Der junge Syrer Sam Ali ist fest entschlossen, seine Geliebte Abeer zu heiraten. Wegen einer unbedachten Äußerung wird er 2011 vom Regime inhaftiert, entkommt aber mit Hilfe seiner Schwester in den Libanon. Während Sam sich dort mit Aushilfsjobs durchschlägt, willigt Abeer auf Drängen ihrer wohlhabenden Familie in die Ehe mit einem Diplomaten ein, mit dem sie nach Brüssel zieht. In Beirut lernt Ali auf einer Vernissage den belgischen Starkünstler Jeffrey Godefroi kennen, der gerne mit provokativen Kunstaktionen auf sich aufmerksam macht. Godefroi macht Ali ein verlockendes Angebot: Wenn dieser sich ein Schengen-Visum auf den Rücken tätowieren lässt und sich als lebendes Kunstobjekt in Ausstellungen präsentiert, erhält er eine hohe Gewinnbeteiligung und ein Visum für Europa. Sam stimmt zu und reist zur ersten Ausstellung nach Brüssel, wo er in einem Luxushotel wohnt. In der Metropole kann er zwar Abeer treffen, leidet aber auch unter den Nachteilen des Vertrags mit Godefroi, der seine persönlichen Freiheiten stark einschränkt.

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Die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania bezieht sich in ihrem Zum Inhalt: Drehbuch auf das Kunstwerk Tim des Belgiers Wim Delvoye: Der Konzeptkünstler tätowierte 2008 eine aufwendige Punk-Kreuzigungsszene auf den Rücken des Schweizers Tim Steiner, der sich und seinen entblößten Oberkörper gegen Bezahlung in Galerien ausstellte. Indem der Film einen Geflüchteten aus Syrien zum menschlichen Kunstobjekt macht, fügt er der grotesken Idee eine zusätzliche politische Dimension hinzu. Die Kamera zeigt Ali häufig in Durchgängen, hinter Fenstern und in Spiegeln und veranschaulicht so sein Gefangensein im Goldenen Käfig der Kunstsphäre und den damit einhergehenden Verlust an Selbstbestimmung. Wie die schwedische Filmsatire (Glossar: Zum Inhalt: Genre) "The Square" (2017) übt der Film sarkastische Kritik am Zynismus des kommerziellen Kunstbetriebs samt Starkult und Posen. Die Beleuchtung (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung) und Zum Inhalt: Kameraperspektiven heben dabei Godefrois Selbstinszenierung (Glossar: Zum Inhalt: Mise-en-scène/Inszenierung) als exzentrischer Künstler hervor. Wenig plausibel wirkt das märchenhaft überhöhte Happy Ending, wird doch die riskante Rückkehr Alis ins Bürgerkriegsland Syrien nur durch seinen fingierten Tod ermöglicht.

Der Starkünstler stellt mit dem Visum-Tattoo auf drastische Weise die Migrationspolitik vieler europäischer Länder in Frage. "Der Mann, der seine Haut verkaufte" bietet sich so für das Fach Politik als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit dem Thema an: Kommen die politischen Maßnahmen einer Abschottung gleich, die im Widerspruch zu den Rechten Geflüchteter steht? Darüber hinaus liefert der Film Ansätze, um im Ethikunterricht zu untersuchen, ob die Ausbeutung des Protagonisten eine Form modernen Menschenhandels darstellt. In den Fächer Ethik und Kunst bietet sich eine Diskussion über die moralischen Grenzen der Kunst an: Rechtfertigt der Zweck einer solchen Kunstaktion die Mittel? Dürfen Kunstschaffende die Notlage eines Menschen so ausnutzen, auch wenn sie ihm zugleich helfen? Inwieweit müssen Kunst und Medien zuspitzen, um Aufmerksamkeit für Missstände zu erlangen? Im Film sagt Godefroi, der Kunststar mit den schwarz geschminkten Augen, er sehe sich manchmal als Mephistopheles. Im Deutsch-Unterricht können die Schülerinnen und Schüler Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Tattoo-Abkommen und dem Teufelspakt in Goethes Faust herausarbeiten.

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