Viele Jahre sind vergangen, seitdem der Tischler Geppetto seinen Sohn Carlo während des Ersten Weltkriegs durch Fliegerbomben verloren hat. Aus dem Zapfen, den er neben dessen Grab gepflanzt hatte, ist mittlerweile eine prächtige Pinie geworden. Doch Geppetto leidet noch immer unter dem Verlust und wünscht sich nichts sehnlicher, als seinen Sohn zurückzubekommen. Als sein Flehen nicht erhört wird, fällt er eines Nachts in seiner Verzweiflung den Baum und schnitzt daraus eine Holzpuppe. Umso größer ist sein Erstaunen, als die Figur am nächsten Morgen als Pinocchio zum Leben erwacht ist. Die Freude aber währt nicht lange. Zum einen, weil sie ungestüm und widerspenstig ist, zum anderen, weil sie im Dorf höchst misstrauisch beäugt wird. Eine Situation, die auch die Puppe traurig macht. Sie weiß, dass sie Carlo nie ersetzen kann, und wünscht sich, so akzeptiert zu werden, wie sie ist. So reißt Pinocchio eines Tages aus und schließt sich dem Wanderzirkus des dubiosen Schaustellers Graf Volpe an.

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Die Holzpuppe aus Carlo Collodis Roman Die Abenteuer des Pinocchio aus dem Jahr 1883 ist vor allem dafür bekannt, dass ihre Nase beim Lügen länger wird sowie für ihren Wunsch, ein richtiger Junge aus Fleisch und Blut zu werden. Guillermo del Toro jedoch weicht in seiner akribisch inszenierten Zum Inhalt: Figurentrick-Adaption der Geschichte deutlich von diesen Prämissen ab. Die eindeutige Moral der Vorlage, die dem Muster des Erziehungsromans folgt, hat er aufgegeben: Pinocchio muss nun nicht mehr fremde Erwartungen erfüllen und lernen, sich anzupassen, sondern darf so bleiben, wie er ist. Mit großer Sympathie für die Figur erzählt der Film über Individualität und den Mut, seinen eigenen Weg zu gehen. Dieses Thema beleuchtet er dabei nicht nur in der Beziehung zwischen Geppetto und Pinocchio, sondern auch vor dem historischen Hintergrund. Die Handlung wurde in die Zeit des italienischen Faschismus verlagert, in der von allen Menschen Unterordnung und Gehorsam erwartet wurde. Ausgerechnet die Holzpuppe sticht in dieser Umgebung hervor. Ergänzend zu diesem realistischen Hintergrund eröffnet der Film eine märchenhafte Ebene, die große Fragen nach Vergänglichkeit und dem Sinn des Lebens aufwirft. Insgesamt wird diese Pinocchio- Zum Inhalt: Adaption durch einen düsteren Tonfall geprägt, der sich in der Zum Inhalt: Farbgestaltung, den Zum Inhalt: Sets und auch dem kantigen Design der Figuren spiegelt.

Durch die Verschiebung des Motivs von Pinocchio erhält die auch im Kino schon oft erzählte Geschichte der Holzpuppe eine neue Relevanz. Dies lädt insbesondere im Deutsch- oder Italienisch-Unterricht dazu ein, die erzieherische Botschaft der Vorlage mit dem Bildungsgedanken der Neuverfilmung zu vergleichen: Wie sieht Collodi das "Kind" Pinocchio, wie sieht es del Toro? Zugleich lässt sich im Anschluss daran – etwa in einem fächerübergreifenden Projekt – im Fach Geschichte die historische Dimension der Erzählung betrachten und analysieren, welche Bilder der Film für den Faschismus findet und in welchem Licht Anpassung und Auflehnung dabei erscheinen. Auch die märchenhaften Aspekte können untersucht werden, wobei der Fokus insbesondere auf den Figuren des Zwischenreichs – der Waldgöttin und der Todesgöttin – liegen kann. Mit älteren Schüler/-innen ab 16 Jahren wiederum lohnt sich ein ergänzender Blick in das Werk von del Toro, der bereits mit (ESP/MEX/USA 2006) die Themenfelder Märchen und Faschismus verbunden hat. Nicht zuletzt ist "Guillermo del Toros Pinocchio" aber auch eine Einladung zum Philosophieren – über die Rolle, die der Tod im Leben spielt, und was von einem Menschen bleibt, nachdem er gestorben ist.

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