Berlin in den 1950er-Jahren: Die Stadt ist geteilt, die Kriegswunden sind noch sichtbar. Es ist aber auch die Zeit von Lederjacken und Pferdeschwänzen, von Marlon Brando und Rock'n'Roll. Im Ostberliner Stadtteil Prenzlauer Berg, unter den U-Bahn-Bögen der Schönhauser Allee, treffen sich Dieter und seine Clique. Hier verbringen die "Halbstarken" ihre Abende, tanzen und flirten, raufen sich, geraten in Konflikt mit der Polizei. Während die Jugendlichen weder in ihren vom Krieg gezeichneten Familien noch in der sozialistischen Gesellschaftsordnung der DDR so recht ihren Platz haben, finden sie in einer teilweise auch westlichen geprägten Jugendkultur Ausdruck für ihre Rebellion gegen die Werte der Erwachsenen. Als sich Karl-Heinz mit West-Berliner Kriminellen einlässt und Dieter in seine Geschäfte hineinzuziehen versucht, eskaliert die Lage. Dieter und sein Freund "Kohle" fliehen in den Westteil der Stadt, glauben sie doch, Karl-Heinz im Streit tödlich verletzt zu haben. In einem Auffanglager für DDR-Flüchtlinge beginnt Dieter, sein Fortgehen infrage zu stellen. Er möchte zurück in seine Heimat – und zurück zu seiner Freundin Angela, die ein Kind von ihm erwartet.

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"Berlin – Ecke Schönhauser" steht emblematisch für die Gegenwartsfilme der "Tauwetterperiode", die nach dem Tod Stalins im Jahr 1953 in den sozialistischen Ländern eine kurze Phase der Liberalisierung markierte. Wie viele andere nutzten Regisseur Gerhard Klein und Drehbuchautor (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch) Wolfgang Kohlhaase die gelockerten Zensurbedingungen, um die individuellen Nöte der Menschen in der DDR kritisch zu thematisieren – ohne dabei jedoch das System in seiner Gesamtheit infrage zu stellen. So ist ihr verständnisvoller Blick auf die Probleme der jungen Generation nicht frei von Schwarz-Weiß-Schemata, die in Einklang mit der Staatsideologie standen. Am Ende des Films, als der geläuterte Protagonist wohlwollend in die DDR-Gesellschaft wiederaufgenommen wird, steht dann auch ein Appell an die gesellschaftliche Verantwortung des Einzelnen im Sozialismus. Erzählt wird die Geschichte dramaturgisch zugespitzt in Form einer Zum Inhalt: Rückblende. Stilistisch am italienischen Zum Inhalt: Neorealismus orientiert, drehte Gerhard Klein an Originalschauplätzen (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) und verfolgte eine authentische Darstellung des Alltags auf den Straßen Ost-Berlins. So fand er Anschluss an das Lebensgefühl der Jugendlichen in der DDR: Mehr als 1,5 Millionen Zuschauende in den ersten drei Monaten machten "Berlin – Ecke Schönhauser" zu einer der erfolgreichsten DEFA-Produktionen. In der Bundesrepublik hingegen war die Vorführung des Films vor allem auch wegen seiner Darstellung des westdeutschen Aufnahmelagers viele Jahre lang nicht gestattet.

Für den Geschichts- und Politikunterricht empfiehlt sich "Berlin – Ecke Schönhauser" als aussagekräftiges Zeitbild. Ausgehend von den Problemen und Sehnsüchten der Figuren lassen sich die Zerrissenheit der DDR-Jugend zwischen den gegensätzlichen Ideologien in Ost und West sowie Generationenkonflikte der Nachkriegsgesellschaft nachvollziehen. Die Jugendkultur der "Halbstarken" kann in den Fächern Deutsch oder Politik auf ihre Merkmale hin untersucht und in Bezug zur (westlichen) Popkultur gesetzt werden, etwa durch einen Vergleich der Figuren mit ihren Vorbildern aus dem Hollywood-Kino wie James Dean oder Marlon Brando. Der Entstehungskontext des Films bietet Anlass, um über Filmschaffen und Zensur in der DDR zu sprechen. Nachdem die Hauptverwaltung Film das Drehbuch abgelehnt hatte, wurde der Film ohne Produktionsbestätigung realisiert und auch im Nachhinein scharf kritisiert. Einen Kinostart erhielt er nur durch Zuspruch des FDJ-Zentralrates. In diesem Zusammenhang sollte der ideologische Gehalt des Films herausgearbeitet und im Kontext der SED-Kulturpolitik diskutiert werden. Vergleichend kann untersucht werden, warum der Film in der BRD kritisiert und verboten wurde. Außerdem können die verwendete Ästhetik und ihre Wirkung im Deutsch- und Kunstunterricht analysiert und filmhistorisch in Bezug zum Neorealismus eingeordnet werden.

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