Hazal ist 17 Jahre alt, lebt in Berlin (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) und will endlich eine Chance im Leben. Ein Ausbildungsplatz wäre ein erster Schritt, doch dass die Bildungsmaßnahme im Jobcenter dabei wenig hilft, ist längst klar: Für sie sind weniger ihre Bewerbungen das Problem, sondern mehr die deutsche Gesellschaft – die die ihre ist, aber offenbar keinen Platz für sie hat. Täglich wird sie mit Vorurteilen konfrontiert und in Schubladen gesteckt, ständig muss sie sich für ihr Sein erklären und rechtfertigen. Auch zuhause steht Hazal unter Druck, oft gibt es Streit mit ihrer Mutter. Wenigstens an ihrem 18. Geburtstag soll all das anders sein: Hazal will mit ihren Freundinnen Elma und Gül im Club feiern gehen. Doch dann verwehrt der Türsteher ihnen den Eintritt. Als die drei jungen Frauen im U-Bahnhof von einem Studenten belästigt werden, eskaliert die Situation. Unmut und Frust über die konstante Zurückweisung kochen hoch. Es kommt zu einer Tat mit fatalem Ausgang. Noch mitten in der Nacht flüchtet Hazal. Ihr Ziel ist Istanbul, eine erste Anlaufstelle Mehmet, den sie über das Internet kennengelernt hat. In einem Land, das sie nicht kennt und in einer Gesellschaft, die sie schon wieder in eine Rolle stecken will, kämpft sie ums Überleben und ihre innere Freiheit.

"Ellbogen" ist der erste lange Zum Inhalt: Spielfilm der Regisseurin Aslı Özarslan ( Zum Inhalt: Dil Leyla, DE 2016). Als Zum Inhalt: Adaption des gleichnamigen Romans von Fatma Aydemir erzählt er die Geschichte einer Berlinerin mit türkischen Wurzeln, die nach Zugehörigkeit und ihrem Platz in der Welt sucht. Aus der dichten Erzählung der literarischen Vorlage schafft Özarslan einen atmosphärisch kompakten, erzählerisch entschlossenen und konsequenten Film. Gedreht mit Laiendarsteller/-innen und durchweg aus der Perspektive der Protagonistin erzählt, nimmt der Film sein Publikum mit in Hazals Leben. Handkameraaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) übertragen ihre Rastlosigkeit und wachsende Wut, Großaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) lassen hinter die Fassade der ambivalenten Figur blicken. Zwischen Trotz und Aggressivität, jugendlicher Naivität und pointierter Klugheit kommen dabei ihre Zerrissenheit und Stärken ans Licht. Indem sich Hazal keinem Rollenbild zuordnen lässt und sich jeglicher Täter-Opfer-Dichotomie entzieht, demaskiert der Film die Gesellschaft, die sich am Ende – genauso wie Hazal – die Frage nach Schuld und Verantwortung der Geschehnisse stellen muss.

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Mit Hazals Geschichte werden Schüler/-innen bestärkt, eigene Rassismus- und Klassismus-Erfahrungen zu teilen und über den Umgang mit Projektionen und Zuschreibungen von außen zu sprechen. Soziale wie kulturelle Ausgrenzung können im Politik- und Sozialkundeunterricht dabei ebenso Thema sein wie die Suche nach Heimat zwischen Kulturen und Nationen. Ausgehend von der Schlüsselszene auf dem U-Bahnsteig, die den Film räumlich und zeitlich zweiteilt, können dramaturgisch vor- und rückwärtsgewandt Ursachen und Auswirkungen der Tat betrachtet werden: Was ist passiert? Wie ist es dazu gekommen? War es Notwehr, Vorsatz oder ein Unfall? Welche Folgen hat die Tat für Hazal und ihre Freundinnen? Drängende Fragen sind dabei auch, ob Hazals Wut über die ständige Zurückweisung ihre Gewalt rechtfertigt und was es heißt, persönliche Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen. Die Aushandlung möglicherweise kontroverser Antworten kann dabei einen Zugang bieten, Gesellschaftsstrukturen kritisch zu hinterfragen. Mit einem direkten Blick in die Kamera (Glossar: Zum Inhalt: Vierte Wand) fordert das offene Ende auf, über Hazal und ihre Geschichte nachzudenken und darüber, was es braucht, um Geschichten wie diese gut ausgehen zu lassen.

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