Aufgabe 1: Arbeitsblatt zu "Die Folgen des Feminismus" (Regie: Alice Guy, Frankreich 1906)

Fächer: Französisch, Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, ab 15 Jahren, ab Klasse 10

a) Stellen Sie Überlegungen an, welche Inhalte ein Film mit dem Titel "Die Folgen des Feminismus" haben könnte. Sammeln Sie Ihre Ideen stichpunktartig in einer Mindmap.

b) Sehen Sie sich den Film Zum externen Inhalt: "Die Folgen des Feminismus" (öffnet im neuen Tab) an. Inwiefern deckt sich die Filmhandlung mit Ihren Überlegungen aus Aufgabe a)? Schildern Sie, wie der Film auf Sie wirkt. Was ist überraschend, komisch oder auch befremdlich?

c) Sichten Sie den Film ein zweites Mal und sammeln in Partnerarbeit (beispielsweise tabellarisch) Merkmale der männlichen und weiblichen Figuren des Films (Attribute, Tätigkeiten, Gesten, Habitus). Erklären Sie, inwiefern hier Geschlechterklischees parodistisch inszeniert werden.

d) Sichten Sie den Film ein drittes Mal und achten in jeder Zum Inhalt: Einstellung auf den männlichen Protagonisten. Erläutern Sie den Zeitsprung zwischen der fünften und sechsten Einstellung. Fassen Sie die Geschichte des männlichen Protagonisten zusammen und begründen Sie, warum er zum Rädelsführer im Aufstand gegen die Frauen wird.

e) Überlegen Sie mögliche Gründe, warum Regisseurin Alice Guy ihre Gesellschaftskritik als Rollentausch-Komödie inszeniert. Welche Wirkung wird mit dieser Gegenweltlichkeit erzielt? Lesen Sie gegebenenfalls den zweiten Absatz in der Zum Filmarchiv: "Besprechung" auf kinofenster.de zu "Die Folgen des Feminismus" sowie Zum externen Inhalt: folgende Definition (öffnet im neuen Tab).

f) Sehen Sie sich den Film Zum externen Inhalt: "Alice Guy tourne une phonoscène sur le théâtre de pose des Buttes-Chaumont" (öffnet im neuen Tab) an, der als erstes Making-of der Kinogeschichte gilt. Tauschen Sie sich über Ihre Eindrücke aus.

g) Lesen Sie den dritten Abschnitt der kinofenster.de-Besprechung zu Zum Filmarchiv: "Die Folgen des Feminismus", insbesondere das Zitat aus Guys Memoiren, sowie die Infobox zum Feminismus in Frankreich. Erläutern Sie, welches Selbstverständnis der Filmemacherin sich aus den Dokumenten ableiten lässt.

Wichtiger Hinweis:

Kurze Geschichte des Feminismus in Frankreich (bis 1914)
Bereits zu Zeiten der französischen Revolution fordern prominente Stimmen wie Olympe de Gouges die rechtliche Gleichstellung der Frau. Jedoch bestimmen die Regelungen des von Napoleon Bonaparte eingeführten Code civil aus dem Jahr 1804 die Stellung der Frau bis ins 20. Jahrhundert: Sie ist der Vormundschaft ihres Ehemanns, Vaters oder Bruders unterstellt, dem sie wie ein minderjähriges Kind zu gehorchen hat.
Die Bildung von Mädchen, aber auch die Arbeitsbedingungen von Frauen sind die Prioritäten feministischer Bewegungen im 19. Jahrhundert. 1880 werden neben religiösen Einrichtungen auch öffentliche Schulen für Mädchen gegründet. Im Zuge der Schulreformen unter Jules Ferry werden sie im selben Jahr zur gymnasialen Oberstufe zugelassen und erlangen Zugang zu universitärer Ausbildung. Die Einführung des Rechts auf Scheidung 1884 benachteiligt Ehefrauen massiv zugunsten des Ehemanns.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden Frauen als Ärztinnen und Rechtsanwältinnen zugelassen, sie dürfen ab 1905 vor Gericht aussagen und ab 1907 frei über das eigene Einkommen verfügen. 1906 zählt Frankreich über 8 Millionen Arbeiterinnen, deren Gehalt deutlich unter dem ihrer männlichen Kollegen liegt.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts dominiert die Forderung nach einem umfassenden Wahlrecht für Frauen, beflügelt durch die englische Bewegung der Suffragetten, die feministische Debatte. Die für dieses Ziel 1909 gegründete Vereinigung Union française pour le suffrage des femmes wächst von 200 Mitgliedern in ihrem Gründungsjahr auf 10.000 bis 15.000 Mitglieder im Jahr 1914 an, jedoch wird das Wahlrecht für Frauen in Frankreich erst 1944 eingeführt, deutlich später als in Deutschland (1918), England (1918) und den USA (1920).

Quellen:
Rochefort, Florence: Histoire mondiale des féminismes, PUF 2019
Riot-Sarcey, Michèle: Histoire du féminisme

h) Teilen Sie sich in acht Gruppen ein und weisen Sie jeder Gruppe eine der acht Einstellungen zu, aus denen der Film besteht. Jede Gruppe erarbeitet für ihre Einstellung einen passenden Dialog. Beziehen Sie dabei Aspekte aus der Infobox zum Feminismus in Frankreich ein.

Optional:

i) Spielen Sie die Filmhandlung mit Ihren Dialogen szenisch nach.


Aufgabe 2: Arbeitsblatt zu "Suspense" (Regie: Lois Weber und Phillips Smalley, USA 1913)

Fächer: Deutsch, Englisch, Kunst, ab Klasse 9, ab 14 Jahre

Vor der Filmsichtung:

a) Was assoziiert ihr mit dem englischen Filmtitel "Suspense" ? Schlagt den Begriff gegebenenfalls in einem Wörterbuch nach. Sammelt an der Tafel. Um welches Filmgenre könnte es sich handeln?

b) Seht euch folgende Zum Inhalt: Einstellung des Films an. Analysiert die Aufteilung des Bildes.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Suspense_(1913_film).jpg, Lois Weber, Public domain, via Wikimedia Commons

c) Informiert euch über die Stummfilmzeit mithilfe des Zum Inhalt: kinofenster.de-Glossar-Eintrags .

Während der Filmsichtung:

d) Seht euch den Zum externen Inhalt: Film (öffnet im neuen Tab) aufmerksam an. Achtet darauf, welche Rolle die Frauen und welche Rolle die Männer einnehmen. Macht euch während und unmittelbar nach der Filmsichtung Notizen.

Nach der Filmsichtung:

e) Tauscht euch im Plenum darüber aus, was euch besonders überrascht hat und inwieweit eure Vermutung zum Filmgenre zutreffend waren.

f) Informiert euch in Partnerarbeit näher über das Zum Inhalt: Filmgenre und den Begriff Zum Inhalt: "Suspense". Fasst in eigenen Worten zusammen, welche Charakteristika ein Film besitzt, der Suspense bzw. Spannung erzeugt.

g) Vergleicht nun im Plenum eure Ergebnisse aus Aufgabe f). Überprüft , welche erarbeiteten Merkmale auf den Film "Suspense" zutreffen, indem ihr euch auf konkrete Zum Inhalt: Szenen des Films bezieht.

Optionale Arbeitsschritte zur Vertiefung:

h) Findet euch in Kleingruppen zusammen und fertigt von folgenden zwei Zum Inhalt: Sequenzen ein Zum externen Inhalt: Sequenzprotokoll (öffnet im neuen Tab). Seht euch die Sequenzen (so oft wie nötig) an. Vergleicht eure Ergebnisse anschließend im Plenum.

Sequenz 1: Timecode: 0:04:13 – 0:04:57
Sequenz 2: Timecode: 0:07:43 – 0:08:58

i) Lois Weber zählt zu den erfolgreichsten Filmemacherinnen der Stummfilmzeit. Sie war nicht nur Regisseurin, sondern auch Produzentin, Zum Inhalt: Drehbuchautorin und Schauspielerin. Dennoch kennen bis heute nur wenige ihren Namen. Warum sind Frauen in der Filmgeschichtsschreibung lange Zeit übergangen worden?
Recherchiert, macht euch in Partnerarbeit Notizen und vergleicht diese anschließend im Plenum. Folgende Websites können euch als Ausgangspunkt eurer Recherche dienen:
Zum Inhalt: Einführungstext: Filmpionierinnen
Zum externen Inhalt: sry.ch: Wie Frauen Filmgeschichte schrieben (öffnet im neuen Tab)
Zum externen Inhalt: derstandard.at: Die vergessenen Frauen der Filmgeschichte (öffnet im neuen Tab)
Zum externen Inhalt: dw.com: Die erste Frau der Filmgeschichte (öffnet im neuen Tab)
Zum externen Inhalt: mediarep.org: Frühes Kino und strukturelles Übersehen (öffnet im neuen Tab)

j) Organisiert eine kleine Ausstellung rund um den Film "Suspense" . Geht zu dritt zusammen, wählt eines der folgenden Themen und gestaltet ein Plakat. Stellt eure Plakate im Schulgebäude aus und weckt das Interesse der Schulgemeinschaft für Lois Weber und die Pionierinnen der Filmgeschichte.
1. Der Film "Suspense" und seine filmästhetischen Besonderheiten
2. Der Film "Suspense" und das Filmgenre Thriller (Suspense/Spannung)
3. Die Filmpionierin Lois Weber und die Rolle der Frauen in der frühen Filmgeschichte
4. Die vergessenen Frauen der Filmgeschichte


Aufgabe 3: Arbeitsblatt zu "Der Fall der Dynastie Romanow" (Regie: Esfir Shub, UdSSR 1927)

Fächer: Deutsch, Englisch, Geschichte, Kunst ab Klasse 9, ab 14 Jahren

Vor der Filmsichtung:

a) Der Zum Inhalt: Dokumentarfilm "Der Fall der Dynastie Romanow" der russischen Filmemacherin Efir Shub wurde zum zehnjährigen Jubiläum der Oktoberrevolution veröffentlicht. Informiert euch mithilfe dieses Zum externen Inhalt: MDR-Videos (öffnet im neuen Tab) über den historischen Hintergrund, um den Inhalt des Films einordnen zu können.

b) Was könnte der Begriff "compilation film" (dt. Kompilationsfilm) bedeuten? Sammelt eure Ideen an der Tafel.

Arbeit mit den Zum Inhalt: Filmsequenzen:

c) Seht euch die ersten zehn Minuten des Zum externen Inhalt: Films (öffnet im neuen Tab) gemeinsam in der Lerngruppe an. Macht euch Notizen zu den folgenden Fragen:
1. Was wird auf der inhaltlichen Ebene in den ersten zehn Minuten gezeigt?
2. Wie ist der Film gestaltet? Wodurch entsteht die Storyline?

Timecode: 0:00:00–0:10:00

d) Kommt im Plenum zusammen. Sammelt eure Eindrücke und klärt offene Fragen zum Inhalt und zur Gestaltung des Films. Gleicht eure Vorstellung zum Kompilationsfilm aus b) mit dem eben Gesehenen ab. Klärt anschließend offene Fragen mit Hilfe des Zum externen Inhalt: kinofenster.de-Hintergrundtexts (öffnet im neuen Tab).

e) Seht euch nun die Sequenzen 0:25:00-0:28:00 sowie ab 01:24:30 bis 01:41:00 an. Ordnet das Gezeigte zunächst historisch ein. Erörtert im Plenum, wie bewegtes Bild, Zum Inhalt: Zwischentitel und Zum Inhalt: Filmmusik zusammenwirken.

Arbeitsschritte f) und g) für den Englisch-Unterricht:

f) Die Produktion des Films durch die Filmemacherin Esfir Shub galt seinerzeit als ästhetisch innovativ. Im folgenden Text erarbeitet ihr euch Informationen zur Entstehung.

Findet euch dazu in Dreiergruppen zusammen. Erschließt euch den Zum externen Inhalt: Text (öffnet im neuen Tab) arbeitsteilig:
A: "In August 2926 … to the final cut of The Fall of the Romanov dynasty";
B: "Having collected enough material … with the idea of historical fact and authenticity."
C: "Shub’s adherence to historical non-staged footage... received considerably less attention."

g) Stellt euch gegenseitig den Inhalt eurer Abschnitte vor, indem ihr drei bis fünf besonders interessante Aspekte wiedergebt.

h) Lest euch in Einzelarbeit die kinofenster.de-Filmbesprechung von Zum Filmarchiv: "Der Fall der Dynastie Romanow" durch. Kommt im Plenum zusammen. Diskutiert die folgenden Fragen: Was erachtet ihr als besonders bemerkenswert in Bezug auf die Produktion des Films? Inwiefern verändert das Wissen um die Intentionen der Regisseurin und die Produktionsbedingungen euern Blick auf den Film?

i) Findet euch jeweils zu zweit zusammen. Erstellt eine kurze Filmkritik (Dauer ca. ein bis zwei Minuten) als Handyvideo zu Der Fall der Dynastie Romanow. Der Hauptaspekt der Kritik ist: ""Der Fall der Dynastie Romanow" als Ergebnis innovativer filmischer Detektivarbeit". Geht dabei auch auf die Regisseurin und die Produktionsbedingungen ein.

Erstellt euch zunächst ein inhaltliches Konzept. Einigt euch, wie ihr es vor der Kamera vortragen wollt. Nehmt anschließend das Video auf.

j) Findet euch mit zwei weiteren Paaren zusammen. Fügt eure drei Filmkritiken zu einer Kompilation zusammen. Schneidet dafür euer Videomaterial sinnvoll und überlegt euch passende Titel und Zwischentitel. Ziel ist, dass die Kompilation möglichst informativ und ansprechend gestaltet ist.

k) Stellt euch gegenseitig eure Kompilationen in einer Werkschau vor. Gebt euch kriterienorientiert Rückmeldung zum Inhalt und zur Form.

l) Wählt abschließend ein oder zwei besonders gelungene Videos aus, die ihr der Schulöffentlichkeit (z.B. über die Homepage der Schule) zur Verfügung stellt.

Aufgabe 4: Filmpionierinnen in der Bundesrepublik und in der DDR

Fächer: Deutsch, Kunst, Sozialkunde, ab 16 Jahren, ab Oberstufe

a) Tauschen Sie sich im Plenum darüber aus, welche Filmemacherinnen aus der Bundesrepublik und der DDR Ihnen bekannt sind.

b) Lesen Sie die Materialien M1 bis M5. Machen Sie sich Notizen zu
• der rechtlichen und gesellschaftlichen Stellung von Frauen in Bundesrepublik und DDR,
• den sich daraus ergebenden Voraussetzungen für das filmische Schaffen von Frauen,
• dem unterschiedlichen Selbstverständnis der Regisseurinnen in Bundesrepublik und DDR,
• den Schwierigkeiten, mit denen die Regisseurinnen in Bundesrepublik und DDR zu kämpfen hatten,
• den unterschiedlichen Gründen, die in vielen Fällen zu einem Karriereende führten.

Wichtiger Hinweis:

M1
"[S]eit dem 23. Mai [1949 heißt es] im Grundgesetz (GG), der zunächst provisorischen Verfassung für die BRD, in Artikel 3 Abs. 2 eindeutig […]: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" […] GG Art. 117 sah vor, dass bis März 1953 alle Gesetze, die dem Gleichberechtigungsparagrafen entgegenstanden, geändert sein mussten. Ein noch zu verabschiedendes zusätzliches Gesetz sollte die Gleichstellung von Frau und Mann zum Inhalt haben und die familien- und arbeitsrechtliche Benachteiligung der Frau aufheben. Die Frist für diesen Stichtag lief jedoch […] ohne jegliche entsprechende Gesetzesänderung ab. Erst am 1. Juli 1958 trat ein unter der Vielzahl von Kompromissen 'zahnlos' gewordenes Gleichberechtigungsgesetz in Kraft. Die konservativen Parteien, unterstützt durch die christlichen Kirchen sorgten dafür, dass das Leitbild des Ehe- und Familienrechts bestehen blieb.
[…] In der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) gehörte die Gleichberechtigung der Frauen zu den offiziellen Zielen der sozialistischen Gesellschaftspolitik. Sie ging von der marxistischen Theorie aus, nach der die 'Frauenfrage' als Teil der 'sozialen Frage' gelöst und die Unterdrückung der Frauen mit der Abschaffung der kapitalistischen Verhältnisse überwunden werden sollte. […] Im Verfassungsentwurf, den die Provisorische Volkskammer der DDR am 30. Mai 1949 verabschiedete, hieß es in Artikel 7, Absatz 1: "Mann und Frau sind gleichberechtigt." Die Vertreterinnen des Demokratischen Frauenbund Deutschland (DFD) […] hatten […] sich dafür eingesetzt, dass dem Absatz 2 ein entscheidender Satz hinzugefügt wurde: "Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben." […] Damit war das Gesetz fortschrittlicher als das in der BRD."

Gisela Notz in Zum externen Inhalt: www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/frauenwahlrecht/279343/der-kampf-um-die-gleichberechtigung-in-beiden-deutschen-staaten-1945-1949-und-die-auswirkungen-auf-parteien/ (öffnet im neuen Tab)

Wichtiger Hinweis:

M2
"Ausgerechnet eine Filmstudentin war es, Helke Sander, damals im zweiten Jahr an der Film- und Fernsehakademie Berlin, die die [Frauenbewegung] auslöste. Zusammen mit anderen Studentinnen gründete sie im Januar 1968 den „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“ […]. Damit war die neue deutsche Frauenbewegung geboren. […] Unter den 26 Unterzeichnern des „Oberhausener Manifests“, das den Grundstein legte für den neuen deutschen Film, war keine einzige Frau. […] Der Zeitpunkt, an dem die ersten Regisseurinnen mit abendfüllenden Spielfilmen Aufsehen erregten, war nicht zufällig auch der Höhepunkt öffentlicher Förderung. Angefangen hatte es in den sechziger Jahren, als nach langjährigen Bemühungen der Oberhausener, allen voran Alexander Kluge, das Kuratorium junger deutscher Film gegründet wurde. Gefördert wurden Erstlingsfilme, die künstlerisch vielversprechend waren. 1967 wurde das erste Filmförderungsgesetz verabschiedet, das auch zur qualitativen Verbesserung des deutschen Films beitragen sollte […]. Wichtiger als alle Förderungsgesetze war dann 1974 die Verabschiedung des Film- und Fernsehabkommens, das es ermöglichte, daß künstlerisch wertvolle Filme vom Fernsehen mitproduziert werden konnten. Gerade hier boten sich die größten Möglichkeiten für Filme von Frauen. Die Abteilung „Kleines Fernsehspiel“ des ZDF, lange Jahre unter der Leitung von Maya Faber-Jansen, sowie die Redaktionen der Regionalprogramme haben viel Verständnis aufgebracht für die Projekte von Filmemacherinnen. Ohne sie wären viele Filme überhaupt nicht realisiert worden. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre kam die Regionalförderung hinzu: 1977 die Berliner Filmförderung, 1979 die Hamburger. Bayern und Nordrheinwestfalen schlossen sich mit eigenen Förderprogrammen an, allerdings zu einem Zeitpunkt, als die bundesdeutschen Gelder spärlicher flossen. Inzwischen hatte die konservative Regierung erhebliche Bedenken erhoben gegen einige Projekte des neuen deutschen Films und einen Teil der Gelder zurückgezogen. Die Zensurbehörden gewannen an Macht. Die Realisation aller Filmprojekte wurde schwieriger, die Frauen waren jedoch besonders hart getroffen von der neuen Rigidität und engstirnigen Moral."

Fischetti, Renate, Das neue Kino. Acht Porträts von deutschen Regisseurinnen, Frankfurt a.M. 1992, S. 12-17

Wichtiger Hinweis:

M3
"Vor zwei Jahren sollte ein runder Tisch der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien klären, warum es 40 Jahre nach der Frauenbewegung noch immer ein großes Missverhältnis gibt zwischen der Zahl der Künstlerinnen und der Sichtbarkeit ihrer Werke in der Öffentlichkeit. Ich erinnerte daran, dass es in den 70er und 80er Jahren in Deutschland eine Generation von Filmemacherinnen gegeben hatte, deren Filme weltweit anerkannt waren. Erstaunt sagten viele der anwesenden Frauen: »Ja, wo sind die denn alle geblieben? Warum haben die keine Filme mehr gemacht?« Die Antwort ist einfach: Nach der Blütezeit dieser ersten Frauenfilmbewegung, die etwa 15 Jahren dauerte, bekamen die Filmemacherinnen keine Produktionsmittel mehr. Ihnen geschah das Gleiche wie ihren Vorgängerinnen in den Anfängen des Films. Auch deren Werke waren verschollen gewesen und wurden erst von der Frauenbewegung ausgegraben.
Als die erste Frauenfilmgeneration Ende der 1960er begann, entstand sie in enger Anlehnung an den politischen Impetus und die gesellschaftlichen Forderungen der zweiten Frauenbewegung. In Kurzfilmen, dokumentarischen Filmen und Videoarbeiten beschäftigten sich die Regisseurinnen und Autorinnen mit dem, was auch die Feministinnen umtrieb: der geschlechtshierarchischen Verteilung der Haus-, Erwerbs- und Kinderarbeit und der Kontrolle des weiblichen Körpers. Es ging um den gesellschaftlichen und privaten Alltag und um andere, realistische Frauenbilder in den Medien. Aber von Beginn an war die Bewegung nicht nur politisch, sondern auch ästhetisch.
[…] In jener bewegten Zeit gab es ein Grundrauschen an Wohlwollen gegenüber den politischen und ästhetischen Forderungen der Frauen. In Deutschland hatte der Neue Deutsche Film ein Klima geschaffen für nicht kanonisierte filmische Formen. Frauen hatten neue Themen, in denen die weibliche Wahrnehmung der Welt zur treibenden Kraft wurde. Das Fernsehen wurde zum hauptsächlichen Träger der Frauenfilmbewegung […].
Die Filmemacherinnen hatten ein weibliches Publikum in vielen Kultureinrichtungen, einige ihrer Filme kamen auch ins Kino, viele wurden auf nationalen und internationalen Festivals gezeigt, erhielten Preise, und das Goethe-Institut sandte sie in sogenannten Frauenfilmpaketen rund um die Welt. […] Das Frauenfilmfestival von Sceaux, später Créteil, hat seinen ersten Jahrgang komplett mit den Filmen deutscher Frauen gemacht. Und mit dieser starken internationalen Wertschätzung im Rücken sah die erste Generation der Filmemacherinnen ihre Zukunft als eine stetige Bewegung von kontinuierlicher Arbeit mit größeren Budgets, wie es für die männlichen Kollegen, die zehn Jahre früher angefangen hatten, der Fall gewesen war.
Aber sie sind kalt erwischt worden von den Veränderungen seit den 80er Jahren. […] Die Kritiker stützten mit viel Empathie die Männer des deutschen Autorenfilms, aber sie interessierten sich nicht für die Filme der Frauen. […] Frauen hatten Geschichte geschrieben als politische und kulturelle Bewegung, doch seit den 90er Jahren war es so, als hätte das alles nie existiert."

Jutta Brückner in Zum externen Inhalt: www.epd-film.de/themen/frauenfilmbewegung-wir-haben-keinen-eigenen-planeten (öffnet im neuen Tab)

Wichtiger Hinweis:

M4
"Bezüglich der DDR wird […] doch weitgehend anerkannt, dass die Frauenpolitik zu den positiven Aspekten gehört. […] Die Frauen in der Bundesrepublik hatten mit ganz anderen Problemen zu kämpfen, zum Bespiel, dass überhaupt erst einmal Kinderbetreuungsmöglichkeiten geschaffen werden. Frauen konnten bis in die 1970er Jahre nicht einmal eigenständig eine Wohnung mieten, kein Bankkonto eröffnen oder bestimmte Berufe ergreifen ohne das Einverständnis ihrer Ehemänner. […] Die Frauen aus der DDR waren irritiert über das Vokabular und die Radikalität der Frauen aus dem Westen. Verheiratet und mit Kindern fühlten sie sich im Vergleich zu ihnen „konservativ“. Das bringt mich zu einem Unterschied, der mir im beruflichen Selbstverständnis gravierend erscheint: Bei der DEFA sprach man vom „Regisseur“ (alle Berufsbezeichnungen wurden nur männlich benannt), im Westen und heute spricht man von „Filmemacherinnen“: Diese feine Verschiebung meint: Das eine ist ein Beruf und das andere umfasst künstlerisches Arbeiten. Viele DEFA-Regisseurinnen haben Auftragsfilme erstellt, ob in der Animation oder beim populärwissenschaftlichen Film. Die westdeutsche Frauenbewegung war zersplittert, wurde oft angefeindet, es gab ein gewisses Abgrenzungsverhalten […]. Was die Frauen aus der DDR eingebracht haben, das ist ein anderes Selbstbild. Es ist vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der die Frauen sich über ihren Beruf definierten, wie sie Arbeit und Kinder zu vereinbaren wussten, auch wenn das oft mit Entbehrungen verknüpft war. Geschieden zu sein und alleinerziehend bedeutete keine gesellschaftliche Ächtung.
[Die Biografien der Regisseurinnen aus der DDR existieren] mit allen gesellschaftlichen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts bis in das Jahr 1992, in dem viele der Werkverzeichnisse abrupt enden. Die „Berufsvielfalt“, die sich danach zeigt, trägt teilweise tragische Züge. Viel Potenzial kam mitunter nicht mehr zum Tragen. Manche arbeiten als Übersetzerinnen, einige sind in die Sozialarbeit gegangen oder in ganz andere filmfremde Bereiche."

Cornelia Klauß in "Die eigene Handschrift. Statt eines Vorworts – Cornelia Klauß und Ralf Schenk im Gespräch", in: Klauß, Cornelia / Schenk, Ralf, Sie. Regisseurinnen der DEFA und ihre Filme, Berlin, 2019, S. 15-20

Wichtiger Hinweis:

M5
"In der DDR wurde der Gleichberechtigungs-Grundsatz schon 1949 in die Verfassung aufgenommen. […] Die Gleichberechtigung der Frau hat den Mädchen und Frauen in der DDR viele Türen geöffnet und ihnen durch gleiche Ausbildungschancen die finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht – die entscheidende Voraussetzung für jede Emanzipation. Deshalb hatte sich bei uns auch niemals so viel Wut angesammelt wie bei den Frauen im Westen, und ich begann unsere Gleichberechtigung erst dann zu hinterfragen, als ich trotz aller meiner Anstrengungen feststellen musste, dass die Ansprüche, die sie an mich stellte, ohne Verletzungen, Verluste oder fremde Hilfe nicht zu erfüllen waren, von keiner Frau, die ich kannte. Das war also nicht mein persönliches, sondern ein gesellschaftliches Problem und systemübergreifend, denn auch die Frauen heute haben dieses Problem. Kindergärten und Ganztagsschulen, die es in der DDR schon sehr früh und flächendeckend gab, fast kostenlose Sommerferienlager für die Kinder, Sport- und andere Freizeitgemeinschaften lösten nur einen kleinen Teil des Problems. Wirklich dabei geholfen, selbstbestimmter zu leben, hat den Frauen dann die Erlaubnis zur gesetzlichen Abtreibung 1972 und die Einführung der Pille. […] [Ein] Aspekt [machte] nach meiner Auffassung die Solidarität der "Ostfrauen" mit ihren "Ostmännern" unvermeidlich: In einer restriktiven Gesellschaft bleiben nicht nur die Frauen immer Töchter, sondern auch die Männer immer Söhne – stets unter Kontrolle. In dieser Beziehung standen Frauen und Männer bei uns unter dem gleichen Druck. Die Frage unserer gemeinsamen bürgerlichen und politischen Selbstbestimmung war existentieller als die Frage nach mehr Selbstbestimmung als Frau – und wie sollte die aussehen in einer Gesellschaft, in der auch die Männer nicht selbstbestimmt handeln konnten? In meinen Augen war das einer der ausschlaggebenden Gründe dafür, dass in den sozialistischen Ländern Frauenbewegungen so unterentwickelt blieben und statt dessen politische, geschlechtsübergreifende Solidarisierungen stattfanden."

Iris Gusner in Gusner, Iris / Sander, Helke, Fantasie und Arbeit. Biografische Zwiesprache, Marburg 2009, S. 132-138

c) Im Rahmen des Projekt-Seminars zur Studien- und Berufsorientierung erstellen Sie mit Ihrer Klasse einen Reader zum Thema Frauen und Film. Verfassen Sie dafür einen Hintergrundartikel über Filmpionierinnen in der Bundesrepublik und der DDR. Verwenden Sie hierfür Ihre Notizen aus den Arbeitsschritten a) und b) und bringen Sie eigenes Vorwissen mit ein. Der Artikel sollte eine Länge von 800 bis 1.000 Wörter haben.

Zur Vertiefung:

d) Wählen Sie eine Filmpionierin aus DDR oder aus der Bundesrepublik aus und erstellen Sie über sie einen Lexikoneintrag für Ihren Reader:
Bundesrepublik: Helke Sander, Claudia Alemann, Margarethe von Trotta, Jutta Brückner, Ula Stöckl
DDR: Iris Gusner, Evelyn Schmidt, Petra Tschörtner, Helke Misselwitz