Frankfurt am Main, 1958. Die deutsche Bevölkerung möchte nach vorne schauen und nicht an ihre Schuld an den NS-Verbrechen erinnert werden. Doch der junge Staatsanwalt Johann Radmann wird hellhörig, als ein Journalist einen Lehrer anzeigt, der in Auschwitz als Aufseher arbeitete. Zwar weiß Radmann selbst nur wenig darüber, was in den Konzentrationslagern wirklich geschah, doch geht er der Sache auf den Grund und findet schließlich die schockierende Wahrheit heraus. Sie führt ihn zu dem Entschluss, die Mörder von Auschwitz vor Gericht zu stellen. Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer unterstützt ihn bei diesem aufwendigen Projekt. Obwohl einige deutsche Behörden dem Ermittler Steine in den Weg legen, gelingt es ihm, ausreichend Belastungsmaterial gegen 8000 Täter zu sammeln.

Im Labyrinth des Schweigens, Szene (© UPI)

Der Film erzählt die Vorgeschichte des ersten, am 20. Dezember 1963 beginnenden Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Regisseur Ricciarelli orientiert sich weitgehend an den Fakten, gönnt sich aber auch dramaturgische Freiheiten. Der engagierte Staatsanwalt Radmann ist ein fiktiver Held, realen Vorbildern nachempfunden. Er wächst an seinen Aufgaben, hadert aber auch mit Rückschlägen und privaten Krisen und bewirkt damit, dass sich im Film Geschichte nicht nur lehrreich, sondern auch lebendig vermittelt. Visuell beeindruckt das Drama mit gespenstischen Impressionen aus dem amerikanischen Militär-Archiv, das alle in Auschwitz Beschäftigten und ihre Verbrechen dokumentiert: in eindrucksvollen Totalen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) zeigt die Kamera endlose Regalreihen und riesige Aktenberge. Das Ausmaß der Verdrängung wird kontrastiert durch ein mit viel Zeitkolorit gezeichnetes Stimmungsbild der Bundesrepublik der 1960er-Jahre.

Als ein Film, der ein wenig bekanntes Kapitel deutscher Geschichte rekapituliert, erinnert "Im Labyrinth des Schweigens" an eine Zeit, in der die meisten Deutschen vom Holocaust nichts wissen wollten. Mit einem jungen Juristen als Hauptfigur, der unbeirrbar für seine beruflichen Ideale streitet, stellt er einem jugendlichen Publikum eine Identifikationsfigur als Vorbild zur Seite. Zugleich regt der Film dazu an, sich ausführlicher mit Fritz Bauer, dem Initiator der Auschwitz-Prozesse, zu beschäftigen. Der großartige Gert Voss verkörpert den Juristen und Sozialdemoraten in seiner letzten Kinorolle als einen jovialen Souverän, doch tritt er in vornehmer Bescheidenheit in den Hintergrund. Die von einem älteren Staatsanwalt aufgeworfene Kernfrage, ob sich alle jungen Deutschen fragen sollten, ob ihr Vater ein Mörder sei, entfacht eine komplexe ethische Diskussion über Schuld, Vergangenheitsbewältigung, Rechtsstaatlichkeit und historische Verantwortung.

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