Nur äußerlich einem Zum Inhalt: Dokumentarfilm gleichend, beginnt der Film mit dem Schnappschuss dreier Kinder auf Island im Jahr 1965. Den überwiegenden Teil bilden nach Art eines Reiseberichts montierte Aufnahmen aus Afrika und Japan, ergänzt durch Standbilder aus Alfred Hitchcocks Filmmeisterwerk Zum Inhalt: Vertigo (USA 1958), dessen Zum Inhalt: Drehorte der reisende Kameramann aufsucht und mit seinem Film verknüpft. Die assoziative Zusammenstellung kombiniert Menschen, Gebäude und Verkehrsmittel an unterschiedlichsten Orten der Welt. Ihr Sinn erschließt sich höchstens bruchstückhaft aus dem Gedankenstrom des Erzählers (Glossar: Zum Inhalt: Voiceover). Insbesondere in der japanischen Hauptstadt Tokio verliert sich die Bildbetrachtung in einem Strudel unlesbarer Zeichen, ist die Kamera fasziniert vom Nebeneinander alter religiöser Rituale und neuer digitaler Massenmedien.

Der als "vollkommenes Fragment" gerühmte Filmessay macht es dem Publikum nicht leicht. Auffälligstes Mittel der poetischen Verfremdung ist die weibliche Erzählstimme, die nicht identisch ist mit dem Urheber des Texts. Hinter der sich wiederholenden Formulierung "Er schrieb mir …" verbirgt sich der französische Filmavantgardist Chris Marker, der sich hier wie in vielen anderen Werken mit der "Funktion des Erinnerns" auseinandersetzt. Die Einbindung von Szenen aus "Vertigo" als Spielfilmgeschichte einer "unmöglichen Erinnerung" steht in diesem Kontext. Wie bei der mehrfachen Betrachtung eines Films hinterfragt Marker seine abdriftenden Gedanken beim erstmaligen Sehen beziehungsweise bei der Aufnahme. Diese subjektive Nachbetrachtung der eigenen Bilder – darunter ein Karnevalsumzug in Guinea-Bissau, schlafende Bahnpassagiere in Tokio – scheint oft von den Objekten losgelöst und schwer verständlich, appelliert jedoch auch an das eigene Sehen und Verstehen.

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Einem heutigen Publikum nämlich erweist sich die angebliche Zufallsmontage (Glossar: Zum Inhalt: Montage) als fast schon exakter Bildkatalog des 20. Jahrhunderts: das Ende des Kolonialismus in Afrika, Kriege und atomare Bedrohung, der Anbruch des digitalen Zeitalters ausgerechnet im einst so traditionellen Japan – Chris Markers Film zeigt nicht zuletzt, wie sich das kulturelle Gedächtnis in der modernen Flut von Nachrichtenbildern formt und wieder verliert. Doch "Sans Soleil" ist nicht nur ein hervorragendes Beispiel für die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten des Mediums, sondern auch für die Grenzen unseres Verstehens. Im Unterricht sollte der Film Schülern/-innen Gelegenheit geben, sich mit seiner ungewohnten Machart auseinanderzusetzen, und anschließend ihre Eindrücke zu formulieren. In diesem Zusammenhang können sie Collagen aus eigenen oder medialen Erinnerungsbildern anfertigen und sich ferner mit Formen des kollektiven Erinnerns auseinandersetzen.

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