Kategorie: Hintergrund
Sequenzanalyse
Dramaturgischer Höhepunkt von Und dann der Regen – También la lluvia
Die filmsprachliche Analyse des Höhepunkts zeigt, wie die Filmemacher Elemente des Spannungskinos nutzen, um ihr politisches Anliegen zu verdeutlichen.
Zum Filmarchiv: "Und dann der Regen – También la lluvia" (Icíar Bollaín, Spanien, Frankreich, Mexiko 2010) ist ein Beispiel dafür, dass Sozialkritik, präzise entwickelte Charaktere und packende Unterhaltung im Kino keine Gegensätze sein müssen. Eine Analyse des dramatischen Höhepunkts veranschaulicht, wie intelligent Regisseurin Icíar Bollaín und Drehbuchautor Zum Inhalt: "Viele, die auf der Leinwand gegen die Wasserprivatisierung kämpfen, haben dies zuvor auch im echten Leben getan."Paul Laverty Elemente des Spannungskinos nutzen und variieren, um Interesse für ihr Anliegen zu wecken.
Zwei Erzählstränge
Die neunminütige Sequenz beginnt 16 Minuten vor dem Abspann – ein gängiger Zeitpunkt, um den Spannungshöhepunkt einzuleiten. Die Filmemacher/innen wählen dafür ein bewährtes Mittel: Sie trennen die Handlung in zwei Erzählstränge, die sie (zunächst) parallel führen. Basis der Zum Inhalt: Parallelmontage ist die Szene, in der sich Costa entscheidet, das Team, das an einen sicheren Drehort fahren will, nicht zu begleiten und stattdessen Daniels Frau Teresa zu helfen: Deren Tochter Belén, die beim Film als Darstellerin mitgewirkt hat, ist im Stadtzentrum lebensgefährlich verwundet worden und muss in ein Hospital gebracht werden. Die Sequenz startet aus dem Zum Inhalt: Blickwinkel Sebastiáns, der beobachtet, wie Costa mit Teresa davonfährt. Ein Bild, das die ungewöhnliche Ausrichtung der Zum Inhalt: Parallelmontage quasi vorweg nimmt: Denn während die Konvention eine finale Vereinigung der Handlungsstränge vorsieht (und ein Happy End), geschieht in Zum Filmarchiv: "Und dann der Regen" das Gegenteil: In der Sequenz entfernen sich Costa und Sebastián zusehends voneinander, was die Befürchtung eines "Unhappy Ends" weckt - und zugleich die konträren Ansichten der Protagonisten versinnbildlicht.
Ins Zentrum des Konflikts
Sowie das Auto aus Sebastiáns Blickfeld verschwindet, nimmt die Kamera Costa und Teresa in den Fokus: Zum Inhalt: Großaufnahmen ihrer Gesichter wechseln mit dem Blick durch die Frontscheibe des schnell fahrenden Fahrzeugs – eine Einstellung, die – Zum Inhalt: musikalisch untermalt durch dynamische Streicher – einen starken Sog entwickelt und im weiteren Verlauf wiederholt aufgegriffen wird. Die Sequenz vermittelt den dramatischen Eindruck, dass sich Costa und Teresa unaufhaltsam dem Ort der Konfrontation nähern. Obwohl die Zwei einzeln gezeigt werden, verschmilzt ihre Perspektive im von der Rückbank gefilmten Blick in die enge Straßenflucht: Sie haben ein gemeinsames Ziel – doch wird es sich nicht auf direktem Wege erreichen lassen. Als sie erste Demonstrierende passieren, leitet Teresa Costa auf eine Nebenstrecke um. Die Kamera fängt den Moment in einer Zum Inhalt: Totalen ein, um dann unerwartet zu einer Zum Inhalt: Supertotalen zu wechseln. Inmitten des Stadtpanoramas wirkt das Fahrzeug verschwindend klein, was ein Gefühl von Verlorenheit vermittelt und erahnen lässt, dass Costa eine gewaltige Mission bevorsteht.
Flucht aus der Stadt
Als das Auto aus dem Bild fährt, springt die Handlung zur Filmcrew, deren Wagenkolonne in entgegen gesetzter Richtung über eine Landstraße rollt. In einem der Kleinbusse sitzt Sebastián mit engsten Mitarbeitern/innen. Im Radio verfolgen sie einen Live-Bericht über die sich zuspitzende Lage in der Stadt. Dabei baut sich durch die Diskrepanz zwischen der erregten Stimme des Reporters und dem ruhigen Rhythmus der Zum Inhalt: Nah- und Großaufnahmen, die das starre Entsetzen des Filmteams einfängt, eine enorme Spannung auf. Die wachsende Entfernung zwischen Crew und Costa, der dem Brennpunkt entgegenfährt, wird geradezu schmerzhaft vermittelt, so dass es beinahe zwangsläufig wirkt, als Sebastián zum Handy greift, um die Distanz zu überwinden – vergeblich.
Spannungsaufbau
Die Inszenierung der nach innen oder auf die Personen gerichteten Blicke springt ins Auge. Niemand im Bus scheint die Umgebung, die sich durch die Fenster abzeichnet, zu registrieren. Während in den Köpfen der Crew offenbar "ein Film" abläuft, wird Costa zur gleichen Zeit mit dem Geschehen in Cochabamba konfrontiert. Die Kamera rückt ihn stärker in den Mittelpunkt, übernimmt häufig seinen Zum Inhalt: Blickwinkel, zeigt, wie er sichtlich beeindruckt beobachtet, dass immer mehr Menschen ins Stadtzentrum eilen. Die Zum Inhalt: Parallelführung der beiden Handlungsstränge führt eine klassische Suspense-Situation herbei, die durch die Zum Inhalt: Filmmusik zusätzlich an Wirkung gewinnt. Während das Filmteam den dramatischen Schilderungen des Reporters lauscht, erschließt sich Costa das Ausmaß der Gefahr erst sukzessive. Die Crew (und damit auch das Filmpublikum) hat ihm gegenüber also einen Wissensvorsprung – ist jedoch unfähig einzugreifen. Als der Radioempfang zusammenbricht, herrscht im Bus totale Hilflosigkeit.
Der Moment der Erkenntnis
Dann die überraschende Wendung: Eine Straßensperre bringt den Bus zum Stehen. Die Realität des Aufstands hat die Filmleute eingeholt. Mit dem Scheitern ihrer Flucht verstummt auch die Zum Inhalt: Filmmusik, und die Zum Inhalt: Parallelmontage bricht ab. Was der Crew widerfährt, bleibt vorerst ungewiss, denn der Film folgt nun Costa und Teresa, die sich den Weg durch das lärmende Chaos bahnen. Unversehens setzt eine ruhige, fast melancholische Zum Inhalt: Musik ein. Wieder liegt der Fokus auf Costa, übernimmt der Film seinen Blickwinkel: In Zum Inhalt: Zeitlupe ziehen die Aufständischen an ihm vorbei. Es ist der Moment, der Costas inneren Wandel vollendet: Die Verlangsamung stellt einen formalen Bezug zu jener Szene her, als Daniel am Set verhaftet wurde und die Kamera aus Zum Inhalt: Costas Perspektive und in Zum Inhalt: Zeitlupe zeigte, wie die anderen indigenen Statisten/innen ihm zur Hilfe eilen. So liegt nahe, dass Costa in den Aufständischen die unterdrückten Indigenas seines Kolumbus-Films wiedererkennt – und die Notwendigkeit der Revolte begreift. Ein weiteres Déjà-vu unterstreicht dies, als der Film wieder Normaltempo annimmt und auch die Zum Inhalt: Musik an Dynamik gewinnt: Costa sieht Polizisten, die wie zuvor die Konquistadoren, Flüchtende mit Hunden hetzen.
Ein halbes Happy End
Der dramaturgischen Logik folgend erlangt Costa mit seinem Erkenntnisgewinn seine Handlungssicherheit zurück. Als Teresa und er zwischen die Fronten von Armee und Aufständischen geraten, eine kurze Zuspitzung, die wie in Action-Sequenzen üblich mit einer erhöhten Zum Inhalt: Schnittfrequenz einhergeht, agiert er zielstrebig und avanciert zum Helden. Damit beruhigt sich die Sequenz. Teresa und Costa finden Belén. Es folgt die Variation eines typischen Happy Ends, der Wiedervereinigung der Familie: Costa hat sich als tapfer und verantwortungsvoll erwiesen, er darf (kurzzeitig) in die Rolle eines Ersatzvaters schlüpfen. Nun wird auch das Schicksal der Crew aufgelöst, die an der Straßensperre mit der Brutalität des Konflikts konfrontiert wird. Die Filmleute müssen mit ansehen, wie ein Soldat einem Gefangenen das Gewehr ins Genick stößt. Bis auf Sebastián und den Kolumbus-Darsteller Antón brechen daraufhin alle fluchtartig zum Flughafen auf. Antón, der während des Films den Idealismus seiner Kollegen/innen stets mit hellsichtigem Zynismus als Pose entlarvte, beweist nun Mut. Er geht zum Verletzten und reicht ihm Wasser. Sebastián beobachtet die Geste wie gewohnt aus der Distanz. Immerhin: Ein leises Lächeln lässt hoffen, dass auch er begriffen hat.