Kein Film war in Deutschland zuletzt so umstritten wie Bryan Singers Aufarbeitung des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Auf dem Höhepunkt der Querelen wurde der Hollywood-Produktion verweigert, an historischer Stätte, dem Bendlerblock, zu drehen, und die Genehmigung später zähneknirschend erteilt. Nun ist das Werk endlich fertig und wird sowohl Kritikern wie Befürwortern neue Argumente liefern. In den Grundzügen ist "Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat" eine fiktionalisierte Rekonstruktion der Ereignisse rund um die von Claus Schenk Graf von Stauffenberg angeführte Verschwörung gegen den nationalsozialistischen Unrechtsstaat. Operation Walküre war ursprünglich eine Notfallplanung der Wehrmacht und wurde von den Widerstandskämpfern, fast alle ranghohe Militärs, umfunktioniert, um nach dem geplanten Attentat auf Adolf Hitler das Kommando in Deutschland zu übernehmen. Auf dem festen Grund der Faktentreue erlaubt sich Drehbuchautor Christopher McQuarrie allerdings einige je nach Perspektive ungeheuerliche oder kühne künstlerische Freiheiten. Die größte betrifft die historisch unbedeutende Begegnung zwischen Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, und dem von Stauffenberg instrumentalisierten Major Otto Ernst Remer, die McQuarrie zum alles entscheidenden Wendepunkt des 20. Juli zuspitzt.

Die Idee hinter dieser Geschichtsfälschung ist dramaturgisch nicht ohne Kalkül: Stauffenberg hatte die für Hitler gedachte Bombe in der Wolfsschanze deponiert, sich unter einem Vorwand von der Lagebesprechung davongestohlen und war in der Überzeugung, das Attentat sei gelungen, in ein bereitgestelltes Flugzeug nach Berlin gestiegen. Bis kurz vor seinem Tod glaubte Stauffenberg, seine Verschwörung sei gelungen, obwohl die Realität schon gegen ihn arbeitete, als er sich noch in der Luft befand. In diesen Stunden bewegte sich Stauffenberg wie in seiner eigenen Wirklichkeit, und McQuarrie hat dieses innere Erleben geschickt in äußere Handlung umgesetzt. Entsprechend ist nicht das absehbare Scheitern der Verschwörung das Thema des Films, sondern der leidenschaftliche Moment des Widerstands.

Einen Großteil der Laufzeit verwendet Singer auf die effektive Inszenierung der Operation Walküre. Mit Zum Inhalt: EinstellungsgrößenGroßaufnahmen schwarz glänzender Stiefelschäfte und flatternden Hakenkreuzfahnen bedient der Film die Ikonografie typischer NS-Filme, zugleich kommt er aber auch einem klassischen Thriller erstaunlich nahe. Wie in dem Gangsterdrama "Rififi" (Jules Dassin, Frankreich 1955) geht es um die Mechanik eines ausgeklügelten Plans, die halbe Welt steht auf dem Spiel und zugleich spielen alle Räuber und Gendarm. Was der reinen Handlungslogik nebensächlich scheint, bleibt dabei außen vor: der Kreisauer Kreis etwa oder die Ideenwelt des Spätromantikers Stauffenberg. Auch die Beweggründe des ehemals überzeugten Nationalsozialisten für den Hochverrat werden nur marginal abgehandelt. Gerade bei den Auslassungen und dramaturgischen Änderungen ließe sich pädagogisch ansetzen, um zu untersuchen, wie der Film die Historie fiktionalisiert. Wichtiger noch erscheint die Frage, ob die künstlerische Freiheit letztlich den Geist der vergangenen Ereignisse erfasst oder im Gegenteil die Geschichte durch die nachträgliche Heroisierung eines späten Widerstandsversuchs verfälscht wird. Und schließlich lässt sich die hitzige Debatte um den Film auch als Paradebeispiel für einen Prozess der öffentlichen Meinungsbildung studieren.

Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Germany License.

Mehr zum Thema