Kategorie: Filmbesprechung
"Grand Theft Hamlet"
Shakespeare im Chaos: eine Hamlet-Inszenierung in der virtuellen Realität des Videospiels Grand Theft Auto Online (GTA)

Unterrichtsfächer
Thema
Hinweis: "Grand Theft Hamlet" wurde von der FSK nicht geprüft, wir empfehlen den Film ab 16 Jahren.
Bildungsrelevant, weil im Film aus Kreativität und Leidenschaft Kunst entsteht, die Menschen in Isolation verbindet und scheinbar widersprüchliche ästhetische Formen vereint.
Die Geschichte: Ein Spiel als Bühne
Sam und Mark sind Freunde im ständigen Kampf mit der Polizei. Dass sie dabei regelmäßig von Kugeln durchsiebt werden, nehmen sie locker. Die beiden befinden sich im Videospiel Grand Theft Auto Online (GTA), einer satirisch überzeichneten Version von Los Angeles. Von wilden Schießereien, über illegale Autorennen, in dieser Realität ist alles möglich. Doch während das Spiel grenzenlose Freiheit bietet, ist die analoge Welt eingeschränkter denn je. 2021 befindet sich Großbritannien wieder einmal im Corona-Lockdown, die Theater sind geschlossen und die beiden Schauspieler arbeitslos. Also kommen sie auf eine Idee: Sie wollen Shakespeares Hamlet inszenieren - und dafür die absurde Welt von GTA als ihre Bühne nutzen.
Filmische Umsetzung: Shakespeare im Chaos
Schnell stößt Sams Freundin Pinny zum Projekt. Als Filmemacherin dokumentiert sie den gesamten Entstehungsprozess vom ersten Castingaufruf bis zur finalen Aufführung. Dabei entsteht "Grand Theft Hamlet" vollständig in der Grafik des Videospiels. Die Protagonist/-innen treten als ihre Avatare auf, nur ihre realen Stimmen werden durch den Sprachchat transportiert. So dominiert die schrille Ästhetik der virtuellen GTA-Realität auch die Gestaltung des Films: Shirts in grellen Neonfarben gehören zu den konservativeren Zum Inhalt: Kostümierungen; Autos fliegen durch die Luft, Explosionen sind allgegenwärtig und der rote "Wasted"-Schriftzug markiert regelmäßig den Tod einer Spielfigur. Diese Elemente nutzen Sam und Mark auch für ihre Aufführung. Als "Shakespeare on a million dollar budget" bezeichnen sie ihre Produktion ironisch und setzen die Zum Inhalt: Szenen mal auf einer Luxusyacht, mal auf einem Zeppelin um. Abseits des Chaos zeigt die Dokumentation auch ruhigere Momente. In Panoramashots hält Pinny die künstliche, aber dennoch stimmungsvolle Naturkulisse von GTA fest und schafft so einen Kontrast zu den mehrheitlich mittleren Zum Inhalt: Einstellungsgrößen der Spielkamera. Die für den Film komponierte Zum Inhalt: Filmmusik bildet einen weiteren Kontrapunkt zu der überdrehten Ästhetik der Spielwelt.
Thema: Digitale Kunst, echte Leidenschaft
"Grand Theft Hamlet" ist keine Aufführung einer digitalen Hamlet-Inszenierung. Die Aufführung wird nur ausschnittweise gezeigt, die Handlung des Stücks nur stichpunktartig erzählt. Stattdessen stehen die beiden Protagonisten und ihre Leidenschaft für die Kunst im Mittelpunkt. Trotz der künstlichen Avatare schafft der Film das Gefühl echter Nähe zu den beiden, ihren Zweifeln und Sorgen rund um das Projekt. Immer wieder steht die Aufführung auf der Kippe und kann am Ende nur gelingen, weil eine Gruppe Menschen zusammenkommt, die ihre Liebe zu Shakespeare und zu GTA eint.
Fragen für ein Filmgespräch
Welche Bedeutung hatten unterschiedliche Formen von Kunst für euch während der Corona-Pandemie? Welche Rolle spielten digitale Welten und würdet ihr diese auch als Kunst bezeichnen?
Wie spiegelt sich die Ästhetik von GTA in der Inszenierung von Hamlet und in der Dokumentation wider? Wie hätte im Unterschied ein Dokumentarfilm über eine analoge Theatergruppe ausgesehen?
An mehreren Stellen vergleichen Mark und Sam die Gewalt in GTA mit der in Hamlet. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede seht ihr bei der Verwendung/Darstellung von Gewalt zwischen Spiel, Theater und Film?