Ibrahima Dieng, ein arbeitsloser Muslim, lebt mit zwei Frauen und sieben Kindern in den Slums von Dakar (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set). Eine Geldanweisung seines Neffen aus Paris erscheint der armen Familie wie ein Geschenk Gottes. Doch die Einlösung der beträchtlichen Summe von 25.000 afrikanischen Francs, die der Onkel unter den Verwandten aufteilen soll, erweist sich als tückisch: Der Analphabet Ibrahima besitzt keinen Personalausweis, für dessen Ausstellung er wiederum eine Geburtsurkunde benötigt. Unverhoffte Auslagen für zwielichtige Helfer und die Begierden der ganzen Nachbarschaft, die schnell von seinem plötzlichen Reichtum erfahren hat, drohen den unbedarften Mann zu ruinieren. Reiche Immobilienhaie haben es überdies, ohne sein Wissen, auf sein Haus abgesehen. In einer von Bürokratie, Korruption und unüberwindlichen sozialen Gräben geprägten Gesellschaft erweist sich der vermeintliche Geldsegen als wahrer Fluch.

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"Mandabi" (1968, dt. Titel: "Die Postanweisung" ), der zweite Langspielfilm der senegalesischen Zum Inhalt: Regie-Ikone Ousmane Sembène, gilt als erster Film eines afrikanischen Regisseurs in einer afrikanischen Sprache. Die Verwendung der einheimischen Sprache Wolof war wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Senegals im Jahre 1960 ebenso revolutionär wie der Dreh in Farbe (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung). Es ist ein Film für Menschen wie Ibrahima, der wie die große Mehrheit der Bevölkerung der Amtssprache Französisch nicht mächtig ist und allein dadurch in der staatlichen Bürokratie auf Hürden stößt. Eine so komische wie tragische Figur, agiert er nur innerhalb der eigenen vier Wände als unumschränkter Patriarch – der die tägliche Arbeit seinen ungleich patenteren Frauen überlässt. Im Behördendickicht der senegalesischen Hauptstadt hingegen geht sein gesellschaftlicher Status gen null. Indes steht seine ständige Geldnot, die er durch pompöses Gehabe zu überdecken sucht, für den inneren Zustand eines ganzen Landes. Das zeigen die vielen, im Stil des sowjetischen Montagefilms und des italienischen Zum Inhalt: Neorealismus gedrehten Straßenszenen (Glossar: Zum Inhalt: Szene), die eine Zeit voller Hoffnung und Leid auf einmalige Weise zum Leben erwecken.

Sembènes Gesellschaftskritik erweist sich als äußerst vielschichtig. Der Marxist und frühe Kritiker des Kolonialismus attackiert nicht nur den immer noch großen Einfluss der früheren Kolonialmacht Frankreich, die Bürokratie und den Kapitalismus, sondern auch einheimische Traditionen, religiöse Praktiken und die damit verbundenen Geschlechterrollen. So lassen sich etwa im Ethikunterricht die Darstellung der Polygamie und Ibrahimas eigenwilliges Verhältnis zum muslimischen Glauben – er verschläft das Freitagsgebet und windet sich um ein Almosen – diskutieren. Im Politik- oder Geschichtsunterricht kann auch die deutliche Aktualität der Erzählung herausgearbeitet werden. In einem melancholischen Einspieler wird etwa das Schicksal von Ibrahimas Neffen Abdou gezeigt, der in Paris als Straßenkehrer arbeitet – Geldüberweisungen von Migranten und Migrantinnen bilden in vielen Regionen Afrikas noch immer einen wichtigen Teil des Einkommens. Um nicht wie sein Onkel von Almosen leben zu müssen, ging Abdou nach Europa. Doch beide sind letztlich Fremde in dem Land, in dem sie leben. Mit leisem Humor und einiger Wut fragt Sembène in diesem Meilenstein des afrikanischen und postkolonialen Kinos, was die Unabhängigkeit seinen Landsleuten bisher gebracht hat.

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