Daniel Blake ist auf dem ersten Blick alles andere als ein Held: ein verwitweter Schreiner kurz vor dem Rentenalter, der vierzig Jahre auf dem Bau gearbeitet hat und nach einem Herzinfarkt nicht mehr die Kraft hat für den Knochenjob. Seine Tage verbringt er damit, über Müll in der Wohnanlage und Hundekot auf dem Grünstreifen zu streiten. Aber Dan, wie ihn alle nennen, ist die Titelfigur in einen Film von Ken Loach und damit erstklassiges Heldenmaterial. Bei dem Versuch, staatliche Unterstützung zu beantragen, gerät Dan in die kafkaeske Welt eines modern gemanagten Sozialsystems, in dem der einzelne zwischen Onlineformularen und Callcenter-Schleifen verloren geht. Mit der jungen Mutter Katie, die er auf dem Sozialamt kennenlernt, gründet er eine Art Ersatzfamilie und Kampfgemeinschaft für Selbstbehauptung und gegen soziale Kälte und staatliches Unrecht.

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Ken Loach, Altmeister des sozialrealistischen britischen Kinos, porträtiert seit Jahrzehnten die britische working class – oder das, was nach den Regierungszeiten von Margaret Thatcher und Tony Blair von ihr übrig ist. Für diesen Film haben er und sein Zum Inhalt: Drehbuchautor Paul Laverty zahlreiche Interviews mit Betroffenen geführt. Der filmische Gestus selbst ist zwar zurückgenommen, aber nicht Zum Inhalt: dokumentarisch. Die ärmlich-beschauliche Backsteinwelt der Arbeiterviertel (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) der nordenglischen Industriestadt Newcastle wird liebevoll in Szene gesetzt, von handwerklicher Sorgfalt wie die hölzernen Fische, die Dan schnitzt. Anders als im Jobcenter mit seiner Massenabfertigung in grauen (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) Würfeln herrscht hier Menschlichkeit im Umgang miteinander – vom jungen farbigen Nachbarn der illegalen Geschäften nachgeht bis zu den Mitarbeiterinnen der Lebensmittelausgabe, vor deren Tür die Schlange immer länger wird.

Die Goldene Palme, die Ken Loach für seinen engagierten Film "Ich, Daniel Blake" auf dem diesjährigen Filmfestival in Cannes erhalten hat, ist mehr als die Anerkennung eines Lebenswerks. Kompromisslos und unversöhnlich formuliert er einen Appell für Respekt vor der Würde des Menschen und gegen ein System, das die Armut diffamiert, die es selbst produziert hat. Für den Unterricht ergeben sich damit zahlreiche Ansatzpunkte zur Diskussion: Im Geschichts- oder Englischunterricht können sich die Schüler/-innen mit der britischen Tradition der Klassengesellschaft, der Bedeutung des accents oder den Zum Inhalt: Genres des sogenannten Kitchen Sink Dramen beschäftigen. In den Fächern Politik, Gemeinschaftskunde und Ethik bietet es sich an, sich mit den Aufgaben und Grundlagen des Sozialstaates auseinanderzusetzen. Zum anderen regt der Film aber auch dazu an, über das politische Kino sowie das Verhältnis von Kunst und Politik allgemein zu diskutieren – wobei die Anschlüsse zur aktuellen gesellschaftlichen Situation auf der Hand liegen.

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