In Paweł Pawlikowskis stillem Zum Inhalt: Schwarz-Weiß-Film Zum Filmarchiv: "Ida" (Polen 2013) lernen wir eine junge Frau namens Anna kennen, die in den frühen 1960er-Jahren in dem traditionell katholischen Polen ihr ewiges Gelübde als Nonne ablegen will. Doch zuvor soll Anna nach dem Willen der Äbtissin ihre letzte lebende Verwandte aufsuchen, eine Schwester ihrer verstorbenen Mutter. Erst durch die Tante erfährt sie, dass ihr eigentlicher Name Ida ist und ihre Eltern Juden waren - und im Zweiten Weltkrieg gemeinsam ermordet wurden. Wird diese Erkenntnis ihre Entscheidung beeinflussen?

Renaissance religiöser Filme

"Kreuzweg" (Deutschland 2014)

Foto: Dietrich Brüggemann

In einer Zeit religiöser Zwanglosigkeit und schwindendem gesellschaftlichem Einfluss der Kirchen erscheint es zunächst erstaunlich, dass explizit Religion thematisierende Filme wie (Dietrich Brüggemann, Deutschland 2014), "Paradies: Glaube" (Ulrich Seidl, Österreich 2013) und "Die Nonne" (La religieuse, Guillaume Nicloux, Frankreich/Belgien 2013) eine Renaissance erfahren. Während diese jedoch die restriktive und lebensfeindliche Seite einer fundamentalistisch erscheinenden Konfession zeigen, steht "Ida" eher in der Tradition solcher Filme, die Religion als Form eines Glaubens darstellen, der nicht von dieser Welt, aber doch in ihr angesiedelt ist und eine durchaus positive Lebensmöglichkeit darstellt (, Philipp Gröning, Deutschland 2005, /Des hommes et des dieux, Xavier Beauvois, Frankreich 2010).

Glauben und Glaubenszweifel im "Nonnenfilm"

Allerdings werden auch in "Ida" religiöse Zweifel thematisiert. So ähnelt die Grundproblematik – Idas Wahl zwischen klösterlicher Askese und weltlicher Versuchung, personifiziert durch die lebenshungrige Wanda und einen jungen Jazz-Saxophonisten – der des klassischen "Nonnenfilms". In Fred Zinnemanns "Geschichte einer Nonne" (The Nun's Story, USA 1959) sieht sich Schwester Lukas, dargestellt von einer jungen Audrey Hepburn, dem Charme eines atheistischen Doktors ausgesetzt. Sie widersteht, doch das kirchliche Neutralitätsgebot kann sie in Zeiten des Zweiten Weltkriegs nicht mittragen. Anders als Ida legt sie die ikonische Nonnentracht nicht nur versuchsweise ab, sondern verlässt den Konvent. Ähnliche Konflikte durchleidet die von Deborah Kerr gespielte Schwester Clodagh in "Schwarze Narzisse" (Black Narcissus, Michael Powell, Emeric Pressburger, Großbritannien 1947). Eine Nebenfigur, die psychisch labile Schwester Ruth, für eine Szene im Liebeswahn Zum Inhalt: stark geschminkt, hat hier nahezu die Funktion von Wanda.

Ein Leben mit Jesus Christus?

Ida, Filmszene (© Arsenal Filmverleih)

Ästhetisch und auch geistig könnte "Ida" von diesen glamourösen Zum Inhalt: Technicolor-Träumen nicht weiter entfernt sein. Idas gleichmütiges Wesen widersteht Wandas Provokationen ("Was ist, wenn du da hingehst und entdeckst, es gibt keinen Gott?"), auch sieht sie sich in der Stille des Klosters keinen fundamentalen Zwängen ausgesetzt. Doch der Ruf der äußeren Welt verhallt auch bei ihr nicht ungehört. Das Bekenntnis zur Entsagung, zu einem abgeschiedenen Leben in Stille und Gebet, mit Jesus Christus als alleinigem Geliebten, wird jeder Nonne abverlangt und zwingt zur Entscheidung. Bin ich stark genug? Wird diese Hingabe an Gott dem Leben gerecht, auch und gerade dem Leben Jesu Christi? Dass diese Entscheidung jeden Tag von neuem zu treffen ist, haben Filme seit jeher reflektiert.

Der "transzendentale" Film: Stille und Konzentration

Zu anderen Filmen mit religiösem Inhalt steht "Ida" in einem komplexeren Verhältnis. In Abgrenzungen zu bombastischen Bibelverfilmungen etwa stellten vor allem italienische Filmemacher der Nachkriegsjahre die biblische Botschaft in den Mittelpunkt: Minimalistisches Schwarz-Weiß, der Verzicht auf Zum Inhalt: historische Kulissen und Zum Inhalt: kontemplative Stille machen das Vorbild der Heiligen ("Franziskus, der Gaukler Gottes" /Francesco, giullare di Dio, Roberto Rossellini, Italien 1949) oder die Rede Jesu Christi ("Das erste Evangelium Matthäus" /Il vangelo secondo Matteo, Pier Paolo Pasolini, Italien, Frankreich 1964) zur spirituellen Erfahrung. Das Kino selbst wird zum Ort der Kontemplation. Dieser "transzendentale" Stil, dem sich "Ida" nur bedingt zuordnen lässt, findet sich aber auch bei Ingmar Bergman ("Das siebente Siegel" /Det sjunde inseglet, Schweden 1957) oder Andrej Tarkowskij. Dessen Meisterwerk "Solaris" (Solyaris, Sowjetunion, 1972) handelt eigentlich von einer Weltraumexpedition, beschwört jedoch eine göttliche Aura und gemahnt so an die Grenzen des menschlichen Verstands.

Kontemplation und Ekstase: Die Filme von Carl Theodor Dreyer

"Die Passion der Jungfrau von Orléans" (Frankreich 1928)

Foto: StudioCanal

Als Vorbild für die visuelle Gestaltung von "Ida" nennt Regisseur Pawel Pawlikowski selbst die Filme von Carl Theodor Dreyer. Die Filme des dänischen Filmpioniers sind von Spiritualität durchdrungen, schildern den Menschen auf seiner Suche nach göttlichem Sinn, aber auch religiösen Wahn. Zwei Filme stehen dafür exemplarisch: In seinem Stummfilm "Die Passion der Jungfrau von Orléans" (La passion de Jeanne d'Arc, Frankreich 1928) zeigt er das Martyrium der Heiligen in Zum Inhalt: expressionistischen Großaufnahmen, als horrorartiges Seelengewitter. Mit dem Kreuz in der Hand geht die dornengekrönte Johanna den Kreuzweg Christi, dem Wahnsinn so nahe wie ihre Verfolger. Christliche Symbole stehen neben dem Folterwerkzeug der institutionalisierten Kirche. Wie ein Gegenentwurf wirkt "Das Wort" (Ordet, Dänemark, 1955). Ohne äußere Symbole, zugunsten noch größerer Innerlichkeit, drehte Dreyer den Film in – für sein Werk charakteristischeren Zum Inhalt: langen, kontemplativen Einstellungen. Eine dänische Familie zerbricht an den unterschiedlichen Glaubensvorstellungen ihrer Mitglieder; die vom Vater verkörperte Landeskirche bekämpft örtliche Sekten, der Sohn hält sich für Jesus Christus. Ein göttliches Wunder bewirkt die Versöhnung. Oder war es umgekehrt?

Der anwesende und abwesende Gott

In "Ida" gibt es keine Wunder. Die ermordeten Eltern werden nicht wieder auferstehen, wie die tote Mutter bei Dreyer. Es lässt sich darüber streiten, ob es sich überhaupt um einen religiösen oder spirituellen Film handelt. Doch gerade die Mischung aus traditionellen Darstellungen des Religiösen und einem der europäischen – auch polnischen – Nouvelle Vague entlehnten Alltagsrealismus wirkt einzigartig. Der behutsame Umgang mit religiösen Symbolen, in neueren Filmen oft allzu plakativ verwendet, spiegelt den Geist des Films. Gott scheint hier jederzeit gleichzeitig anwesend und abwesend, ob im stillen Klosteralltag mit seinen Verrichtungen, beim sozialistischen Tanzvergnügen oder am Grab der Eltern, die starben, als Gott am fernsten war. Ida gibt ihnen, gemeinsam mit der ungläubigen Wanda, ihren Frieden und trifft ihre Entscheidung. Sie wirkt stark genug, dabei das für sie Richtige zu tun.

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Glaubensfragen: Der Junge Pi sieht sich zugleich als Hindu, Christ und Muslim. Seine Odyssee im Pazifik wird für ihn zu einer spirituellen Reise, bei der er sich mit seinem Glauben und mit seinem Platz in der Welt auseinandersetzt.