Bettina Wegner war Ende der 1970er-Jahre die bekannteste systemkritische Liedermacherin der DDR. Bis zu ihrer unfreiwilligen Ausreise in die Bundesrepublik 1983 machte sie eine starke Entwicklung durch: von der systemkonformen FDJ-Singeklub-Bewegung bis zur politisch-kulturellen Opposition. 1947 in West-Berlin als Kind von Kommunisten geboren, wuchs sie im östlichen Stadtteil Pankow auf. Bis in ihre frühe Jugend hinein war sie überzeugt von den propagierten Idealen der jungen DDR. Nachdem im August 1968 die Panzer des Warschauer Pakts in Prag den Traum eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" beendet hatten, protestierte sie gegen den Einmarsch mit einer Flugblattaktion. Obwohl der Staat der jungen Mutter wegen "staatsfeindlicher Hetze" den Prozess machte, fürchtete die Künstlerin danach – im Gegensatz zu anderen Menschen in ihrem Umfeld – die Konfrontation mit dem System nicht: Mit unbequemen Fragen und Liedern eckte sie an. Lange Zeit konnte sie nur in Kirchen oder im privaten Raum auftreten. Ihre Karriere als Liedermacherin setzte sie nach ihrer Ausbürgerung fort, doch das Gefühl einer Entwurzelung hat sie nach eigenen Worten nie verlassen.

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"Bettina" macht die Verknüpfung eines widerständigen Einzelschicksals mit zeitgeschichtlichen Vorgängen nachvollziehbar. Regisseur Lutz Pehnert gelingt es, große Nähe zu seiner Protagonistin herzustellen, die er kurz nach dem Mauerfall kennengelernt hat. In merklich entspannter Atmosphäre erinnert sich Bettina Wegner an zahlreiche Details aus ihrem bewegten Leben, ohne sich dabei im Anekdotischen zu verlieren. So wird sie zur Erzählerin ihrer eigenen Geschichte. Zum anderen schöpft der Film effektiv aus sorgfältig recherchierten Quellen. Die Zum Inhalt: Montage aus Archivmaterial, darunter Ton-Mitschnitte der Gerichtsverhandlung, sowie aus Texten, Zum Inhalt: Musik und gegenwärtigen Aufnahmen trägt den Film. Auf einordnende Kommentare (Glossar: Zum Inhalt: Voiceover) wird verzichtet; eingeblendete, persönliche "Gebote" der Künstlerin – etwa "Hoffnung haben beim Ertrinken" oder "Aufrecht stehen, wenn andere sitzen" – verleihen dem Film eine lose Struktur (Glossar: Zum Inhalt: Insert).

"Bettina" eignet sich besonders für den Ethik- und Religionsunterricht, da nachvollziehbar wird, wie ein Unrechtssystem wie das der DDR in eine Biografie eingreift, um Abweichungen von der Staatsdoktrin zu unterbinden. Gleichzeitig wird am Beispiel von Bettina Wegner die Kraft von Zivilcourage deutlich. Ihr Widerstandsgeist wird nie als historisches Phänomen verhandelt. Die Entscheidungen, vor denen sie als junge Frau stand, sind wie die sich daraus ergebenden Fragen gegenwärtig. An welchem Punkt muss ich mich wehren? Welchen Einfluss haben gesellschaftliche Faktoren auf künstlerische Kreativität? Wie beeinflussen sich individueller Glücksanspruch und gesellschaftliche Zwänge? Wie wirkt sich der Verlust von Heimat aus? Diese Fragen können im Deutsch- und Musikunterricht auch anhand einer Analyse von Wegners Liedern behandelt werden. Weiter lässt sich hinterfragen, inwiefern die überlieferten Kunstwerke aus der DDR und konkret die Lieder von Bettina Wegner immer noch einen allgemeingültigen Kern und damit Belang haben. Für den Geschichtsunterricht liefert "Bettina" weitere Anknüpfungspunkte: Im Vergleich zum Spielfilm Zum Filmarchiv: "Lieber Thomas" – zu dem direkte Bezüge vorliegen – lässt sich diskutieren, welche Vor- und Nachteile jeweils fiktionale und dokumentarische Formate (Glossar: Zum Inhalt: Dokumentarfilm) für eine Beschäftigung mit Zeitgeschichte mit sich bringen.

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