"Du musst sie nehmen, wie sie ist. Sie gehört dir nicht. Sie kann hören. Wir sind taub", verteidigt die Mutter Lara, als der Vater ihr wieder einmal das Musizieren als Eigensucht und Rücksichtslosigkeit vorwirft. Lara, die Tochter gehörloser Eltern, lebt in zwei Welten: in der 'normalen' und in der ihrer tauben Eltern, wo der Dialog der Generationen höchst ungewöhnlich, jedoch liebevoll und reibungslos mit Hilfe der höchst anmutigen Gebärdensprache klappt. Sie ist das Bindeglied zwischen diesen beiden Welten. 'Draußen' verschafft die Achtjährige ihren Eltern Gehör und übersetzt ihnen die Sprache der Worte in einen Tanz der Hände. Patent managt sie komplizierte Kreditverhandlungen bei der Bank, modifiziert die besorgten Ermahnungen ihrer Lehrer in ein Lob ihrer Lesekünste, übersetzt die Liebesfilme im Fernsehen für ihre Mutter und das Rieseln des Schnees für ihren Vater. Ihre Rolle als Mittler und 'Außenminister' der Familie nimmt sie als selbstverständlich hin und ist vor allem bemüht, keine Disharmonien aufkommen zu lassen. Das ändert sich schlagartig, als ihr Clarissa, die Schwester des Vaters, eine Klarinette schenkt. Lara entdeckt die Welt der Musik. Der Vater betrachtet diese Entwicklung misstrauisch, er empfindet sie wie eine Revolte gegen seine Welt der Stille und spürt, dass Lara sich allmählich von den Eltern ablöst. Als sie zehn Jahre später zu ihrer Tante nach Berlin zieht, um dort auf das Konservatorium zu gehen, scheint es zum endgültigen Bruch zu kommen. Der Vater glaubt sie verloren, daran ändert sich auch nichts durch ihre zeitweilige Rückkehr nach dem tödlichen Fahrradunfall der Mutter. Doch dann beginnt er zu begreifen und erscheint unerwartet zu ihrer Aufnahmeprüfung für die Musikhochschule. Ein Zeichen der Versöhnung und Verständigung ist gesetzt.

Lara wird die Rolle des Kindseins schon früh verwehrt. Da ist kein Raum für kindliche Spiele und kindliche Mentalität. Sie wächst in einer 'verkehrten' Welt auf: Sie fühlt sich ihren Eltern überlegen, für sie verantwortlich, möchte sie beschützen. So können sie auch nur bedingt für sie zum Vorbild werden, im Gegensatz zur Tante, die sie idealisiert. Von ihren Klassenkameraden wird sie als 'anders' abgestempelt, weil ihre Eltern anders sind. Zuhause ist sie 'anders', weil sie hören kann, während ihre Eltern taub sind. Die Geborgenheit und Liebe, die sie ihr durchaus vermitteln, findet in einer hermetisch geschlossenen Welt statt. 'Draußen' ist sie immer allein. Selbst bei ihrem ersten öffentlichen Vorspiel auf der Klarinette bleiben die Stühle der Eltern verwaist, weil diese glauben, keinen Zugang zur Musik zu haben.

Obwohl der Film sich weitgehend auf die Perspektive von Lara konzentriert, verweisen Rückblenden immer wieder auf die Kindheit des Vaters und verdeutlichen, wie sein Verhalten Lara gegenüber durch seine eigene Kindheit geprägt ist. So ruft Laras Affinität zur Tante und zur Musik ein schmerzhaftes Erlebnis wach: Als seine Schwester, mit der er als Kind ein enges, aber rivalisierendes Verhältnis hatte, ihre ersten musikalischen Erfolge auf der Klarinette feierte, fühlte er sich, der taube Bruder, endgültig von ihrem Leben ausgeschlossen. Die Musik wurde für ihn zum Symbol des Verlusts seiner Schwester. Und nun scheint sich dasselbe mit seiner Tochter zu wiederholen: "Manchmal wünsche ich mir, dass du taub wärst, dann wärst du in meiner Welt." Genauso wie seine Eltern und seine Schwester niemals die Gebärdensprache lernten, um zu seiner Welt Zugang zu bekommen, so verweigert er sich der Welt seiner Tochter und wiederholt auf fatale Weise das, was ihm selbst angetan wurde.

Caroline Link erzählt die Geschichte einer außergewöhnlichen und sehr einsamen Kindheit auf sensible Weise, ohne die schwierige Situation der Eltern auszublenden. Laras verzweifelte Sehnsucht nach Normalität hat indirekt zum Tod der Mutter beigetragen, denn diese lernte ihrer Tochter zuliebe Fahrrad fahren, obwohl sie wusste, dass sie als Taubstumme auch unter einem gestörten Gleichgewichtssinn litt. Die Welt der Hörenden und der Taubstummen scheint letzten Endes nicht vereinbar. Und doch ist eine Kommunikation möglich, wenn man die Welt des anderen als anders annimmt. So ist der Film gleichermaßen für Kinder und Erwachsene sehenswert, weil er gerade durch diese Akzeptanz der Verschiedenartigkeit einen Weg zur Verständigung aufzeigt.