüche Max bisweilen auch als bedrohlich empfindet, lernt Max mehr darüber, wer er selbst ist und wie er auf andere wirkt.
Monströse Tröster
Es sind vor allem die schweren Themen, die sich durch die Verknüpfungen mit Elementen des Zum Inhalt: Fantasy- oder Horrorgenres auf eine andere Art erzählen lassen. So verwundert es nicht, dass Monster in Filmen für Kinder und Teenager gerade dann oft auftauchen, wenn es um den Tod, das Sterben und Trauerbewältigung geht. In dem schwarz-weißen Stop-Motion-Animationsfilm (Tim Burton, USA 2012) hat Victor seinen geliebten Hund Sparky bei einem Verkehrsunfall verloren. Aber der erfindungsreiche Junge will den Tod nicht akzeptieren. Stattdessen buddelt er Sparkys Körper wieder aus und erweckt ihn durch einen Blitzschlag – Mary Shelleys Frankenstein lässt grüßen – wieder zum Leben: mit all seinen Wunden und Narben. Tim Burtons Film ist eine Hommage an Monsterfilmklassiker, nimmt aber auch unverhohlen die Sichtweise eines Kindes ein, das sich nicht an die Gesetze der Natur halten will – und es hier auch nicht muss. Bei Burton darf der untote Hund weiterleben. Am Ende ist der Tod tatsächlich ein normaler Bestandteil des Lebens.
Nicht weniger fantastisch, aber ohne morbid-romantisches Happy End ist der Spielfilm "Sieben Minuten nach Mitternacht" ("A Monster Calls" , J.A. Bayona, USA/GB/ES 2016). Heftige Albträume plagen den zwölfjährigen Conor, dessen Mutter schwerkrank ist und im Sterben liegt. Der Junge fühlt sich allein, ist wütend und leidet sehr unter der Situation. Dann erwacht eine alte Eibe vor seinem Fenster zum Leben und beginnt mit ihm zu sprechen. Der Baum ist nicht nett. Er ist finster, hat eine grollende Stimme und Augen wie Feuer, ist nicht sanft, sondern rau. Auch er ist ein Spiegelbild von Conors Seelenleben – und hilft ihm, mit seinen widersprüchlichen Emotionen ins Reine zu kommen. Juan Antonio Bayonas Adaption des Romans von Patrick Ness ist düster und wuchtig, aber auch überraschend sensibel. Die fantastische Ebene der Geschichte macht sichtbar, was sonst verborgen bleibt, und findet starke metaphorische Bilder für einen Reifungsprozess. Damit steht er in einer Reihe mit Anders Walters Comicverfilmung "I Kill Giants" (BE/CHN/GB/USA/DK/SE 2017), der mit einer etwas älteren Jugendlichen eine sehr ähnliche Geschichte erzählt – oder auch mit (USA 2011): Der Zum Inhalt: Science-Fiction-Film von J.J. Abrams konstruiert ebenfalls eine spektakuläre Handlung um einen Jungen, der nach dem Tod seiner Mutter den Halt und die Orientierung verloren hat und dem die Begegnung mit Außerirdischen die Augen öffnet. Im scheinbar Fremden zeigt sich das Eigene.
Zumutungen mit Bildungspotenzial
Monstergeschichten für ein junges Publikum sind gewissermaßen immer einer Zumutung und Herausforderung, weil sie sie mit fantastischen Wesen konfrontieren, die aus der Welt des Unbekannten kommen und sich dementsprechend nicht an Regeln halten müssen. Trotzdem gelingt es vielen Filmen für Kinder und Teenager, diese Begegnungen so zu inszenieren, dass sie nicht überfordern, nicht verunsichern oder gar schockieren, sondern neue Zugänge zu vertrauten Themen bieten und Horrorelemente sowie Genremerkmale nutzen, um dem Publikum Mut zu machen.
Je älter das Zielpublikum wird, desto unbarmherziger werden die Monsterfilme. Mit dem Teen-Horror schließlich hat sich ein populäres Subgenre mit einem ganz eigenen Set an Regeln und Mustern entwickelt, in dem Jugendliche und Monster häufig aufeinandertreffen. Filme wie "When Animals Dream" ("Når dyrene drømmer" , DK/FR 2014) von Jonas Alexander Arnby oder Zum Filmarchiv: "Blue My Mind" (CH 2017) von Lisa Brühlmann erzählen über die Angst vor körperlichen Veränderungen und die damit verbundene Unsicherheit während der Pubertät, das Anderssein oder die Entdeckung der Sexualität. Was die Monster in Teen-Horrorfilmen wie "Nightmare – Mörderische Träume" ("A Nightmare on Elm Street" , Wes Craven, USA 1984) oder Zum Filmarchiv: "It Follows" (David Robert Mitchell, USA 2014) jedoch von den oben beschriebenen Monstern in Kinderfilmen unterscheidet ist, dass diese keine Verbündeten sind, sondern der blanke Horror.