Das Jahr 1933 markiert in der deutschen Geschichte eine tiefgreifende Zäsur: Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten. In Volker Heises zweiteiligem Zum Inhalt: Dokumentarfilm "Berlin 1933 – Tagebuch einer Großstadt" spielt dieses Ereignis eine zentrale Rolle, denn die Hauptstadt Berlin war damals der zentrale Zum Inhalt: Schauplatz. Die Konflikte der Weimarer Republik hatten sich, erläutert der Zum Inhalt: Off-Kommentar zu Beginn des Films, Ende 1932 so zugespitzt, dass eine allgemeine Anspannung herrschte: "Das neue Jahr muss die Entscheidung bringen". Wie der Titel schon ankündigt, geht Heise kalendarisch vor, nicht jeder Tag bekommt einen eigenen Eintrag, aber alle wesentlichen zeithistorischen Geschehnisse wie der Reichstagsbrand oder der vom NS-Regime angeordnete Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April sind mit individuellen Schicksalen und alltäglichen Vorgängen verbunden. Mit einem Gesetz über die Einheit von Staat und Partei vollendet sich die "Machtergreifung" im Dezember, bei einem Weihnachtsfest prangt das Hakenkreuz über der Parole "Und Friede auf Erden". Heise schließt mit Bildern eines Modells der Reichshauptstadt Germania, die eine architektonische Zukunftsvision der Nationalsozialisten blieb, und des realen zerstörten Berlin 1945 als Ausblick.

Die Darstellung historischer Ereignisse und Prozesse in Film und Fernsehen hat seit dem Ende des 20. Jahrhunderts von verschiedenen Entwicklungen profitiert: die rapide wachsende Zugänglichkeit von Archiven im Prozess der Digitalisierung, dazu die Fortschritte in der Geschichtsschreibung, die gelernt hat, verschiedene Perspektiven miteinander zu verbinden – "große" Politik und Alltag, Mehrheiten und Minderheiten, Opfer und Täterinnen und Täter, Hochkultur und Populärkultur. Wie bereits in Zum Filmarchiv: "Berlin 1945 – Tagebuch einer Großstadt" (DEU 2020) integriert Volker Heise in seinem neuen Zum externen Inhalt: Kompilationsfilm (öffnet im neuen Tab) nahezu mustergültig alle diese Facetten: Er geht von konkreten Tagebüchern aus und verwendet dabei so unterschiedliche Aufzeichnungen wie die des Arztes Willi Lindenborn (der auch sein Liebesleben genau notiert), der Hausfrau Clara Brause oder auch des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels. Hinzu kommen Radio-Dokumente und andere Tonzeugnisse, darunter auch Reden Hitlers. Auf der Bildebene montiert Heise heterogenes historisches Archivmaterial – private Foto- und Filmaufnahmen ebenso wie Zum Inhalt: Sequenzen aus Wochenschauen, Zum Inhalt: Propaganda- oder Dokumentarfilmen, dazu Zeitungsseiten, Plakate und Zeugnisse aus dem visuellen Alltag dieser Zeit. Die Bilder "entsprechen" dabei jeweils den Informationen der Tonebene, manchmal direkt, manchmal als eine illustrierende Zugabe. So entsteht eine Art Filmteppich, dicht verwoben, notwendigerweise ausschnitthaft, der aber doch das Jahr 1933 in einem multiperspektivischen Überblick abrollen lässt.

In "Berlin 1933 – Tagebuch einer Großstadt" liegt Volker Heises besonderes Augenmerk auf den Opfern der nationalsozialistischen Politik. Im Fach Geschichte bietet sich der Film so als Ausgangspunkt an, um die Verfolgungen, die bereits zu Beginn der NS-Herrschaft, in der Phase des Machtausbaus, stattfanden, zu thematisieren und zu analysieren: Welche Gruppen und Personen waren betroffen? Welche Ziele verfolgte das Regime mit den brutalen Maßnahmen? Eine formale Analyse des Films ist schon deshalb anspruchsvoll, weil er in vielen Sequenzen sehr komplex konstruiert ist. Als Ausschnitt eignet sich die Passage 5. April: Hier werden verschiedene Ereignisse und verschiedene Medientypen spannend miteinander verschaltet. Mithilfe eines Sequenzprotokolls könnte die formale Struktur (zum Beispiel der Einsatz einer Zum Inhalt: Parallelmontage) im Detail erfasst und auf ihre Wirkung hin analysiert werden. In diesem Zusammenhang sollte auch die Herkunft oder der Entstehungszusammenhang des verwendeten Bild- und Tonmaterials besprochen und problematisiert werden.

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