Sam, Sohn eines Kameruners und einer Deutschen, ist in Dresden geboren und aufgewachsen. In den letzten Tagen der DDR meldet er sich zur Polizei, die er als letzten Stabilitätsanker angesichts dauernder rechter Gewalt empfindet. Wende und Wiedervereinigung bestätigen seine Befürchtungen: Schwarze Menschen sind in den Jahren nach 1990 endgültig "Freiwild". Vorübergehenden Schutz findet er als Mitglied eines von Schwarzen "Brüdern" betriebenen Sicherheitsdiensts, für den der Sportler als Türsteher einer Diskothek arbeitet. Während er es auch hier mit Neonazis zu tun bekommt, ergibt sich ein unverhoffter Karriereweg: Als Werbegesicht einer antirassistischen Imagekampagne ("Sam – Ein Sachse") findet er Kontakt in die hohe Politik. Gemeinsam mit dem sächsischen Innenminister Heinz Eggert begründet er die Eliteeinheit "Soko Rex", die dem virulenten Rechtsextremismus mit der vollen Härte begegnet. Doch Sam, inzwischen bekannt als "erster afrodeutscher Polizist Ostdeutschlands", bleibt ein Außenseiter und rutscht schließlich in die Kriminalität ab.

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Die Disney+-Serie adaptiert (Glossar: Zum Inhalt: Adaption) die reale Lebensgeschichte (Glossar: Zum Inhalt: Biografie/Biopic) von Samuel Meffire, der heute als Schriftsteller und Konfliktcoach arbeitet. In einer dynamischen Zum Inhalt: Montage aufwühlender Ereignisse erscheint Sam fast durchgängig als charismatisch-positiver Held. Gebrochen werden solch konventionelle Muster einer großen Unterhaltungsserie durch oft dunkle (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung), realitätsnah wirkende Bilder. Im Inneren trägt Sam heftige Kämpfe aus, immer wieder zerbrechen in seinem Leben mühsam aufgebaute Beziehungen. So bringt ihm die Arbeit als Volkspolizist zwar Respekt, entfremdet ihn aber auch von seiner Freundin und Mutter des gemeinsamen Sohnes, die in der DDR der Bürgerbewegung nahesteht. Ähnlich zwiespältig ist das Verhältnis zur eigenen Mutter. Sie hat den ungeklärten Tod seines Vaters, möglicherweise ein rassistischer Mord, nie überwunden und hält es für einen Fehler, ein weiteres "Schwarzes Kind" in diese Welt zu setzen. Düstere Zum Inhalt: Rückblenden in Sams einsame Kindheit veranschaulichen, was sie damit meint. Sams Suche nach dem verlorenen Vater schält sich so zusehends als zentrales Erzählmotiv heraus. Ein idealistischer DDR-Polizeimajor und der sächsische Innenminister agieren zwischenzeitlich als Ersatzväter, doch die damit verbundenen Hoffnungen werden enttäuscht.

Was Sam in Wirklichkeit sucht, ist Heimat. Er selbst empfindet sich als Dresdner, zum Herkunftsland seines Vaters hat er keinen Bezug. Doch die Anerkennung als Schwarzer Deutscher wird ihm verwehrt. Meffires ungewöhnliches "lokales" Schicksal steht somit für eine universal, sogar global verständliche Erfahrung von People of Color in einer von Rassismus geprägten Gesellschaft. "Sam – Ein Sachse" ist der gelungene Versuch, von den Ereignissen der Wendezeit 1990 aus neuer Perspektive zu erzählen und dem nationalen Narrativ der "deutschen Revolution" die bislang ausgelassene Erfahrung einer marginalisierten Gruppe entgegenzustellen. In Geschichte und Politik können zum Vergleich die Geschichten mosambikanischer oder angolanischer "Vertragsarbeiter/-innen" in der DDR, aber auch von "Gastarbeiter/-innen" in Westdeutschland betrachtet werden. Der in der Serie von Schwarzen Aktivisten/-innen kontrovers diskutierte Begriff "afrodeutsch" lässt sich auf seine Aktualität überprüfen: Hat sich an der Situation Schwarzer Menschen in Deutschland etwas verbessert? Spannend ist nicht zuletzt der Vergleich der Fiktion mit Samuel Meffires wahrer Geschichte. So ist der Serienheld Sam als Polizist sowohl bei der Maueröffnung wie bei den rassistischen Ausschreitungen in Hoyerswerda 1991 zugegen – eine fiktionale Verdichtung, die auch etwas über moderne Erzählstrategien verrät.

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