"Parlament"

Aller Anfang ist schwer. Das muss auch der junge Franzose Samy erkennen, als er im Europäischen Parlament in Straßburg seinen Job als Assistent des faulen und etwas begriffsstutzigen Abgeordneten Specklin antritt. In der ersten Staffel der Serie "Parlament" verirrt sich der Politikneuling in Intrigen und romantischen Verwicklungen, nicht zuletzt aber in den undurchdringlich scheinenden Strukturen der Institution – bis er schließlich im Ausschuss für Fischerei eine Vorlage zum Schutz von Haien durchboxt. In der zweiten Staffel wartet nun eine noch größere Herausforderung: Nach der Neuwahl des Parlaments bewirbt sich Samy um einen neuen Assistentenposten. Er landet bei der jungen progressiven Abgeordneten Valentine Cantel, muss sich aber gegen deren fachlich besser ausgebildeten Praktikanten Dragan behaupten. Um seine Chefin zu beeindrucken, bringt er die Idee eines Blue New Deal ins Spiel, eines Maßnahmenpakets gegen die Verschmutzung der Ozeane. Die Ausgestaltung des Pakets erweist sich allerdings als weitaus komplexer als anfänglich gedacht und führt Samy in einen Dschungel aus Zuständigkeiten, Initiativen und Rechtsvorschriften. Währenddessen muss sich seine ehemalige Kollegin Rose, für die Samy Gefühle hegt, in ihrem neuen Job als Lobbyistin im EU-Parlament beweisen.

Anhand von Samys Geschichte erzählt die Comedy-Serie satirisch zugespitzt vom Funktionieren und Nichtfunktionieren des Europäischen Parlaments. Dabei wird die kumulative serielle Struktur genutzt, um von Episode zu Episode die Sicht auf die Verfahrens- und Arbeitsabläufe des Parlaments zu erweitern. Samy fungiert hierbei als Stellvertreterfigur für das Publikum, dem sich die komplizierte kleinteilige politische Arbeit zunächst ebenso verwirrend darbietet wie ihm. Doch wie Samy findet es sich im Laufe der Serie immer besser in den labyrinthartig Zum Inhalt: inszenierten Gängen des Parlaments zurecht und lernt zu verstehen, wie Richtlinien, Beschlüsse und Verordnungen auf europäischer Ebene entstehen. Der teils alberne, teils treffsicher mit Stereotypen und Klischees spielende Humor legt Absurditäten des parlamentarischen Alltags offen, gleichzeitig sensibilisiert die Serie für die Komplexität und Bedeutung politischer Kooperation in Europa. Vor allem die Originalfassung mit deutschen Untertiteln vermittelt einen lebhaften Eindruck von der Sprachenvielfalt der EU.

"Parlament" wirft einen humorvollen, nie zynischen und dabei recht genauen Blick auf den Politikbetrieb in Straßburg und Brüssel und bietet sich deshalb besonders für das Fach Politik an. Vor der Sichtung ausgewählter Episoden sollten die verschiedenen Organe der Europäischen Union mit einem besonderen Fokus auf das Europäische Parlament besprochen werden. Für eine Diskussion der Serie im Unterricht eignet sich besonders die erste Folge der ersten Staffel, in der sowohl die Figuren und handlungsleitenden Konflikte sowie der Zum Inhalt: Handlungsort etabliert werden. Anhand dieser Folge lässt sich auch der Frage nachgehen, wie in der Serie filmästhetische Mittel eingesetzt werden, um den Eindruck des Parlaments als eine labyrinthische Welt zu erzeugen. Ergänzend können die erste und dritte Folge der zweiten Staffel hinzugezogen werden, in welchen die Karten für die Hauptfiguren neu gemischt werden. Hier eignet sich Samys Idee eines Blue New Deal, der angelehnt ist an den realen Green Deal für eine Diskussion: Wie ist die Idee des europäischen grünen Deals entstanden? Welche Organe, Akteure und Interessenvertretungen sind daran beteiligt und was sind die Schwierigkeiten bei der Umsetzung? Diesen Aspekten können Samys Probleme bei der Ausgestaltung seines Maßnahmenpakets gegenübergestellt werden. Zu diskutieren ist hier auch die Rolle des Lobbyismus, welche in der zweiten Staffel über die Figur Rose erzählt wird: Auf welche Weise verhindern oder ermöglichen Lobbyisten/-innen die Umsetzung politischer Maßnahmen auf europäischer Ebene?