Sebastian Schipper, 1968 in Hannover geboren, ist Schauspieler, Produzent und Regisseur. Nach seinem Abitur studierte er von 1992 bis 1995 an der Münchener Otto Falckenberg Schule Schauspiel und übernahm Theater- und Filmrollen, etwa in "Kleine Haie" (DE 1992), "Der englische Patient" ("The English Patient" , Anthony Minghella, GB/USA 1998), "Die Nacht singt ihre Lieder" (Romuald Karmakar, DE 2004) oder "Drei" (Tom Tykwer, DE 2010).

1999 debütierte er als Regisseur mit seinem Film "Absolute Giganten" . Der Film erzählt von drei jungen Hamburgern, die das letzte Mal gemeinsam die Nacht durchmachen. Schipper erhielt dafür den Deutschen Filmpreis in Silber. Um das Thema Freundschaft ging es auch in dem Folgefilm E"in Freund von mir" (DE 2006) sowie in seiner vierten Regiearbeit Zum Filmarchiv: "Victoria" (DE 2015), der in einem einzigen Take gedreht wurde. Mit dem Zum Inhalt: Roadmovie Zum Filmarchiv: "Roads" (DE/FR 2019), der von der Reise zweier Jugendlicher erzählt, kommt nun Sebastian Schippers fünfter Film in die Kinos.

Im Video mit kinofenster.de spricht der Regisseur anhand von drei Zum Inhalt: Szenen über die Protagonisten seines Films, die Zum Inhalt: Inszenierung eines Drogenrauschs und die Dreharbeiten in der Nähe der Flüchtlingscamps von Calais.

Sebastian Schipper über seinen Film Roads, Video-Interview (Filmszenen: © Studiocanal GmbH)

Hier finden Sie das Video im Wortlaut:

Sebastian Schipper: "Hallo, ich bin Sebastian Schipper.Ich bin der Regisseur von Roads und tatsächlich auch der Produzent und Drehbuchautor, und wir gucken uns jetzt ein paar Szenen, genau genommen drei Szenenm von Rodds an und ich sage euch mal, was ich mir dabei gedacht habe. Die erste Szene ist die, wo Gyllen, 18-Jähriger aus London, der gerade das Wohnmobil seines Stiefvaters geklaut hat in Marokko, und William 18-Jähriger aus dem Kongo, sich – nicht das allererste Mal –begegnen, aber sich zusammen entscheiden, sich nicht nur auf die Reise zu machen, sondern die schier unüberwindbare Grenze von Marokko nach Spanien zusammen zu überwinden, zu bewältigen. Das ist für den 18-jährigen weißen jungen Mann aus London, der natürlichen europäischen Pass hat, sehr viel einfacher als für den jungen Kongolesen."

Szene: William: "Also, was ist nun der Plan? … (unverständlich) … Das ist dein Plan? Mann, so erwischen sie dich, nehmen dein Auto und stecken mich ins Gefängnis." – Gyllen: "Willst du meinen Plan hören?"

Sebastian Schipper: "Hier schließen sie den Pakt, zusammen auf die Reise zu gehen, obwohl sie sich eigentlich überhaupt nicht kennen. Und warum sie einander trauen, ist wahrscheinlich – zum Teil – einer der großen Geheimnisse, warum wir mit einem Mal Leuten begegnen, die wir mögen, den wir trauen. Und zum anderen haben sie beide relativ handfeste Gründe."

Szene: William und Gyllen fahren im Auto durch eine Stadt in Marokko.

Sebastian Schipper: "Gyllen ist ein richtig beknackter, schlechter Autofahrer hat auch keinen Führerschein."

Szene, im Auto: Gyllen: "Stop! Der da!"

Sebastian Schipper: "Und William ist auf der Suche nach seinem Bruder, der irgendwo in Europa verschollen ist und das ist seine einzige Chance, es nach Spanien zu schaffen."

Szene, im Auto: William: "Findest du den vertrauenswürdig?" – Gyllen: "Nein, nein, tu ich nicht. Aber er sieht aus, als hätte er nichts zu tun, und vielleicht braucht er Geld und spricht meine Sprache. Ich rede mal mit ihm. Okay? Du wartest hier und wenn wir kommen, versteckst du dich im Bad." – William: "Okay." – Gyllen: "Ja, ich bin Gyllen, übrigens." – William: "William." – Sie geben sich die Hände.

Sebastian Schipper: "Also, die nächste Szene. Die beiden sind jetzt in Spanien angekommen und auch schon ein bisschen unterwegs gewesen. Ohne zu viel zu verraten, hat ihnen das Schicksal einen ziemlich dicken Klumpen Hasch in die Hände gespielt und sie haben sich darauf geeinigt, das auch mal auszuprobieren."

Szene: Gyllen und William sitzen sich im verrauchten Bus gegenüber. William: "Schließ die Augen. Wenn ich jetzt etwas sage, machst du sie auf. Okay?" – Gyllen: "Mhm." – William: "Hip-Hop-Star. Fußballspieler. Kindersoldat."

Sebastian Schipper: "Das basiert auch auf einem Kiffer-Spiel. das ich kenne: Man schließt die Augen und der andere sagt praktisch, ohne jetzt zu viel vorwegzunehmen: Ich bin der. Ich bin jener. Ich bin Drogenhändler. Ich bin Polizist. Ich bin auf der Flucht. Ich bin der Kaiser von China. Das sind alles nicht die Zitate direkt aus dem Film, aber im Prinzip funktioniert so das Spiel."

Szene: Gyllen: "Weltklasse-Dartspieler. Weißer Rassist. Jüngster Magier in Las Vegas. Sohn von Jean Claude van Damme." – Willam, lachend: "Du kannst nicht der Sohn von Jean Claude von Damme sein!" Beide lachen.

Sebastian Schipper: "Gleichzeitig kann man sagen, dass so eben auch Film funktioniert, weil Schnitte so funktioniere. Dass sich die Geschichte eigentlich dadurch ergibt. dass man verschiedene Bilder hintereinander montiert und dadurch überhaupt erst der Sinn entsteht. Also, das ist auf der einen Seite ein filmisches Statement und auf der anderen Seite auch einfach ein Kiffer-Spiel. Interessant dabei ist, dass wir – aus natürlich legal Beweggründen, aber auch weil die Schauspieler dann praktisch nach kurzer Zeit zu nichts mehr zu gebrauchen wären – natürlich nicht das ganze Wohnmobilunter Haschischrauch setzen konnten."

Szene: Nachts, Gyllen und William gehen zusammen an den Strand.

Sebastian Schipper: "Wir sehen jetzt hier weiter. Jetzt latschen sie zum Strand und haben da ihre Taschenlampen auf dem Kopf, weil sie bekifft es mit einem Mal eine gute Idee fanden, Schwimmen zu gehen. Dort treffen sie auf eine Gruppe von Spaniern – diese Szene spielt mittlerweile in Spanien. Wir haben übrigens auch in Spanien gedreht, weil wir den ganzen Film … wir haben Marokko angefangen, dann sind wir nach Südspanien gegangen, dann nach Nordspanien, dann nach Frankreich und nach Nordfrankreich. Und wir sind mit unserem Filmteam eigentlich die ganze Zeit unterwegs gewesen, entlang dieser Route, chronologisch diesen Film zu drehen."

Szene: William, Gyllen und die Leute vom Strand feiern im verrauchten Wohnmobil.

Sebastian Schipper: "Man hat in dem Ding eigentlich keine Luft mehr gekriegt. Wie ich das hingebekommen haben … also, da sieht man diese Schwaden durchziehen. Das hat gestunken und es war heiß und ich weiß nur, dass der Matteom unser Kameramann, der mit denen da drinne war, der ist irgendwie über zwei Meter groß, der hat mir nachher gesagt, keiner wollte der sein, der sagt. Ich kann nicht mehr. Also weder die jungen Schauspieler noch meine beiden Hauptdarsteller noch er wollten irgendwie in diesem bestialischen Gestank derjenige sein, der sagt: Ich kann nicht mehr! Ich brauche frische Luft! Aber so ist diese Szene zustande gekommen."

Sebastian Schipper: "Also, Szene drei. Wir sind mittlerweile im Norden von Frankreich angekommen. Das ist das Ziel von William aus dem Kongo gewesen, der auf der Suche nach seinem Bruder ist, und das schauen wir uns jetzt mal zusammen an."

Szene: Bilder von vielen Männern, die warm angezogen sind, und sich bei einem kleinen Lieferwagen mit Hilfsgütern versammeln.

Sebastian Schipper: "Ja, so sieht das da aus, in Calais im Norden von Frankreich. Die Flüchtlinge, die Migranten, die Flüchtigen, die darauf hoffen, es nach England zu schaffen. Und hier sieht man William seinen Bruder suchen. Das letzte Mal, wo er von ihm gehört hat, halt aus Calais von ihm gehört har. Die ganzen Migranten, die wir hier sehen, sind alle tatsächlich Komparsen aus Paris. Weil, so absurd und bescheuert das ist, konnten wir die Migranten, die wirklich in Calais darauf hoffen, es nach England zu schaffen, nicht anstellen, weil sie halt keinen offiziellen Status haben. Und nicht nur das, auch die Bürgermeisterin von Calais, wo diese Szenen eigentlich spielen, hat uns keine Drehgenehmigung gegeben. Deswegen haben wir das hier alles in Dünkirchen gedreht."

Szene: Gyllen und William gehen zu einem Lastwagen, aus dem Helfer gerade Essen heraustragen.

Sebastian Schipper: "Die Helfer, die wir in diesen Szenen sehen, sind jedoch die echten Freiwilligen oder sind alles echte Freiwillige, die nach Calais gefahren sind, um zu helfen, um diese Menschen mit dem Notwendigsten zu versorgen, mit Essen, mit Kleidung und mit der Chance, halbwegs trocken und warm schlafen zu können."

Szene: Junge Frau: "Wir fahren danach zur Kongo-Verteilungsstelle. Ihr solltet dahin gehen wenn, ihr seinen Bruder sucht."

Sebastian Schipper: "Hier, zum Beispiel: Gabi ist aus Brasilien. Sie improvisiert diese Szene im Prinzip, also, das Gespräch mit Gyllen, dem jungen Londoner, da erzählt sie ihm einfach, wie es so läuft in Calais, und das erzählt sie tatsächlich aus eigener Erfahrung. Davon war ich sehr beeindruckt, von diesen jungen Helfern, die aus allen Teilen Europas und, wie man im Fall von Gabi sieht, sogar aus Brasilien nach Calais fahren, um zu helfen. Das hat mich sehr, sehr beeindruckt. – Das waren die drei Szenen von Roads. Ich hoffe, ich habe nicht zu viel verraten und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr euch den Film anschaut. Für mich war … es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht – und es war irgendwie bedeutsam. Das ist vielleicht so ein Wort, für mich auf diese Reise zu machen und diesen ganzen Leuten zu begegnen. Vielen Dank."

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