Für seinen zweiten Zum Inhalt: Animationsfilm Zum Inhalt: Der Junge und die Welt ("O Menino e o Mundo" , BR 2013) wurde der brasilianische Regisseur Alê Abreu für einen Academy Award nominiert. Nun startet sein neuer Film Zum Inhalt: Das Geheimnis der Perlimps ("Perlimps" , BR 2022) in den deutschen Kinos. Im Interview erzählt Abreu über seine intuitive Arbeitsweise, seine Inspirationsquellen und seinen Wunsch, das Publikum zu involvieren und anzuregen.

kinofenster.de: Woher kommt der Titel "Perlimps"?

Alê Abreu: Meine Filmprojekte nehmen ihren Anfang immer bei einem Titel. Der erste Titel, den wir hatten, lautete "Voyagers of the Enchanted Forest" (deutsch: "Die Reisenden des verzauberten Waldes"). Üblicherweise gelange ich dann aber an einen Punkt, an dem der ursprüngliche Titel keinen Sinn mehr ergibt, so dass ich ihn ändern muss. Bei einem Treffen sagte mir der Produzent Luiz Bolognesi (Filmglossar: Zum Inhalt: Filmproduktion), dass ich einen Namen für die Wesen im Film bräuchte. Zuerst dachten wir an berühmte Namen aus unserer Kindheit wie "Gremlins" oder "Goonies". Dann verbanden wir das Wort "pirilampos" (portugiesisch für Glühwürmchen) und den Fantasieklang "pirlimpimpim". Eigentlich bedeutet der Name "Perlimps" gar nichts und es bleibt dem Publikum überlassen, ihn mit Bedeutung zu füllen.

kinofenster.de: Was war der Ursprung der Geschichte?

Alê Abreu: Die ersten Ideen hatte ich kurz vor der Fertigstellung des Schnitts (Glossar: Zum Inhalt: Montage) von "Der Junge und die Welt." Wie dieser entstand "Das Geheimnis der Perlimps" aus vielen kleinen Bruchstücken. Ich versuchte, sie zusammenzusetzen und herauszufinden, worum es ging – so wie ein Forscher, der einem Rätsel auf der Spur ist. Eines der ersten Bilder war das von Claé, der aus einem See kommt. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass daraus ein Stausee werden würde. Das Make-up (Glossar: Zum Inhalt: Maske/Maskenbild) in Claés Gesicht war zerlaufen, außerdem hatte er ein Zum Inhalt: Kostüm an. Dieses Bild hatte ich vor der ganzen Geschichte im Kopf und ich versuchte herauszufinden, was es damit auf sich hatte. Das Kind kam aus der Tiefe des Sees und der See war eine Metapher für die Kindheit. In diesem Film ging es also um den Verlust der kindlichen Unschuld.

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kinofenster.de: Ich habe den Eindruck, dass Sie sehr intuitiv arbeiten und dem Fluss der Geschichte folgen …

Alê Abreu: Ich denke nicht in Worten. Ich verarbeite die Dinge, die ich aus der Welt um mich herum empfange und die sich in meinen Kopf mit meinen Gefühlen mischen, in Form von Zeichnungen – und von Tönen.

kinofenster.de: Am Ende erweist sich die Geschichte als das Spiel zweier Kinder. Stand der Zum Inhalt: Plot-Twist von Anfang fest?

Alê Abreu: Ja, durch das Bild des Kindes, das sich als Wolf verkleidet hat. Erst dachte ich: Okay, in dieser Geschichte geht es um einen Wolf. Ich muss herausfinden, warum das Kind sich verkleidet hat und eine Waffe trägt und wie man als Erwachsener in dieser Welt lebt. Ich hatte die Vorstellung, dass die Kinder und die Perlimps der Natur sehr nahe sind, wenn sie in diese Welt kommen. Wenn wir erwachsen werden, lösen wir uns von dieser Natur, die in uns ist.

kinofenster.de: Bleiben wir bei dem Thema Natur. Wenn ich mir einen Wald vorstelle, dann denke ich an die Farben Grün und Braun. Vor allem in deutschen Märchen ist der Wald immer auch geheimnisvoll und unheimlich. Der Wald in "Das Geheimnis der Perlimps" dagegen ist ein Meer aus wunderschönen leuchtenden Farben (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung).

Alê Abreu: Für mich ist der Wald in "Das Geheimnis der Perlimps" die Verkörperung von Kindheit, einem Teil unseres Lebens. Es ist ein physischer Ort, der in eine Zeit transformiert wurde. Wenn man in den Amazonas-Regenwald geht, dann kommt auch hier das Licht nicht bis zum Boden, weil die Bäume so groß sind. Der Wald im Film ist also eine Metapher und soll nicht realistisch sein.

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kinofenster.de: In "Der Junge und die Welt" , der sehr minimalistisch gehalten war, haben Sie sich an bildenden Künstlern wie Paul Klee und Joan Miró orientiert. Welche künstlerischen Einflüsse gab es für "Das Geheimnis der Perlimps" ?

Alê Abreu: Bei "Das Geheimnis der Perlimps" ging es darum, mehr hinzuzufügen. Der Film ist für mich wie eine Antithese zu "Der Junge und die Welt" . Die Einflüsse aus "Der Junge und die Welt" sind immer noch wichtig für mich, aber "Das Geheimnis der Perlimps" geht nicht auf den direkten Einfluss eines Künstlers zurück und war für mich mehr eine persönliche Weiterentwicklung. Aber ich kann sagen, dass mich die Cut-Out-Formen von Henri Matisse inspiriert haben und auch die Arbeiten von Roger Dean, der die Alben-Cover der Progressive-Rock-Band Yes gestaltet hat. Ich habe die Alben von Yes gehört und bin durch die Cover in diese Universen eingetaucht. Als ich an "Das Geheimnis der Perlimps" gearbeitet habe, habe ich die Augen geschlossen und mich an diese Bilder erinnert.

kinofenster.de: Die Mauer, der Bau des Staudamms, der Krieg, die Abholzung des Waldes: Wie eng ist die Geschichte von "Das Geheimnis der Perlimps" mit der Geschichte Brasiliens verbunden?

Alê Abreu: Sie ist eng mit Brasilien verbunden, aber nicht nur. Konflikte und Kriege gibt es gerade in vielen verschiedenen Ländern. Der Bau des Staudamms und die Abholzung des Waldes beziehen sich deutlich auf Brasilien. Die Natur wird nicht ernst genommen und respektvoll behandelt, jetzt gerade gibt es hier viele Waldbrände. Es ist eindeutig, welche negativen Folgen menschliches Handeln für die Natur hat, wie diese auf uns zurückwirken und unsere Gesundheit beeinflussen.

kinofenster.de: Die Figuren und die Farben in "Das Geheimnis der Perlimps" sprechen Kinder an, die Themen, die Sie im Film aufgreifen, sind dagegen teils sehr erwachsen. Wen sehen Sie als Zielgruppe Ihres Films?

Alê Abreu: Ich glaube daran, dass Kinder dazu in der Lage sind, auf jegliche Art intellektueller Reise zu gehen. Jedes Kind wird mit diesen Themen auf seine eigene Art umgehen. Auch wenn es in dem Film manche Themen gibt, die Erwachsene vielleicht leichter verstehen, denke ich nicht, dass er deshalb nicht für Kinder zugänglich ist. Ich behandle Kinder nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe und halte sie für klug. Ich glaube, der Film kann sie voranbringen. Er unterschätzt Kinder nicht. Aus unserer Erfahrung mit dem Film verfügen Kinder oft auch über ein tieferes Verständnis dafür als Erwachsene. Sie konnten das zwar nicht unbedingt in Worte fassen, aber sie haben die Metaphern verstanden und waren von dem Film berührt. Manche Erwachsene haben ein paar Probleme mit "Das Geheimnis der Perlimps" , weil sie es gewohnt sind Filme zu sehen, in denen alles vollständig erklärt wird. Ich lasse gerne absichtlich Leerstellen, weil ich möchte, dass das Publikum diese füllt. Es war toll zu sehen, wie Kinder diese Leerstellen manchmal besser füllen als Erwachsene, weil sie kreativer sind.