Filmbildung ist überall möglich, in der Stadt genauso wie auf dem Land. Die Voraussetzungen dafür sind grundsätzlich gleich: In der rezeptiven Filmarbeit benötigt man einen verdunkelbaren Raum, geeignete Filme mit einer Aufführungslizenz, entsprechende Projektionstechnik, möglichst Begleitmaterialien zum Film und idealerweise filmpädagogisch geschultes Personal, das solche Veranstaltungen nicht nur organisiert, sondern auch mit viel Engagement und Eigeninitiative begleitet.

Besonders gut kommt die praktische Filmarbeit bei Kindern und Jugendlichen an. Denn diese können über das Filmemachen unmittelbare praktische Erfahrungen sammeln und haben direkte "vorzeigbare" Erfolgserlebnisse. Neben der erforderlichen Aufnahmetechnik vom Smartphone bis zur semiprofessionellen Kamera und bis zum Zum Inhalt: Schnittplatz ist eine gute Vorbereitung und vor allem Zeit und Geduld oberste Priorität.

Auf dem Land stößt die schulische und außerschulische Filmbildungsarbeit – vor allem im rezeptiven Bereich – jedoch schneller an ihre Grenzen als in der Stadt. Es fehlen oft entsprechende Filmangebote, wenn das nächstgelegene Kino weit entfernt ist und sich nur mit aufwändig organisierten Busfahrten erreichen lässt. Eine Kontinuität, die Filmbildung erst nachhaltig macht, ist so kaum gegeben. Leider muss man konstatieren, dass entsprechende Angebote gerade von kommunaler Seite in den letzten Jahren vorwiegend aus finanziellen Gründen stark zurückgegangen sind. Das belegt etwa die sich verändernde Mitgliederstruktur des Bundesverbands Jugend und Film (BJF) als Dachorganisation der bundesweiten Filmclubs. Dabei stammen nach wie vor etwa 75 Prozent der etwa 800 Mitglieder aus dem ländlichen Raum. Einige dieser Mitglieder betreuen aber bis zu 20 und mehr Spielstellen in der jeweiligen Region. Die vorhandenen Angebote werden dabei nicht selten von ehrenamtlichen oder gering bezahlten Engagierten geleistet.

Langjährig erfolgreiche und vielversprechende neue Initiativen zeigen jedoch, dass Filmbildung verschiedenster Art auf dem Land zwar längst keine Selbstverständlichkeit ist, aber sich effektiv gestalten lässt, etwa mit Hilfe von Abspielringen und mobilen Kinos im rezeptiven Bereich oder durch regionale Filmwettbewerbe und Festivals als Ergänzung zur praktischen Filmkulturarbeit. Exemplarisch werden nachfolgend einige Initiativen und Modelle aus den unterschiedlichsten Bereichen kurz vorgestellt.

Die Infrastruktur

Eine funktionierende Infrastruktur auf Bundes- und Länderebene ist Voraussetzung für erfolgreiche Filmbildung. Das gilt gleichermaßen für die schulische wie für die außerschulische Filmarbeit. Aus einer Initiative von Bund, Filmbranche und bildungsnahen Institutionen hervorgegangen, ist 2005 das Netzwerk für Film- und Medienkompetenz Vision Kino gGmbH, das den bundesweiten Kinoseminaren der Bundeszentrale für politische Bildung folgte. Die Initiative zur Film- und Medienbildung in der Schule mit Sitz in Berlin veranstaltet in Kooperation mit Partnern aus den jeweiligen Bundesländern seit Herbst 2006 auch die SchulKinoWochen. Nicht wenige der beteiligten Kinos sind im ländlichen Raum beheimatet. Manche Kinos, beispielsweise in Rheinland-Pfalz im Hunsrück und in der Eifel, sind so ländlich geprägt, dass die jährlichen Besucherzahlen die Einwohnerzahl des Ortes um ein Mehrfaches übersteigen. Über die SchulKinoWochen hinaus bieten viele Kinos, die für ihre Programmkinoarbeit bereits ausgezeichnet wurden, eigene Schulvorstellungen über das Jahr hinweg an und einige leisten sich sogar zusätzlich ein eigenes Kinderfilm(-vermittlungs-)programm. Wenn es also (noch) ein Kino im näheren Umkreis gibt, sollte man unbedingt Kontakt aufnehmen und erfragen, unter welchen Voraussetzungen das Kino einen bestimmten Film in einer schulischen oder außerschulischen Kinoveranstaltung zeigen kann.

SchulKinoWochen in Hessen (© Vision Kino)

Vision Kino

Das Kino kommt zum Publikum

Schwieriger ist es in Regionen, in denen es so gut wie gar keine Filmtheater mehr gibt, wie beispielsweise in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns und in großen Flächenländern wie Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Aber auch dort kann überwiegend nichtkommerziell ausgerichtete Filmbildung stattfinden, die manchmal nur mit Helfenden vor Ort begleitet wird, nicht selten aber auch mit Referenten und Referentinnen oder filmpädagogisch geschulten Fachkräften. Möglich ist dies dank mehrerer Initiativen und Vereine, die Abspielringe organisieren wie etwa der Filmclub Güstrow e.V. mit seinem Projekt "Dorfkino einfach machbar". An diesem Projekt kann sich im Prinzip jeder Verein, jedes Jugendzentrum, jede private und schulische Initiative in Mecklenburg-Vorpommern und inzwischen sogar weit darüber hinaus beteiligen. Alternativ kann man sich direkt oder über die jeweilige Gemeinde an sogenannte Mobile Kinos wenden, die in den alten Bundesländern teilweise schon seit Jahrzehnten erfolgreich arbeiten und die Kinotechnik (früher waren es 35 mm-Projektoren, heute sind es Beamer inklusive Tonanlage und Leinwand) mitsamt den langfristig vorab angekündigten und vom Veranstalter ausgewählten Filmen an nahezu jeden beliebigen Ort im Kleinbus mitbringen.

Seit 1992 bringt beispielsweise das Mobile Kino Niedersachsen der LAG Jugend & Film Niedersachsen e.V. Filme jenseits der Metropolen auf die große Leinwand. Und das Kinomobil Baden-Württemberg e.V., das seit 30 Jahren maßgeblich von der MFG Baden-Württemberg gefördert wird, fährt inzwischen zu jährlich 350 Vorstellungen in etwa 90 kinolosen Städten und Gemeinden vorwiegend in ländlichen Gebieten. Es erreicht in Bürgerhäusern und Jugendzentren, in Schulen und selbst in umgebauten Scheunen insgesamt etwa 30.000 Zuschauende jährlich. Auch das Mobile Kino e.V. in Nürnberg brachte 2018 mit 160 Veranstaltungen überwiegend in den Sommermonaten Kino in über 100 Städte und Gemeinden. Dabei beschränkt sich die Arbeit der genannten Initiativen meistens nicht auf das reine Abspielen von Filmen, sondern ist in filmpädagogisch strukturierte Angebote eingebettet – von Einführungen und Diskussionen bis hin zu Spielaktionen für die Kinder.

Filmangebot und Filmbeschaffung

Insbesondere in der nichtgewerblichen und außerschulischen Filmbildung stellt die Beschaffung geeigneter Filme manchmal das größte Problem dar, um Filmbildung auf dem Land zu ermöglichen. Das muss es aber nicht, zumal durch die fortschreitende Digitalisierung inzwischen neue Möglichkeiten der leichten und schnellen Filmbeschaffung und des nichtgewerblichen öffentlichen Abspiels oder Verleihs im Auf- und Ausbau sind. Die Möglichkeit, Filme mit Vorführlizenz orts- und zeitungebunden zu sehen, bieten inzwischen mehrere Institutionen und Mediatheken an.

Landesinstitute mit ihren Bildungsservern sowie regionale Medienzentren verfügen häufig über einen eigenen Filmbestand, der zunehmend auch digital abrufbar ist. Darüber hinaus bieten sie Fortbildungen, Filmveranstaltungen und regionale Filmtage für Heranwachsende an, wie das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) oder das LISUM in Berlin-Brandenburg. Hinzu kommen Filmfestivals für Kinder und Jugendliche wie das "Kinderfilmfest in Brandenburg" oder das vom Landesverband Rheinland organisierte Kinderfilmfest Düsseldorf.

Kinderfilmfest Brandenburg in Ludwigsfelde (© Stadt Ludwigsfelde)

Stadt Ludwigsfelde

Ein besonderes Gewicht fällt dem bereits erwähnten Bundesverband Jugend und Film e.V. (BJF) als Dachorganisation der nichtkommerziellen Filmclubs in Deutschland zu, der in seiner Clubfilmothek mehr als 500 Spiel-, Kurz- und Zum Inhalt: Dokumentarfilme für Kinder und Jugendliche beziehungsweise für die nichtkommerzielle Filmarbeit bereithält. Selbstverständlich dürfen diese Filme nicht zu kommerziellen Zwecken ausgewertet werden, auch bei der Werbung für die Veranstaltung gibt es Einschränkungen (siehe Verleihbedingungen des BJF). Neben Klassikern wie "Die Vorstadtkrokodile" (1977) oder Zum Filmarchiv: "Billy Elliot – I will dance" (2000) hat der BJF auch aktuelle Filmproduktionen wie etwa Zum Filmarchiv: "Bohemian Rhaposdy" (2018) oder (2018) im Verleihangebot. Jeder kann dort gegen einen moderaten Jahresbeitrag Mitglied werden: Schulen, Verbände, Jugendtreffs und sogar Einzelpersonen. Das Ausleihen eines Films auf DVD, Blu-ray oder online erfolgt über eine Gebühr, die weit unter der liegt, die kommerziell betriebene Kinos an den Verleih zahlen müssen. 140 Filme aus dem Gesamtangebot sind für Mitglieder bereits digital zum Download abrufbar und dieses Angebot wird weiter ausgebaut.

Zu den Mitgliedern des Verbands zählt beispielsweise das Kinder- und Familienkino des Landratsamts Berchtesgaden, das 13 Spielorte in sieben umliegenden Gemeinden einschließlich zwei regulären Kinos anfährt und 2019 sein 25-jähriges Jubiläum feiert. Die Flyer zum monatlich wechselnden Programm werden auch an den Schulen des Landkreises verteilt. Pro Film werden auf diese Weise 200 bis 500 Kinder erreicht, durchschnittlich also 30 Kinder pro Vorstellung. Die Filmfabrik Helmbrechts in Oberfranken ist dagegen ein Beispiel für die zunehmende Partizipation junger Menschen an der Organisation und Programmgestaltung von Filmen. Jugendliche haben in einer stillgelegten Fabrik mit Unterstützung des Landratsamtes Hof in Eigenregie einen Kinoraum hergerichtet und ihn mit Stühlen aus einem alten Kino in Kirchenlamitz bestückt.

Darüber hinaus ist der BJF mit seinem Projekt "Movies in Motion" auch Bündnispartner des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Programms "Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung" mit außerschulischen Projekten der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche aus bildungsbenachteiligten Milieus. In der aktuellen Förderphase seit Anfang 2018 wurden bereits 107 Projekte bewilligt, 91 davon ganz oder vorwiegend im Bereich "Filme drehen", also in der filmpraktischen Filmbildung, auch wenn insgesamt nur 15 von ihnen in Kleinstädten und zwei Projekte auf dem Land stattfinden.

Materialien für die Filmarbeit

Auf kinofenster.de, dem Filmbildungsportal der Bundeszentrale für politische Bildung, ist eine Fülle von Begleitmaterialien zu finden, die Filme mit Lehrplanbezug aufbereiten und Lehrende und andere Interessierte mit Unterrichtsmaterialien bei der Filmvermittlung unterstützen. Solche Begleitmaterialien, die zum selbstverständlichen Bestandteil der Filmbildung geworden sind, werden unter anderen vom Institut für Kino und Filmkultur (IKF), von Vision Kino, dem BJF, Matthias-Film, dem EZEF oder auch von den Verleihern selbst herausgegeben.

Filmbildung im ländlichen Raum, das zeigen die Beispiele, ist keine Ausnahmeerscheinung. Sie findet dank zahlreicher Initiativen, Vereine und kommunaler Stellen fast überall statt, wenn auch häufig eher im außerschulischen und nichtkommerziellen Rahmen als in der schulischen Bildungsarbeit und in den Kinos. In der flächendeckenden Vielfalt, im Umfang des Angebots und bei den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln besteht freilich noch viel Luft nach oben. Vor allem jedoch ist der Mut gefragt, selbst aktiv zu werden, sei es als Veranstaltende oder als Nutzende dieser Angebote.

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