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Schon in den Jahren vor dem Urteil gegen Beate Zschäpe und vier weitere Mittäter im Juli 2018 sind mehrere Filme über den NSU-Komplex erschienen. Der Zum Inhalt: Dokumentarfilm von Aysun Bademsoy setzt hingegen erst an jenem Tag an, der für viele der Betroffenen eine Enttäuschung darstellt. So beruft sich Ismail Yozgat, der Vater des in Kassel ermordeten Halit Yozgat, auf ein Versprechen Angela Merkels. Auf der Gedenkveranstaltung für die Opfer des NSU hatte die Bundeskanzlerin 2012 angekündigt: "Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen." Für die Angehörigen aber ist die Aufklärung der Mordserie nach fünf Jahren Prozess unzureichend; das Strafmaß für die Mithelfer zu gering. In "Spuren – Die Opfer der NSU" geht es ganz um die Perspektiven dieser Familien. Drei von ihnen berichten ausführlich von ihrem Verlust, den Verdächtigungen durch Medien und Ermittlungsbehörden, und dem Leben danach: die Angehörigen von Enver Şimşek, Süleyman Taşköprü und Mehmet Kubaşik.

Zu Beginn nutzt der Dokumentarfilm einen zugleich einordnenden und persönlichen Zum Inhalt: Voiceover-Kommentar der Regisseurin. "Es hätte auch meine Familie treffen können", sagt Aysun Bademsoy, die selbst in der Türkei geboren wurde und als Kind nach Deutschland kam. Sie erinnert an den rassistischen Begriff "Döner-Morde", der während der Mordserie an neun Männern mit Migrationshintergrund und einer Polizistin in den Medien kursierte. Zudem stellt sie fest, dass die Opfer fast alle selbständige Ladenbesitzer waren: "Sie hatten sich ein Leben aufgebaut in diesem Land." Die Interviews (Glossar: Zum Inhalt: Talking Heads) mit den betroffenen Familien, die fortan im Zentrum stehen, zeugen vom Schmerz, in der neuen Heimat nie vollständig akzeptiert worden zu sein. Gefilmt wird in den Wohnungen der Angehörigen und an Arbeitsplätzen (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) der Opfer oder an Erinnerungsorten: an Grabsteinen oder Denkmälern für die Verstorbenen. Adile Şimşek beschreibt die Ermittlungen nach dem Mord an ihrem Ehemann als Retraumatisierung – ähnlich wie schon die Zeitzeug/-innen in den thematisch verwandten Dokumentarfilmen "Der zweite Anschlag" (Mala Reinhardt, DE 2018) und "Der Kuaför aus der Keupstraße" (Andreas Maus, DE 2015).

Spuren – Die Opfer der NSU, Trailer (© Salzgeber & Co. Medien GmbH)

"Spuren – Die Opfer der NSU" bietet die Möglichkeit, den NSU-Komplex in der Schule aus der Sicht der unmittelbar Betroffenen zu vermitteln. Da der Film sich darauf konzentriert, sollten vorab die Geschichte des Falls und der Prozessverlauf bekannt sein. Die hier gewählte Perspektive ist bedeutend, weil die migrantische Community sich schon während der Mordserie als Ziel begriffen hatte und öffentlich demonstrierte, etwa 2006 in Kassel und Dortmund unter dem Motto "Kein 10. Opfer!". Die berührenden Aussagen der Angehörigen können in Geschichte oder Sozialkunde zu einer kritischen Reflexion über Deutschland als Einwanderungsland anregen. Der Film stellt darüber hinaus auch den Diskurs über Terroranschläge in Frage. Oft erreichen die Täter Prominenz, während die Namen der Opfer kaum bekannt werden. Es sind jedoch gerade die Momente des öffentlichen Gedenkens – etwa, wenn BVB-Fans mit einem Banner an Mehmet Kobaşik erinnern –, die den Familien Trost und ein Gefühl der Zugehörigkeit geben. Auch Bademsoy liest die Namen der Getöteten im Film demonstrativ vor. Ihre anteilnehmende Position als Dokumentarfilmerin ist ein Aspekt, der in der formalen Analyse des Films berücksichtigt werden sollte.

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