Eine Zum Inhalt: Adaption von Anne Franks Tagebuch bringt die schwierige Entscheidung mit sich, ob und wie ihr Schicksal in den deutschen Konzentrationslagern über ihre persönlichen Aufzeichnungen hinaus gezeigt werden soll. Hans Steinbichler, Regisseur von Zum Filmarchiv: "Das Tagebuch der Anne Frank", hat sich entschlossen, Anne Franks Erinnerungen eine letzte Szene hinzuzufügen, in der sie eine Häftlingsnummer erhält und ihr die Haare geschoren werden. Dabei blickt Hauptdarstellerin Lea van Acken frontal in die Kamera. Das Bild überschreitet eine Intimitätsgrenze und wirkt gerade dadurch besonders brutal. Das Tätowieren der Nummer und die gewaltsam entblößte Kopfhaut stehen symbolisch für den Prozess der Dehumanisierung im Lager. Diese wenigen Bilder reichen, um die Vorstellungskraft der Zuschauenden in Gang zu setzen.

Eine Annäherung an das Grauen

Seit es Filme über den Holocaust gibt, diskutieren Filmschaffende, Kritiker/-innen, Philosophen/-innen und nicht zuletzt Shoah-Überlebende, welche Ästhetik in der Darstellung der industriellen Ermordung der jüdischen Bevölkerung ethisch vertretbar sei. Die Überlebenden Imre Kertész und Primo Levi betonten, dass allein die Ermordeten in letzter Konsequenz wüssten, was Auschwitz wirklich bedeute. "Nur die Toten haben recht, sonst niemand", so Kertész. Die traumatischen Grenzerfahrungen der Überlebenden sind kaum zu vermitteln. Und Darstellungen extremer Gewalt laufen stets Gefahr, die Zuschauenden in eine voyeuristische Perspektive zu versetzen oder einen Gewöhnungseffekt zu erzeugen. Aus den Gaskammern selbst gibt es keine überlieferten Bilder. Ein Film über die Shoah kann also nur eine Annäherung bleiben. Gleichzeitig neigt das Kino dazu, Geschichte in eine dramaturgische Ordnung zu überführen.

Ethische Gratwanderung

Geheimsache Ghettofilm (© Bundesarchiv-Filmarchiv und Transit Film)

Bundesarchiv-Filmarchiv und Transit Film

Immer wieder haben sich Regisseure/-innen an der ethischen Gratwanderung versucht, vom Leben und Sterben in den Konzentrationslagern zu erzählen. Hierfür wählten sie unterschiedliche ästhetische Strategien. Als einer der bekanntesten Zum Inhalt: Dokumentarfilme über das Lagersystem gilt Zum Filmarchiv: "Nacht und Nebel" aus dem Jahr 1955. Regisseur Alain Resnais sammelte schwarz-weißes Originalmaterial, das im Dritten Reich und nach der Befreiung der Lager entstanden war, und stellte es farbigen Aufnahmen der zeitgenössischen Wirklichkeit von Majdanek und Auschwitz-Birkenau gegenüber. Der Film zeigt die expliziten Zeugnisse der Gewalt: die Berge von Leichen, Gesichter einzelner Toter, abgeschnittenes Haar. Die Bilder wirken noch heute wie ein Schock. Dabei ist "Nacht und Nebel" kein Re-Education-Film, sondern ein filmischer Essay: An manchen Stellen spricht der Zum Inhalt: Off-Erzähler die Zuschauenden sogar direkt an.

Gespräche mit Überlebenden

Im Gegensatz zu Resnais verzichtete Claude Lanzmann in Zum externen Inhalt: Shoah (öffnet im neuen Tab) (1977-85) auf Zum Inhalt: Musik und Zum Inhalt: Off-Kommentare. Die Besonderheit dieses neuneinhalbstündigen Werks sind die ausführlichen Gespräche mit Überlebenden, insbesondere mit ehemaligen Mitgliedern der Sonderkommandos, die in den Gaskammern und Krematorien arbeiten mussten. Ihnen fällt es sichtlich schwer, ihre ungeheuerlichen Erfahrungen mitzuteilen. Der Regisseur bringt sie dennoch dazu, das ihnen Widerfahrene erneut zu durchleben. Lanzmann hat kein Interesse, das Töten zu bebildern. Stattdessen erzeugt der Film durch konzentriertes Zuhören eine erschreckende Nähe zu den Ereignissen.

Archivmaterial verboten!

Claude Lanzmann nimmt bis heute den Standpunkt ein, dass von der Shoah nur in mündlichen Zeugnissen berichtet werden darf. Rigoros verurteilt er selbst den Gebrauch von Archivmaterial. Dabei unterscheidet er nicht nach Herkunft der Bilder, diese ist für Lanzmann unmaßgeblich – ob sie von den Nationalsozialisten, den Opfern oder den Alliierten stammen. Der Kunsthistoriker Georges Didi-Huberman vertritt die Gegenposition: "Um zu wissen, muss man sich ein Bild machen." Eine andere Möglichkeit, sich ein Bild zu machen, ist die Analyse der überlieferten Aufnahmen. In "Geheimsache Ghettofilm" (2010) dekonstruiert die deutsch-israelische Dokumentarfilmerin Yael Hersonski im Warschauer Ghetto gedrehte NS-Propaganda.

Die Shoah als Fernsehserie

Die vierteilige US-Serie "Holocaust" (1978) trug Ende der 1970er-Jahre die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit erstmals in den Mainstream der deutschen Fernsehunterhaltung und testete damit auch die Grenzen des Bildertabus: Die Kamera folgte einer Figur in die Gaskammer, nach einem Zum Inhalt: Schnitt blieb der Tod jedoch ausgespart. Die Ausstrahlung der Serie löste nicht nur in Deutschland eine Diskussion darüber aus, inwieweit die inszenierte Darstellung der Shoah für ein Fernsehpublikum als verharmlosend zu werten sei oder auch diskursives Potenzial entfalte. Somit stellte "Holocaust" Ende der 1970er-Jahre einen ersten Versuch dar, eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Darstellbarkeit der Shoah anzustoßen.

Antifaschistische Spielfilme

Nackt unter Wölfen (© DEFA-Stiftung/Waltraut Pathenheimer)

DEFA-Stiftung/Waltraut Pathenheimer

Das DDR-Kino mit seinem antifaschistischen Selbstverständnis setzte sich immer wieder mit der NS-Vergangenheit auseinander. Die Filme mussten dabei im Einklang mit dem Geschichtsbild der DDR stehen. Frank Beyers DEFA-Klassiker "Nackt unter Wölfen" (1963) ist dafür exemplarisch. Er inszeniert, nach einem Roman des ehemaligen KZ-Häftlings Bruno Apitz, die (historisch überlieferte) Rettung eines jüdischen Kindes durch kommunistische Gefangene in Buchenwald. Der politischen Doktrin der DDR entsprach es, den Widerstand der politischen Häftlinge in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Am Ende befreien sie – im Gegensatz zu den wahren Begebenheiten – das Lager selbst. Die Erfahrungen anderer Opfergruppen wie Juden, Sinti oder Roma werden im Film nur am Rande dargestellt.

Holocaust mit Happy End?

Die von der Serie "Holocaust" ausgelöste Diskussion um eine Banalisierung der Shoah entlud sich 15 Jahre später erneut an Zum Filmarchiv: "Schindlers Liste" (1993) von Steven Spielberg, dem Kritiker/-innen vorwarfen, eine Erlösergeschichte inmitten des Holocaust zu inszenieren und so aus dem Undarstellbaren eine sinnstiftende Heldenerzählung zu machen. Für die Schriftstellerin Ruth Klüger hingegen, die als Kind die deutschen Konzentrationslager überlebte, liegt die Wirksamkeit von "Schindlers Liste" gerade im Hoffnungsmotiv. Würde der Film allein die Unerträglichkeit der Geschehnisse wiedergeben, könnten die Zuschauer/-innen innerlich erstarren und sich abwenden.

Die Komödie als Schutzschild

Einen anderen Ansatz wählte Roberto Benigni mit seiner Komödie Zum Filmarchiv: "Das Leben ist schön" (1997), in dem das Zum Inhalt: Genre der Komödie als Schutzschild vor dem Grauen fungiert. Der Film verzichtet darauf, das Töten in Szene zu setzen. "Man verfälscht die Realität, wenn man sie nachzustellen versucht", begründete Benigni seine Entscheidung. Stattdessen begegnet er der Tragödie im Konzentrationslager mit subversivem Humor. Die Hoffnung aufs Überleben nährt ein Vater, indem er für seinen Sohn die Realität des Lagers in ein Abenteuerspiel verwandelt. Einige Kritiker/-innen warfen Benigni allerdings auch eine Verharmlosung der NS-Verbrechen vor.

Die Grenzen des Zeigbaren

Kontroversen lösen Darstellungen der Shoah heute nur noch selten aus, auch weil die Anzahl der Werke, die die Gräueltaten in den Lagern nachzustellen versuchen, zunimmt. Frühere Grenzen des Zeigbaren werden immer öfter überschritten, hinterfragt, aber auch problematisiert. Die dramaturgischen Ansätze könnten unterschiedlicher nicht sein. Während etwa Zum externen Inhalt: Die Grauzone (öffnet im neuen Tab) (2002) die Arbeit der jüdischen Sonderkommandos in den Gaskammern zeigt, handelt (2008) von der Freundschaft zweier Jungen über den Zaun des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau hinweg. Im deutschsprachigen Kino allerdings sind sich Regisseure wie Volker Schlöndorff (Zum externen Inhalt: Der neunte Tag (öffnet im neuen Tab), 2004) oder Stefan Ruzowitzky (, 2006) ihrer ästhetischen und damit auch ethischen Entscheidungen beim Inszenieren von KZ-Szenen immer noch sehr bewusst. Der neunte Tag konzentriert sich im Lager ganz auf die verschwommene, fragmentierte Wahrnehmung der Hauptfigur. Die Bilder sind unruhig und oft Zum Inhalt: überbelichtet, so entsteht ein Verfremdungseffekt, der nie zu suggerieren versucht, hier werde objektive Realität abgebildet. Schlöndorff reflektiert die Problematik der Darstellung, wenn er erklärt: "Ich kenne die Begrenztheit meiner Mittel."