Der Matrose Martin Eden ist ein wuchtiger, ungebildeter Mann, von einigem Charisma, aber auch immer bereit für eine Prügelei. Als er in Neapel die Bürgerstochter Elena kennenlernt, eröffnet sich ihm eine neue Welt. Um ihr Herz zu gewinnen, möchte er so viel lesen wie möglich und Schriftsteller werden. Doch seine an Zeitschriften geschickten Kurzgeschichten kommen stets postwendend zurück. Sein Mangel an Schulbildung scheint einfach nicht aufzuholen. Oder ist es der harte Realismus seiner Erzählungen aus dem Arbeiterleben, der andere abschreckt? In der Auseinandersetzung mit der sozialistischen Bewegung und der Evolutionstheorie des britischen Philosophen Herbert Spencer schärft Martin seinen Blick. Dieses politische Bewusstsein bringt ihn schließlich zu Fall, als sich der Erfolg unerwartet doch einstellt. Die bürgerliche Gesellschaft, die ihn als proletarischen Emporkömmling nicht anerkennen wollte und nun hofiert, empfindet der neue Literaturstar mittlerweile als verlogen. Zwischen klassenkämpferischem Furor und dekadentem Lebensstil verliert er den Bezug zur Realität.

Pietro Marcellos kraftvolle Künstlerstudie Zum Inhalt: beruht auf dem 1909 erschienenen gleichnamigen, stellenweise autobiografischen Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Jack London. Auf italienische Verhältnisse übertragen, betont der Film gleichwohl die Zeit- und auch Ortlosigkeit der Vorlage. Verweisen manche Zum Inhalt: Szenen in Zum Inhalt: Kleidung, Zum Inhalt: Ausstattung und Zum Inhalt: Musik auf die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, evozieren andere die Epoche zwischen den Weltkriegen. Ungewohnt sinnliche, gelegentlich experimentelle Zum Inhalt: Schnittfolgen etwa zur Bebilderung eines Briefwechsels zwischen Martin und Elena erinnern an das politische, mit Namen wie Pasolini und Bertolucci verbundene italienische Kino der 1960er-Jahre. Subtil eingestreute Zum Inhalt: Dokumentaraufnahmen lösen die Chronologie weiter auf und geben der Erzählung doch ihren historischen Kontext: Martin Eden erweist sich als Wanderer durch das 20. Jahrhundert, gebeutelt von dessen politischen Kämpfen, Ideologien und Freiheitsversprechen. Zwischen kommunistischer Agitation, großbürgerlicher Gleichgültigkeit und dem aufkeimenden Faschismus – man glaubt in einer Figur Mussolini zu erkennen – kommt ihm die Orientierung abhanden.

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Londons "Bildungsroman" wurde zumeist als "Erfolgsgeschichte" eingeordnet und verkauft – gegen den Willen des Autors. Auch im Film ist Martin Eden weit mehr ein Anti-Held als ein Held. Sein hehres Bildungsideal, das ihn unmittelbar sympathisch macht, entpuppt sich als Illusion. Aus der bitteren Erkenntnis seiner bourgeoisen Künstlerexistenz flüchtet er in den Zynismus. Im Deutschunterricht kann analysiert werden, inwiefern sich die narzisstischen und selbstzerstörerischen Züge dieser komplexen Figur schon früher zeigen, etwa in Martins Umgang mit Gönner/-innen und insbesondere Frauen. Im Hinblick auf den zeitgeschichtlichen Kontext der Erzählung lässt sich im Politikunterricht deren universaler Anspruch diskutieren. Die Hauptfigur Martin wirkt unverhofft aktuell in einer Zeit, in der die von ihm philosophisch durchleuchteten Fragen von Massenkultur, sozialer Solidarität und Selbstverantwortung die Gesellschaften von neuem spalten. Die Weitsicht, mit der Jack London diese Prozesse literarisch verarbeitete, ist so beeindruckend wie die außergewöhnliche Komposition des Films, der auch als filmästhetisches Erlebnis überzeugt.

Arbeitsblatt zu "Martin Eden"

Fächer: Deutsch, Geschichte, Sozialkunde/Politik, Ethik/Philosophie, Kunst ab Klasse 11

Vor dem Filmbesuch:

a) Sehen Sie sich den Zum Inhalt: Trailer des Films an. Wer ist die Hauptfigur? Was sind die historischen, gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Themen? Sammeln Sie diese an der Tafel.

Hinweis: Sie können den Trailer auch mehrmals ansehen.

Während des Filmbesuchs:

b) Teilen Sie sich in zwei Gruppen A und B auf. Achten Sie während der Filmsichtung alle auf die Entwicklung der Titelfigur Martin Eden.

Gruppe A achtet zusätzlich auf die im Film wiederholt eingebundenen historischen Materialien. Gruppe B achtet zusätzlich auf die im Film eingesetzte Zum Inhalt: Musik.

Machen Sie sich während des Films und unmittelbar danach stichpunktartig Notizen.

Nach dem Filmbesuch:

c) Blicken Sie auf die in a) antizipierten Themen des Films und gleichen Sie ab. Ergänzen Sie mögliche weitere Themen, die durch die Filmsichtung hinzugekommen sind.

d) Finden Sie sich in neuen Kleingruppen zusammen. Tragen Sie Ihre Stichpunkte zur Entwicklung der Titelfigur Martin Eden zusammen. Identifizieren Sie hierfür die unterschiedlichen Phasen, die er während des Films durchläuft. Geben Sie den Phasen jeweils aussagekräftige Bezeichnungen. Visualisieren Sie Ihre Analyse.

Nach dem Filmbesuch:

c) Blicken Sie auf die in a) antizipierten Themen des Films und gleichen Sie ab. Ergänzen Sie mögliche weitere Themen, die durch die Filmsichtung hinzugekommen sind.

d) Finden Sie sich in neuen Kleingruppen zusammen. Tragen Sie Ihre Stichpunkte zur Entwicklung der Titelfigur Martin Eden zusammen. Identifizieren Sie hierfür die unterschiedlichen Phasen, die er während des Films durchläuft. Geben Sie den Phasen jeweils aussagekräftige Bezeichnungen. Visualisieren Sie Ihre Analyse.

g) Diskutieren Sie die folgenden Aussagen im Plenum, wobei Sie sich auf Ihre Analyse der Figur Martin Edens beziehen.

a. Der Regisseur Pietro Marcello Zum externen Inhalt: sagt (öffnet im neuen Tab) über die Figur Martin Eden: "Er verkörpert das Bild des Antihelden. Denn er wird ein Opfer der industriellen Massenkultur."
b. Martin Eden ist Zum externen Inhalt: am Ende (öffnet im neuen Tab) gezwungen, die Arbeiterklasse zu verraten.

h) Teilen Sie sich in Vierergruppen ein, die sich aus jeweils zwei Mitgliedern der A- und zwei Mitglieder der B-Gruppen von der Filmsichtung zusammensetzen. Tragen Sie Ihre Notizen zu den historischen Einblenden und dem Einsatz von Musik im Film zusammen. Erarbeiten Sie eine schlüssige Interpretation der Wirkungsweisen der ästhetischen Gestaltungsmittel.

i) Stellen Sie sich die Interpretationsansätze in der Klasse vor. Diskutieren Sie die Ergebnisse vor dem Hintergrund der abschließenden Frage: Ist die Geschichte Martin Edens zeitlos?

Optional (Gesellschaftswissenschaften):

j) Inwiefern entscheidet in unserer Gesellschaft noch heute die soziale Herkunft über Zugang zu Bildung? Sammeln Sie die im Zum externen Inhalt: Sur-Artikel (öffnet im neuen Tab) und im Zum externen Inhalt: bpb-Dossier (öffnet im neuen Tab) vorgetragenen Gründe für die anhaltende soziale Ungerechtigkeit im deutschen Bildungssystem.

k) Diskutieren Sie, inwiefern die Corona-Pandemie zu einer Verschärfung dieser Ungerechtigkeit beigetragen hat. Beziehen Sie sich dabei auf Informationen aus dem Text.

l) Formulieren Sie in der Lerngruppe drei bis fünf konkrete Vorschläge, wie man auf politischer und gesellschaftlicher Ebene gegen Bildungsungerechtigkeit vorgehen kann. Senden Sie Ihre Vorschläge an eine/-n Bundes- oder Landtagsabgeordnete/-n aus Ihrem Wahlkreis.

Optional (Fächer: Deutsch, Kunst/Musik):

m) Nachdem Elena im Film Martin aufgefordert hat, in seinen Texten weniger traurige Themen zu behandeln, laufen sie gemeinsam durch ein Elendsviertel Neapels. Martin stellt ihr die rhetorische Frage: "Ich soll mich schämen, von all dem hier zu erzählen?". Auch von heutigen Künstler/-innen werden ernsthafte Themen behandelt, etwa von der Sängerin Zoe Wees. Diese sagt in einem Interview: "Vor einigen Jahren wäre mir von der Popindustrie sicherlich abgeraten worden, über traurige Themen zu schreiben.“ (ZEIT Magazin, Nummer 35, 26.08.2021)

Recherchieren Sie weitere Künstler/-innen der jüngeren Generation, die sich weigern, sich den kommerziellen Interessen der Kulturindustrie gänzlich zu unterwerfen. Erarbeiten Sie kurze Porträts, wobei Sie ein Werk oder einen Text/Song exemplarisch vorstellen.

n) Präsentieren Sie sich gegenseitig Ihre Ergebnisse in einer Werkschau.

o) Diskutieren Sie, warum Massenkultur und Authentizität (lange) in einem Konfliktverhältnis zueinander standen beziehungsweise stehen. Erarbeiten Sie Pro- und Contra-Argumente, warum sich dieses Konfliktverhältnis in der neuen Generation an Pop-Künstler/-innen (nicht) auflösen könnte.

Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.

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