Kategorie: Filmbesprechung
"Alles gut"
In ihrem Dokumentarfilm über die Wirklichkeit der Integration geflüchteter Familien, begleitet Pia Lenz "Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge" und gibt jenen dabei ein Gesicht
Unterrichtsfächer
Thema
Fast zwei Jahre sind vergangen, seit Angela Merkel mit ihrem Satz "Wir schaffen das" der Integrations-Debatte eine neue Facette gab. Die Regisseurin Pia Lenz zeigt mit ihrem Zum Inhalt: Dokumentarfilm, wie das Leben Geflüchteter im Alltag aussehen kann. Am Beispiel zweier Familien und ihrer Kinder erzählt der Film davon, wie schwer es sein kann, in Deutschland anzukommen. Vor allem für diejenigen, die wie der Roma-Junge Djaner keine realistische Bleibeperspektive haben. Der Achtjährige kommt aus Mazedonien, das als "sicheres Herkunftsland" gilt. Obwohl er zu Hause ausgegrenzt und verfolgt wurde und sich in Deutschland in seiner neuen Klasse integriert, drohen ihm, seiner Mutter und seinem Bruder die Abschiebung. Die Familie der elfjährigen Ghofran aus Syrien hat hingegen eine Aufenthaltsgenehmigung. Aber Ghofran vermisst Syrien und hat Angst, durch eine Anpassung den letzten Kontakt zur Heimat zu verlieren. Trotz allem gelingt beiden schließlich meisterhaft ein Neuanfang. Im Verlauf des Films arrangieren sie sich und leben – mit der Hilfe engagierter Lehrer/-innen – ihren Eltern vor, wie das Ankommen gelingen kann.
Durch die Auswahl der Familien werden zwei unterschiedliche Perspektiven von Geflüchteten in Deutschland sichtbar. Indem sich Pia Lenz auf das Schicksal der Kinder konzentriert, macht sie deutlich, dass die Einteilung der Menschen in schutzbedürftige und nicht-schutzbedürftige Gruppen, die asylrechtlich vor allem von der Einstufung des Herkunftslandes abhängt, im individuellen Fall nicht haltbar ist. Der Film zeigt "Kriegsflüchtlinge" als Menschen mit konkreten Gesichtern und individuellen Geschichten und sogenannte "Wirtschaftsflüchtlinge" als Kinder, die wie alle anderen auch in die Schule gehen wollen. Die junge Regisseurin hat ihren Film über weite Strecken mit der Handkamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) und ohne Begleitteam gedreht. Das führt zu einer großen Nähe zu den Hauptpersonen, ohne dass dabei die Bildqualität (Glossar: Zum Inhalt: Bildkomposition) leidet. Kombiniert mit dem melancholischen Soundtrack (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) der Band The Notwist ist ein intimer Film entstanden, der Empathie für die Lebenssituation seiner Protagonistinnen und Protagonisten vermittelt.
Kinder und Jugendliche können sich mit den gleichaltrigen Mitwirkenden des Films gut identifizieren und kennen die schulischen Situationen, die im Film gezeigt werden, aus dem eigenen Erleben. Im Gegensatz dazu stehen die beengte Lebenssituation der Familien und die große Unsicherheit, in der sich vor allem Djaner und seine Familie befinden. Was es heißt, heute nicht zu wissen, ob man morgen noch in seinem Bett schlafen oder in die Schule gehen kann, wird in den intimen Familienszenen des Films sichtbar. Im Gemeinschaftskunde-Unterricht können die rechtlichen Grundlagen des deutschen Asylrechts, aber auch die verschiedenen Definitionen von Integration thematisiert werden. Welche Möglichkeiten es gibt, Geflüchteten zu helfen, kann im Ethik- oder Religionsunterricht behandelt werden. Für fortgeschrittene Schüler/-innen bietet sich ein Vergleich von Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Asyl- und Integrationspolitik an. Schüler/-innen und Lehrer/-innen bietet der Film einen Anreiz zum Perspektivwechsel und zur Diskussion der Frage, wie sie selbst in einer ähnlichen Situation handeln würden.