In der DDR, die sehr begrenzte Spielräume zuließ, formierte sich eine Künstlerszene abseits des "offiziellen" Kulturbetriebs. Rebellisch, antiautoritär und nach Freiheit strebend, gerieten kritische Kulturschaffende oft ins Visier der Staatssicherheit. Einschüchterungen, Überwachungen, Verhaftungen, Berufsverbote, Ausbürgerungen – der Staat griff ein und durch. Vor diesem Hintergrund mag es für Filmschaffende verlockend sein, die DDR-Kulturszene auf einen Kampf zwischen Widerstands- und Auftragskunst im Dienst der Propaganda zu reduzieren: Vor allem Filme fürs Massenpublikum folgen häufig konventionellen Erzählmustern und zeichnen sich durch schematische Dramaturgie, stereotype Figuren sowie starke emotionale Wirkung aus. Doch diese Sichtweise wird den Realitäten des sozialistischen Staates und der Vielfalt, die seine Kulturszene prägte, nicht gerecht.

Fröhlichkeit und Leid – und 18 Jahre dazwischen

Dass gerade die Grautöne – zwischen Widerstand und Anpassung, Selbstverwirklichung und Kompromissen – dieses Thema so spannend machen, zeigte bereits 1988 der Zum Inhalt: Dokumentarfilm Zum Filmarchiv: "flüstern und SCHREIEN" (DDR 1988). Der Zum externen Inhalt: DEFA (öffnet im neuen Tab)-Regisseur Dieter Schumann taucht in die Underground-Rockszene der DDR der 1980er-Jahre ein und somit in die Lebenswelt jener "schrägen Gestalten, die bis dato nie in der Öffentlichkeit präsentiert wurden" (Schumann im Gespräch mit Raphael Jung, 2018). Der Film zeigt Jugendliche, die "geliebt, gelebt, Widerstand geleistet haben, sich auch angepasst haben", die die Kunst der Verschlüsselung beherrschten, mit Andeutungen, feiner Doppelbödigkeit und Fröhlichkeit, die sie vor Angriffen aus dem Staatsapparat schützten.

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Zwar brachte "flüstern und SCHREIEN" der nonkonformen Musik aus der DDR über die Grenzen hinweg Aufmerksamkeit, ein großes internationales Massenpublikum erreichte jedoch erst 18 Jahre später Florian Henkel von Donnersmarck, Absolvent der Münchner Filmhochschule. Sein Spielfilm Zum Filmarchiv: "Das Leben der Anderen" (DE 2006) rückte spätestens seit dem Oscar®-Erfolg ins Zentrum des öffentlichen Interesses und prägte zweifellos die kollektiven Vorstellungen vom Leben in der "zweiten deutschen Diktatur" maßgeblich mit. Das Drama avancierte zu dem Film über die Gesellschaft und die Kunstszene in der DDR und ist auch heute noch ein wichtiger Referenzpunkt. "Das Leben der Anderen" erzählt die Geschichte eines Stasi-Hauptmannes, der 1984 ein Künstlerpaar abhören soll: einen erfolgreichen Dramatiker und seine Lebensgefährtin, einen Theaterstar. Der Konflikt zwischen dem System und den Künstler/-innen zeigt sich dabei neben der narrativen Ebene auch beispielsweise in der Zum Inhalt: Farbgestaltung: Während in der Darstellung der Stasi-Räume Grau und Grün dominieren, erscheinen die Wohnung und die Kleidung (Glossar: Zum Inhalt: Kostüm/Kostümbild) der Künstler/-innen im anziehend warmen Pastell-Braun. Im Filmentstehungsprozess bat der Regisseur, der selbst keine DDR-Erfahrung besaß, den Schriftsteller Christoph Hein, über sein Leben als Dramaturg in der DDR zu erzählen. Ein "bunt durcheinandergemischter Unsinn", "ein Gruselmärchen" – nach der Premiere warf Hein dem Film eine realitätsferne Schwarz-Weiß-Malerei fürs Massenpublikum vor. "Mein Leben verlief völlig anders."

Die DDR durch das Prisma der Einzelschicksale

Jahrelang fanden persönliche Erfahrungen wie die Christoph Heins im Kino wenig Gehör: Das Bild des sozialistischen "Unrechtsstaates DDR" mit flächendeckender Überwachung der Bürger/-innen, Repression gegen Andersdenkende und Mangelwirtschaft bestimmte die filmische Rückschau. Erst in den letzten Jahren lässt sich eine Verschiebung im Diskurs beobachten: Immer mehr – vor allem ostdeutsche – Filmschaffende versuchen Ambivalenzen zu setzen, die im westlich bestimmten Geschichtsbild ausgespart blieben. Denn häufig waren die Grenzen sehr verschwommen, auch in der Kunstszene.

Spiel- und Dokumentarfilme betrachten die DDR-Vergangenheit seither zunehmend durch das Prisma der einzelnen, widersprüchlichen Künstlerbiografien: die des Lyrikers Sascha Anderson ("Anderson" , Annekatrin Hendel, DE 2014), des Liedermachers Gerhard Gundermann (Zum Filmarchiv: "Gundermann", Andreas Dresen, DE 2018), des Schriftstellers Thomas Brasch (Zum Filmarchiv: "Lieber Thomas", Andreas Kleinert, DE 2021) oder auch der Lyrikerin und Liedermacherin Bettina Wegner (Zum Filmarchiv: "Bettina", Lutz Pehnert, DE 2022). Ein weiteres aktuelles Beispiel ist Pamela Meyer-Arndts dokumentarischer Porträtfilm "Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR." (DE 2022) über die Underground-Foto- und Performance-Künstlerinnen Gabriele Stötzer, Cornelia Schleime und Tina Bara.

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"Rebellinnen" erzählt vom Leben, Leiden und Schaffen von drei unangepassten Künstlerinnen in der DDR der 1970er- und 1980er-Jahre. Meyer-Arndt lässt ihre Protagonistinnen und deren Werke dabei für sich selbst sprechen. So kommt etwa in den Bildern von Gabriele Stötzer das Gefühl, "total geknebelt" zu sein, eindrucksvoll zum Ausdruck. Der Film thematisiert vor allem die Ungerechtigkeit, die Künstlerinnen und Künstlern der alternativen DDR-Kunstszene widerfahren ist: Verhöre, Gefängnis, Beleidigungen und Schikanen, Ausstellungs- und Auftrittsverbote. Im Fokus steht der eskalierende Konflikt mit dem Staat: "Die meisten wollten weg und saßen auf gepackten Koffern."

Zwischentöne und innere Widersprüche

Filme über das Leben derer, die trotz allem in der DDR leben und arbeiten wollten, interessieren sich tendenziell mehr für Zwischentöne und innere Widersprüche. In Andreas Kleinerts in vitalen Schwarz-Weiß-Bildern gedrehtem Zum Inhalt: Spielfilm "Lieber Thomas" erscheint die DDR gar, so Filmhistoriker Andreas Kötzing, als "ein widersprüchlicher Raum, der eine Reibungsfläche bietet, die für Künstler wie Brasch wahrscheinlich genau der einzige Ort war, wo sie kreativ und intensiv arbeiten konnten." "Bettina" von Lutz Pehnert portraitiert eine Künstlerin, die, nach eigenem Bekenntnis, "eine kritische Sozialistin [war], die in der DDR leben will, trotz mancher Enttäuschung." Ihr Lebensweg von einer Stalin-Verehrerin und Idealistin hin zur ausgebürgerten Kritikerin der (Kultur-)Politik der SED zeigt: Es gibt nicht nur Opportunismus und Widerstand, sondern einen Freigeist, der stets an die Grenzen stößt und nach Ausdrucksformen sucht.

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Dass der freie Mensch sich seine Freiheit von niemandem wegnehmen lässt, ist eine der zentralen Botschaften von Zum Filmarchiv: "In einem Land, das es nicht mehr gibt" (Aelrun Goette, DE 2022). "Entweder du bist frei – und du bist es überall. Oder du bist es nicht. Dann wird es auch im Westen nichts", sagt Rudi, der extravagante schwule Modedesigner und Visagist.

Die filmischen Herangehensweisen zur subversiven DDR-Kunst sind so vielfältig wie die Kunstszene selbst. Die Welten der Literatur, des Theaters und der Musik, der Malerei, der Mode und der Fotografie werden als Spielfilme, Serien oder Dokumentationen inszeniert. In den Vordergrund rückt dabei überwiegend der Konflikt zwischen Jungen, Wilden und Kreativen und dem repressiven Staat, der keine Nonkonformität duldet und versucht, den Freigeist zu zähmen, – ein Konflikt, der sich nicht nur auf der Ebene der Narration und der Charaktere zeigt, sondern auch in der Filmästhetik. In den letzten Jahren versuchen Filmemacher/-innen verstärkt, über die Geschichten von Kunstschaffenden die Widersprüchlichkeit und Vielschichtigkeit der sozialistischen Gesellschaft zu zeigen. Ohne den diktatorischen Charakter der SED-Führung zu nivellieren und das Unrecht zu bagatellisieren, interessieren sie sich für Widersprüche, Frei- und Spielräume und spüren der Sehnsucht nach künstlerischer Freiheit und der Lust am Konventionsbruch nach.

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