Das Phänomen Kinderstars gibt es seit dem Aufkommen der Massenmedien im 20. Jahrhundert. Doch während früher Gatekeeper der Kulturindustrie das Talent von Kindern vermarkteten, bieten heutzutage soziale Medien vielen die Möglichkeit, unverhofft bekannt zu werden. Ein Beispiel dafür ist die Teenagerin Whitney Bjerken aus dem US-Bundesstaat Georgia, die mit Turnvideos auf ihrem YouTube-Kanal startete und heute mehr als 1,6 Millionen Follower hat. Sie wird früh zu einem Medienprofi mit hohen Ansprüchen; auch ihr Vater treibt die Popularität des Kanals voran. Die etwa gleichaltrige Yara aus Deutschland bewundert Whitney und betreibt einen Fan-Account. Der Zum Inhalt: Dokumentarfilm verfolgt die Entwicklung der beiden Jugendlichen im Alter von etwa 16 Jahren. Während Yara ihre Schüchternheit allmählich ablegt, ihre sexuelle Identität entdeckt und selbstbewusst ihr Coming-Out hat, muss Whitney feststellen, dass die hochgesteckten Ziele im Leistungssport schwer zu erreichen sind. In der Musik sucht sie Zugang zu ihren Gefühlen, aber auch nach neuem Content für ihre Social-Media-Marke.

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Die Regisseurin Joya Thome hat zuletzt zwei fiktionale Kinderfilme (Zum Filmarchiv: "Königin von Niendorf", DE 2017; Lauras Stern, DE 2021) inszeniert und interessiert sich auch in ihrem ersten dokumentarischen Langfilm für die Lebenswelt und die Perspektiven junger Menschen. Erwachsene treten nur in Interaktion mit den Protagonistinnen auf, während die Jugendlichen allein in ihrem Zimmer, bei Freizeitaktivitäten mit Freundinnen oder in Interview-Szenen (Glossar: Zum Inhalt: Talking Heads) zu sehen sind. Eine Zum Inhalt: Parallelmontage zwischen dem Leben des Social-Media-Stars und dem ihres Fans prägt die Dramaturgie des Films. In mancher Hinsicht sind sich Whitney und Yara ähnlich: Beide turnen, das soziale Umfeld ihrer Familien – bürgerliche Mittelschicht – ist vergleichbar und sie haben jeweils jüngere Geschwister. Doch während Yara die gewöhnliche Identitätsfindung einer Teenagerin durchlebt, setzt sich Whitney mit ihren öffentlich präsentierten Träumen (College-Stipendium, Nationalkader, Olympia-Teilnahme) unter Druck. In Making-Of-Szenen der von Whitney und ihrem Vater gedrehten Webvideos macht der Film Differenzen zwischen Image und Realität sichtbar.

Inszenierungen in den sozialen Medien einordnen zu können, gehört mittlerweile zu den Grundlagen der schulisch vermittelten Medienkompetenz. Praktische Filmarbeit, etwa die Produktion eigener persönlicher Webvideos, ist hierbei stets eine gute Möglichkeit, aber auch eine Filmanalyse von "One in a Million" eignet sich im Unterricht zum Thema Social Media. Weil der Film sich mit Wertungen zurückhält, sollten die beobachtende Form und die problematischen Aspekte von Whitneys Karriere diskutiert werden. Welche Rolle spielt der Vater, sowohl bei ihren sportlichen als auch bei ihren YouTube-Ambitionen? In einer beiläufigen Zum Inhalt: Szene wird etwa deutlich, dass auch finanzielle Interessen im Spiel sind. Eine weitere Thematik ist der Unterschied zwischen Breiten- und Leistungssport. Welche physischen und psychischen Belastungen, die beim Turnen immer wieder in der Kritik stehen, zeigt der Film auf? Die heute 18-jährige Whitney hat am 25. März 2023 auf ihrem Account das Ende ihrer Turnkarriere erklärt: "Ich liebe den Sport, aber ich hasse es, ihn zu praktizieren."

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