Anfang des 18. Jahrhunderts: Eine Handvoll Kinder, aus Afrika nach Europa verschleppt, stehen zum Verkauf. Frisch gewaschen sind sie, in weißen Gewändern gekleidet, als sie der Comtesse von Messina angeboten werden. Sie wählt einen kleinen Jungen aus, den sie auf den Namen Angelo tauft und zu ihrem Erziehungsprojekt macht: Angelo erhält fortan eine umfangreiche musische und sprachliche Ausbildung und wird bald als Kammerdiener von einem Adelshaus zum anderen gereicht. Bei Gesellschaften unterhält er seine andächtigen Zuhörer/-innen als vermeintlicher Sohn eines mächtigen "Negerkönigs" mit schaurigen Geschichten aus Afrika – und wird so zur Projektionsfläche ihrer Ängste und Vorurteile. Schließlich wird sogar der österreichische Kaiser auf den "hochwohlgeborenen Hofmohr" aufmerksam und holt ihn zu sich nach Wien. Als Angelo sich dort in eine Kammerzofe verliebt und sie heimlich heiratet, findet der Kaiser für ihn eine ungewöhnliche Bestrafung: Er schenkt ihm die Freiheit.

Mit "Angelo" zeichnet Regisseur Markus Schleinzer das Leben des vermutlich aus Nigeria stammenden Angelo Soliman (etwa 1721-1796) nach. Sein Film ist jedoch weniger konventionell inszeniertes Zum Inhalt: Biopic als eine Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus, Kolonialismus und Identität. In drei Akten entfaltet Schleinzer Angelos Biografie vom Kindesalter bis zu seinem Tod. Dabei verengt er mit einem Zum Inhalt: 4:3-Format den Blick und macht so den Zuschauer/-innen den geringen Handlungsspielraum von Angelo bewusst. Das Zum Inhalt: In-Szene-Setzen in theaterhaften Tableaus hält sie zusätzlich auf fast voyeuristischem Abstand. Historische Zum Inhalt: Kulissen werden dabei wiederholt mit modernen Versatzstücken unterlaufen. So betritt etwa die Comtesse im Zum Inhalt: Kostüm des 18. Jahrhunderts eine Zum Inhalt: neonbeleuchtete Lagerhalle, in der die versklavten Kinder zum Kauf angeboten werden. Der Regisseur spielt außerdem mit stilsicheren Zum Inhalt: Bildkompositionen sowie sorgfältig ausgesuchten Kostümen und Requisiten, die an Fotostrecken teurer Modemarken erinnern. Lange Einstellungen filmt Kameramann Gerald Kerkletz mit einer Zum Inhalt: Handkamera: Nur minimale Verwacklungen sind zu sehen und wecken Assoziationen an perfekte Inszenierungen einer durchaus "hippen" Instagram-Story.

Angelo, Trailer (© Grandfilm)

Damit bietet Schleinzer eine inhaltlich wie visuell komplexe Grundlage, um im Gesellschaftskunde- aber auch im Kunstunterricht über Projektionen, Authentizität, Identität und Selbstinszenierung nachzudenken: Inwiefern inszenieren wir zunehmend unser Leben und erschaffen uns virtuelle Identitäten, um eine möglichst präsentables Selbst zu erschaffen? Angelo wird eine Identität übergestülpt, die er so perfekt wie möglich ausfüllen will. Nur stößt er dabei an die Grenzen "seiner Rolle", denn aufgrund seiner Hautfarbe wird ihm vom europäischen Adel seine Menschlichkeit abgesprochen. Hieran anknüpfend lassen sich im Geschichtsunterricht die Quellen des im 18. Jahrhundert gängigen Rassismus und Exotismus und ihre Einflüsse auf die Gegenwart ausloten. Auch lohnt es sich mit der Kolonialgeschichte Afrikas zu befassen, deren Auswirkungen sich bis heute deutlich in den gesellschaftlichen Verhältnissen niederschlagen. Stichworte hierfür sind unter anderem: Missionierung, koloniale Landnahme, Sprache, Ausbeutung der Bodenschätze. Spannend ist dabei im Ethik- oder Politik-Unterricht auch die Beschäftigung mit dem Begriff "Freiheit": Wie frei kann ein Mensch oder ein Land sein, das über Jahre seiner kulturellen Identität und seiner Ressourcen beraubt wurde?

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