Kategorie: Filmbesprechung
"In Zeiten des abnehmenden Lichts"
Familiendrama über den Verfall der DDR nach einer Roman-Vorlage offenbart Einzelschicksale und konträre Perspektiven
Unterrichtsfächer
Thema
Wenige Tage vor dem 40. Jahrestag der DDR im Herbst 1989 feiert der pensionierte SED-Funktionär und bekennende Stalinist Wilhelm Powileit seinen 90. Geburtstag, zu dem Verwandte, Bekannte und Parteigenossen eingeladen sind. Einen Partei-Orden und andere Geschenke nimmt er mürrisch entgegen. Sein geliebter Enkel Sascha, der wie jedes Jahr den klapprigen Büfett-Tisch aufbauen soll, lässt jedoch auf sich warten. Schließlich muss Wilhelms Stiefsohn Kurt zugeben, dass Sascha die DDR verlassen hat. Der Hardliner Wilhelm setzt "Republikflucht" mit Verrat gleich. Er äußert sich abfällig über seine "Defätistenfamilie", deren bisher verdrängte Konflikte nun deutlich hervortreten. Kurts russische Frau Irina, die dieser seit längerem betrügt, nutzt ebenfalls die Gelegenheit, um sturzbetrunken mit Teilen der Familie abzurechnen.
Nach "Boxhagener Platz" (Geschonneck, DEU 2010) adaptiert Regisseur Matti Geschonneck erneut eine literarische Vorlage (Glossar: Zum Inhalt: Adaption), die in der DDR spielt. Eugen Ruges autobiografisch gefärbter und mehrfach ausgezeichneter Roman In Zeiten des abnehmenden Lichts spiegelt die Geschichte der DDR und der Nachwendezeit von 1952 bis 2001 anhand eines Familienporträts über vier Generationen. Anders als der Text erzählt der Film die Geschichte jedoch synchron und verzichtet auf unterschiedliche Erzählperspektiven. Abgesehen von der Rahmenhandlung, die in der Sowjetunion spielt, konzentriert sich das Zum Inhalt: Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase auf den Geburtstag des Funktionärs. Somit lebt "In Zeiten des abnehmenden Lichts" von Elementen des Zum Inhalt: Kammerspiels. Den melancholischen Grundton brechen der leise Humor und skurrile Situationen, die von einem hervorragenden Schauspiel-Ensemble getragen werden.
Den Verfall des realsozialistischen Systems illustriert der Film anhand einer Familiengeschichte. Im Verhältnis zur DDR zeigt sich dabei ein Wandel zwischen den Generationen: Während Wilhelm zeitlebens dem Staat gedient hat, ist Kurt verbittert und Enkelsohn Sascha verlässt das Land im Dissens. Im Unterricht kann thematisiert werden, wie eng Einzelschicksale an politische Entwicklungen gekoppelt sind. Im Deutsch- und Geschichtsunterricht bietet sich zudem die Auseinandersetzung mit der Emigration zur Zeit des Nationalsozialismus an. Während Wilhelm und seine Frau Charlotte nach Mexiko emigrierten, wurden Charlottes Söhne nach Moskau geschickt. Von dort aus wurden sie 1941 in einen Gulag deportiert – weil sie den Nichtangriffspakt der Sowjetunion mit dem Deutschen Reich kritisierten. Ebenso bietet sich ein Vergleich des Films mit der literarischen Vorlage an. Schwerpunkte sollten dabei die Erzählperspektive und die narrative Chronologie sein, da den Roman Multiperspektivität und zahlreiche Zum Inhalt: Rückblenden kennzeichnen.