Die private Schule Shaolin Tagou liegt in der Nähe des Shaolin-Tempels in der zentralchinesischen Provinz Henan. Der Tempel gilt als Ursprungsort der Kampfsportart Kung-Fu, die buddhistische Mönche dort im 6. Jahrhundert entwickelten. 26.000 Jungen und Mädchen ab fünf Jahren sind an der größten chinesischen Kung-Fu-Schule eingeschrieben. Der Regisseur und Kameramann Inigo Westmeier, selbst ein ehemaliger Kung-Fu-Sportler, porträtiert in seinem Zum Inhalt: Dokumentarfilm drei Schülerinnen: Die neunjährige Eliteschülerin Xin Chenxi und die 15-jährige Chen Xi unterwerfen sich der strengen Disziplin, weil sie später ein besseres Leben führen wollen als ihre armen Eltern. Dagegen flüchtet die 17-jährige Huang Luolan vor dem systematischen Drill zu ihrem Vater nach Shanghai.

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Interviews mit Trainern/innen, dem Schulleiter und einem leitenden Mönch des benachbarten Tempels ergänzen die Äußerungen der Mädchen vor der Kamera und die Beobachtungen bei deren Familienbesuchen in der fernen Heimat. Die repressiven Erziehungsmethoden, die auf eine rigide Einbindung des Individuums ins Kollektiv abzielen, manifestieren sich visuell in Panoramaaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Kameraperspektiven) der sonntäglichen Vorführungen auf dem Appellplatz: Eine auf einem Kran postierte Kamera zeigt, wie tausende Jungen in rot-schwarzen Uniformen in Reih und Glied ihre akrobatischen Fertigkeiten beweisen. Mädchen dürfen hier – noch immer – nicht mitmachen. Bildgeschichtlich stellt der Regisseur diese Darstellung in die ikonografische Tradition von Menschenmassen als Ornament in diktatorischen Systemen. So erinnern die gleichgeschalteten Choreografien an Inszenierungen sportlicher Großereignisse in den Stadien kommunistisch regierter Länder und an Propagandafilme.


Die geschickte Auswahl der drei Protagonistinnen verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen Fremdbestimmung und Freiheit, Anpassung und Widerstand gegen repressive Erziehungsmethoden im kommunistischen China. Dass die Mädchen nur zwei Mal pro Woche duschen dürfen und in ungeheizten Schlafsälen keine Privatsphäre haben, legt im Unterricht Vergleiche zwischen dem freizügigen westlichen und dem harten chinesischen Erziehungssystem nahe, das auch Prügelstrafen beinhaltet. Der auch von den Eltern forcierte hohe Leistungsdruck bei hartem Training und extremer Kontrolle liefert Ansatzpunkte, über die Grenzen des Leistungssports zu diskutieren. Im Fach Sozialkunde kann erörtert werden, warum die Absolventen/innen aus armen Familien hoffen, später bei Polizei oder Militär unterzukommen: Dort verdienen sie mehr als Bauern und Bäuerinnen oder Fabrikarbeiter/innen. Im Unterricht bietet sich zudem eine kritische Diskussion zu der Bildgestaltung der Sportübungen an, die an Leni Riefenstahls Propagandafilm "Triumph des Willens" (Deutschland 1934/45) erinnern, der martialische Massenaufmärsche beim Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP als zentrales Gestaltungsmittel der suggestiven Inszenierung des Führerkults verwendet. Dürfen Filmemacher/innen diese historisch belastete Gestaltungsform übernehmen, selbst wenn sie in einen kritischen Kontext eingebettet ist?

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