Die Leiden des jungen Johann

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Im Jahr 1772 ist der junge Johann Goethe noch kein bewunderter Dichterfürst, sondern eher ein Versager auf ganzer Linie. Gerade durch das Jura-Examen gefallen, schickt ihn der aufgebrachte Vater als Rechtsreferendar nach Wetzlar. Die Beamtenstelle in dem Provinzkaff soll dem 22-jährigen Schwärmer auch literarische Flausen austreiben. Der "Herr Studiosus" macht sich am Gericht aber gut, gewinnt sogar das Vertrauen seines anfangs skeptischen Vorgesetzten Kestner und lernt bald die schöne Lotte Buff kennen. Sie verlieben sich ineinander, nicht ahnend, dass Vater Buff zeitgleich die Verheiratung seiner Tochter mit dem beflissenen und wohlhabenden Kestner arrangiert. Lotte fügt sich und Johann stürzt daraufhin in eine tiefe Krise. Dem Selbstmord nah, besinnt er sich - während einer Gefängnisstrafe - auf seine künstlerischen Ambitionen. Er verarbeitet die qualvolle Erfahrung in dem Roman, der ihn schließlich 1774 berühmt machen wird: Die Leiden des jungen Werther.

Dichtung und Wahrheit

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Regisseur Philipp Stölzl verknüpft in "Goethe!" die Entstehungsgeschichte des populären Briefromans mit dessen Inhalt: Bereits Goethes Zeitgenossen/innen erkannten in Charlotte Buff die Inspiration für Werthers Lotte. Historisches Biopic und Literaturverfilmung in einem, bemächtigt sich der Film aller zur Verfügung stehenden Quellen: Stellen aus Werthers Briefen (etwa die auch auf zahlreichen Gemälden verewigte Brotschneideszene) finden sich gleichberechtigt neben einprägsamen Erlebnissen des jungen Goethe wie der Selbstmord seines Freundes Karl Wilhelm Jerusalem. Dazu kommen - nach Goethes autobiografischem Motto "Dichtung und Wahrheit" - frei erfundene Szenen, etwa ein Duell mit dem Rivalen Kestner.

Zeitlose Themen

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Durch seine verdichtete Form will der Film Leben und Werk des berühmten, aber auch etwas fernen Dichters seinem Publikum nahe bringen. Auch der große Goethe, so der Grundtenor, war einmal jung! Schon zu Lebzeiten war der Werther Quelle jugendlicher Begeisterung und Identifikation. In diesem Werk - und nun auch im Film - spiegeln sich solch zeitlose Themen wie unerfüllte Liebe, die Abwehr bürgerlicher Normen und die Liebe zur Kunst als Anstoß eigener künstlerischer Tätigkeit.

Gegen den Strom

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Der Bummelstudent Johann erscheint zunächst als so stürmischer wie lebenslustiger Exzentriker. "Lecket mich!" schreibt er in den Schnee vor der juristischen Fakultät, ein Zitat aus seinem noch unveröffentlichten Drama Götz von Berlichingen (1773). Immer wieder kollidiert sein kokettes Benehmen mit dem steifen Habitus seiner Zeit. Erst die Liebe macht ihn zum Melancholiker. Noch unsicher über seine schriftstellerische Begabung, muss ihn Lotte zur Rezitation eines seiner Gedichte drängen. Beider Verehrung von Lessings Tragödie Emilia Galotti (1772) bildet schließlich ein gemeinsames Band. Die identitätsstiftende Wirkung von Literatur und Kunst - Leitmotiv des Werthers und zugleich Folge seiner Rezeption - wird damit exemplarisch veranschaulicht. Der Erfolg des Romans macht Johann am Ende selbst zum Helden, der auf den Straßen von Frankfurt am Main wie ein Popstar gefeiert wird.

Weibliche "Tugend"

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Lotte bleibt dieser Ausbruch aus bürgerlichen Wertvorstellungen verwehrt. Zwar spielt sie, untypisch für die Zeit, den aktiveren Part im Vergleich zum allzu passiv genießenden Johann. Dennoch akzeptiert sie die Ehe mit dem gegenüber dem Roman unsympathischer gezeichneten Kestner. Mehrere Einstellungen zeigen ihn im Verbund mit dem zukünftigen Schwiegervater - eine streng patriarchale Ordnung, gegen die eine romantische Liebe keine Chance hat, erst recht nicht, wenn auch materielle Bedürfnisse befriedigt werden müssen.

Goethe in Love

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"Goethe!" erzählt vor allem eine Liebesgeschichte, liefert zugleich aber auch ein authentisch anmutendes Gesellschaftsporträt: Die unter steifen Perücken auftretende Vernunft seiner Zeit erlaubt einem leidenschaftlich freien Geist wie Goethe nur die gefahrvolle Ausflucht in die Kunst. Trotz der unangepassten Hauptfigur wirkt der Film in seiner Machart jedoch konventionell. Sowohl die klassisch orchestrierte Zum Inhalt: Filmmusik wie auch die an Gemälden von Canaletto und Caspar David Friedrich orientierte Bildästhetik bleiben dem biedermeierlichen Goethe-Bild verhaftet. Von einer spezifisch jugendorientierten Modernisierung - im Stile etwa des mit Popmusik untermalten Historiendramas "Marie Antoinette" (Sofia Coppola, USA 2006) - ist er somit weit entfernt. Wie Werther sucht der Film Trost in der heilen Natur, wo Johann und Lotte ihre Liebe ungestört leben dürfen. Den ersten Kuss inszeniert Stölzl als romantisches Stimmungsbild vor klassizistischen Ruinen.

Ein Genie im Werden

Eine tiefere Durchdringung des literarischen Materials erlaubt dieser illustrative Ansatz nur begrenzt. Ist doch die konventionelle Bildsprache eines Zum Inhalt: Biopic mit Goethes Naturlyrik schwer vereinbar. Durch seine klassische Love Story gelingt es dem Film dennoch, Gefühlsüberschwang und Empfindsamkeitskult der Sturm und Drang-Ära ansprechend zu vermitteln. Dazu geben einzelne Textzitate einen Eindruck von dessen Sprache. "Goethe!" zeigt das sprachliche Genie seines Helden, der zwischen eigenen Gefühlen und gesellschaftlichen Anforderungen seinen Weg finden muss, im Werden. Es ist ein innerer Kampf, in dem sich jede junge Generation wiederfinden dürfte.

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