Der Fernsehkomiker Hape Kerkeling kann als Allround-Talent gelten. Seine millionenfach gesehen Sketche vereinen gekonnt Elemente von Parodie, Travestie, Persiflage, Dialektwitz und Zum Inhalt: Slapstick. In seiner intertextuellen Machart zielt das auf Kerkelings Kindheit basierende Zum Inhalt: Biopic Zum Filmarchiv: "Der Junge muss an die frische Luft" durchaus auf Wiedererkennungseffekte: Wenn der achtjährige Hans-Peter die Familie mit seinen kleinen Nummern erfreut, denkt das Kinopublikum seine späteren Kunstfiguren unwillkürlich mit. Insbesondere seine mit Zum Inhalt: Perücken und Stöckelschuhen vorgetragenen Frauentravestien erinnern an berühmte Auftritte, etwa als dänische Eheberaterin Evje van Dampen ("Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit"). Mit der Figur des Nachbarn in einer Schulaufführung erscheint gar eine Frühform des "rasenden Reporters" Horst Schlämmer. Der parodistische Effekt beruht stets auf demselben Prinzip: Ein kleiner Junge imitiert mit seinen Mitteln der Verstellung eine ältere Frau beziehungsweise einen älteren Mann.

Der Junge muss an die frische Luft, Szene (© Warner Bros.)

Caroline Links Film ist keine Komödie, sondern widmet sich weitgehend den tragischen Aspekten von Kerkelings Kindheit. Im Zum Inhalt: Sub-Genre der Komikerbiografie ist das nicht ungewöhnlich. Filme über Komiker und Komikerinnen – etwa "Lenny" (USA 1974), "The King of Comedy" (USA 1982) oder "Der Mondmann" (GB/D/JP/USA 1999) – sind selten komisch, sondern enthüllen im Gegenteil die oft bittere Wahrheit hinter dem Gelächter. Gerade deshalb sind Filme wie "Der Junge muss an die frische Luft" aber auch geeignet, Funktionsweisen des Komischen im Film tiefer zu ergründen.

Was ist Komik?

Nach der allgemeinsten Definition entsteht Komik, also der Anreiz zum Lachen, durch den Bruch mit Erwartungshaltungen sowie die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Als Auslöser gelten zum Beispiel Übertreibung und verfälschende Verkürzung oder Verwechslung, Zufall, die Entkoppelung von Ursache und Wirkung oder die berühmte Tücke des Objekts. Nach dem Philosophen Henri Bergson werden oft Situations- und Charakterkomik unterschieden, die sich beide durch ihre Mechanik auszeichnen. Ein Beispiel für Situationskomik wäre der "Running Gag", also das ständig wiederholte und jedes Mal variierte Eintreten desselben Ereignisses, etwa wenn der Butler im Sketch "Dinner for One" immer wieder über ein Tigerfell stolpert. Der mit äußerst begrenzten Wahrnehmungs- und Reaktionsmitteln ausgestattete Mr. Bean ist ein klassischer Fall der Charakterkomik. Im Gegensatz zu dieser "unfreiwilligen Komik" kann ein/e komische/r Held/-in aber auch jemand sein, der/die sich von komischen Figuren umringt sieht. Was wir als komisch wahrnehmen, ist allerdings stark von individuellen und gesellschaftlichen Faktoren abhängig. Nicht in jedem Land werden Humor und Komik gleich verstanden, entscheidend ist stets der Kontext.

Slapstick: Komik der Körper im Stummfilm

Im Bereich des Films kommen die verschiedenen Muster am klarsten in der frühen Zum Inhalt: Stummfilmkomödie zum Ausdruck. Der kunstvolle Slapstick von Charlie Chaplin (Zum Filmarchiv: "Goldrausch"), Buster Keaton ("Der General" , USA 1925) oder Laurel und Hardy (Zum Filmarchiv: "Laurel & Hardy: Der beleidigte Bläser") ergibt sich aus dem variantenreichen Zusammenspiel von Kamera, Zum Inhalt: Schnitt und Schauspiel. Im stummen, das heißt international verständlichen Slapstick wird das Körperliche betont, die Einfühlung in die Figuren auf ein Minimum reduziert. Die Charaktere agieren als Typen, wie der arme Tramp oder der glücklose Liebhaber, die aus ihren Rollen nicht herauskommen und durch ihr unangepasstes Verhalten stets in aussichtslosen Situationen landen. Ihre idealistische Verkennung der Realität birgt auch das anarchische Potenzial dieser Filme. Von Autorenkomikern wie Jacques Tati, Jerry Lewis und Woody Allen wurde die Tradition später fortgeführt. Auch die Gesichtsakrobatik eines Louis de Funès, die Actionkomödien eines Jackie Chan und die brachiale Körperkomik einer Melissa McCarthy lassen sich als Formen des Slapsticks begreifen.

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Satire, Persiflage, Travestie: Komik im Tonfilm

Mit dem Tonfilm allerdings wurde die Komik immer mehr aus der Narration heraus entwickelt, das Visuelle zurückgedrängt zugunsten von Handlung und witzigen Dialogen. Der sprachliche Aspekt begünstigte die Entstehung länderspezifischer Komik-Traditionen, meist jedoch nach dem Vorbild der weiterhin global erfolgreichen Hollywood-Komödie. Es entstanden die vielen Spielarten des Komischen, die wir heute kennen: Satire und Groteske, Persiflage und Parodie, kritische Gesellschaftskomödie und medienbewusster Nonsens à la Monty Python, später auch TV-spezifische serielle Formate wie die Sitcom. Charlie Chaplin, der in Zum Filmarchiv: "Moderne Zeiten" (1936) noch wortlos mit den Maschinen kämpfte, stammelte in der Hitler-Parodie Zum Filmarchiv: "Der große Diktator" (1940) brillanten Blödsinn. In den sogenannten Screwball-Komödien wie "Leoparden küsst man nicht" (USA 1938) wurden nicht nur die Worte, sondern auch Beziehungskonflikte und Geschlechterrollen durcheinandergewirbelt – eine Tradition, die in Travestie- und Verwechslungskomödien von "Manche mögen's heiß" (USA 1959) bis "Tootsie" (USA 1982) und "Mrs. Doubtfire" (USA 1993) lustvoll aufgegriffen wurde. Oft schlüpften dabei Männer in Frauenrollen. Nur selten, wie im deutschen Singspiel "Viktor und Viktoria" von 1933 und dem britisch-amerikanischen Zum Inhalt: Remake des Jahres 1982, nahmen Frauen den umgekehrten Weg.

Dafür war spätestens seit den 1960er-Jahren der Weg frei für gesellschaftskritische Auseinandersetzungen und Tabubrüche, sei es in Schwulenkomödien wie "Ein Käfig voller Narren" (F/I 1978) oder Kriegskomödien wie "MASH" (USA 1970), in Roberto Benignis umstrittener KZ-Tragikomödie Zum Filmarchiv: "Das Leben ist schön" (I 1997), in einer Farce über den Nahostkonflikt wie (D/F/BEL 2011) oder in der fast schon zum Subgenre gewordenen "Hitlerkomödie" (, Zum Filmarchiv: "Er ist wieder da"). In der Komödie scheint heute nahezu alles möglich: Die Filme des Zum Inhalt: Genres können subversiv sein oder moralisierend, kritisch, regressiv oder völlig sinnlos, sie können gesellschaftliche Normen und Normabweichungen grausam karikieren oder im Gegenteil auch zelebrieren.

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Blick hinter die Fassade des Spaßmachers

Der kleine Hans-Peter in "Der Junge muss an die frische Luft" ist ein Kind dieser komischen Traditionen. Mit dem Fernsehen aufgewachsen, engagiert Schlagerstars und TV-Komiker imitierend, scheint ihm das auch bewusst. Zugleich schöpft er, wie die anderen Großen des Fachs, aus dem eigenen Leben. Seine Parodien von Nachbarinnen und Nachbarn karikieren deren Spleens und Eitelkeiten, und halten damit der Erwachsenenwelt den Spiegel vor. Er tut dies zur Unterhaltung, aus Freude am karnevalistischen Spiel, aber auch um – mit gehöriger Selbstironie – eigene Schwächen wettzumachen. Statt wegen seines Übergewichts und seiner Unsportlichkeit ausgelacht zu werden, ist er lieber ein Komiker, der den slapstickhaften Aufstieg auf ein Pferd zur großen Show macht. So wird die vermeintliche Schwäche zum Trumpf im Kampf um Anerkennung und Aufmerksamkeit. Wie viel Schmerz hinter der Fassade des Spaßmachers steckt, brauchen die anderen nicht zu wissen. Es wird, mit allem verfügbaren Talent, überspielt, mit dem zumindest kurzzeitig entlastenden Effekt, in dem letztlich der Sinn aller Komik liegt. Wer spielt, kann das Leid eine Weile vergessen. Wer viel lacht, muss weniger weinen.

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