Als Julian Vogel die Recherche über den rassistischen Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München begann, bei dem ein Jugendlicher 2016 neun Menschen ermordete, hatte der Regisseur nur einen Film geplant – keine Trilogie. Doch wenig später ereigneten sich weitere Anschläge mit ähnlichen Motiven: In Halle griff ein Rechtsextremist 2019 eine Synagoge an und erschoss anschließend zwei Menschen in der Umgebung; in Hanau tötete ein Mann 2020 aus rassistischen Motiven neun Menschen. Die Anschläge führten zu einer Debatte über die Einstufung als Rechtsterrorismus, weil die Täter – anders als etwa der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) – nicht im rechtsextremen Milieu sozialisiert waren. Angehörige kämpfen seitdem nicht nur um das Gedenken an die Opfer, sondern auch um die Anerkennung der Tatmotive, die Aufklärung behördlicher Fehler und den Schutz vor weiterer rechtsextremer Gewalt.

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Die Zum Inhalt: Dokumentarfilm-Trilogie "Einzeltäter" ist weitgehend im Zum externen Inhalt: Reportage (öffnet im neuen Tab)-Stil inszeniert (Glossar: Zum Inhalt: Mise-en-scène/Inszenierung), jeder Teil widmet sich einem der Anschläge. Zu sehen sind vor allem Angehörige der Opfer und Überlebende in ihrer persönlichen Umgebung, an Tatorten (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) und auf Gedenkveranstaltungen; zu hören ist gelegentlich auch die Stimme des Regisseurs (Glossar: Zum Inhalt: Regie) aus dem Zum Inhalt: Off.Textinserts (Glossar: Zum Inhalt: Insert) und ein punktuell eingesetzter Zum Inhalt: Voice-Over mit Gerichtsaussagen oder behördlichen Gutachten rahmen die Zum Inhalt: Sequenzen mit einem sachlichen Kontext zu den jeweiligen Ereignissen. Entgegen der durch den Titel gesetzten Erwartung werden die Attentäter weder durch Bild- noch durch Textdokumente repräsentiert. Geht es in den Filmen über München und Hanau viel um die Gemeinschaft der Angehörigen und deren antirassistischen Aktivismus, fällt der Film über Halle aus der Reihe: Weil Überlebende des Anschlags auf die Synagoge nicht Teil des Films sind, rückt das antisemitische Motiv in den Hintergrund. Das Gedenken von Karsten Lissau, dessen Sohn Kevin bei dem Anschlag getötet wurde, findet unter anderem in der Fankurve des Halleschen Fußballclubs statt.

Die Auseinandersetzung im Unterricht mit einem oder mehreren Teilen der Trilogie sollte beim Titel ansetzen. Was bedeutet der Begriff "Einzeltäter" aus Sicht der Sicherheitsbehörden und warum wurde er im Kontext der Anschläge kritisch diskutiert? Welche Assoziation weckt dieser Titel vor der Sichtung? In der anschließenden Analyse können die Schüler/-innen ergründen, warum die Täter auch ohne unmittelbare Mithelfer/-innen ideologisch gehandelt haben. Inwiefern agierten sie im Kontext eines radikalen Netzwerks (Gruppen auf Gaming-Plattformen, Tätervorbilder, Verschwörungsideologien)? Wie gefährden Anschläge wie diese den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie – und woran zeigt sich das auch in der Erfahrung der Angehörigen mit den staatlichen Strukturen? Die Filme zu München und Hanau können auch in Gruppen gesichtet, im Plenum präsentiert und verglichen werden. Verändert hat sich in der Zeit zwischen diesen beiden Anschlägen nicht nur die Anerkennung der ideologischen Motivation sogenannter Lone-Wolf-Attentäter, sondern auch die Form des Gedenkens an Opfer rassistischer Gewaltverbrechen (#saytheirnames). Nicht zuletzt sollte diskutiert werden, wie sich der Film durch die Wahl der Mitwirkenden (wer spricht – wer nicht?), die Kameraarbeit und Zum Inhalt: Montage sowie die Off-Stimme zu den Geschehnissen positioniert.

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